Die let­zten Tage und Wochen waren in den USA für die Demokrat­en eine bedrück­ende Zeit: Nach ein­er schwachen Vorstel­lung des amtieren­den Präsi­den­ten im Stre­it­ge­spräch mit dem Möchte­gern-Präsi­den­ten wird immer deut­lich­er, dass das von den Repub­likan­ern dominierte Ober­ste Gericht Don­ald Trump bildlich gesprochen einen roten Tep­pich auslegt, um ihm im kom­menden Novem­ber das Come­back zu ermöglichen, — mit unab­se­hbaren Fol­gen für die amerikanis­che Demokratie.

Im 19. Jahrhun­dert war diese Demokratie für alle Europäer, die sich eine neue und gerechte Gesellschaft­sor­d­nung ersehn­ten, ein leuch­t­en­des Vor­bild. Die am Neu­jahr 1848 erschienene Stre­itschrift “Die Ver­fas­sung der Vere­inigten Staat­en Nordamerika’s als Muster­bild der Schweiz­erischen Bun­desre­form des grossen Beromün­ster Poli­tik­ers, Arzt, Philosophen und Päd­a­gogen Ignaz P.V. Trox­ler brachte in der Ver­fas­sungskom­mis­sion, die auf der Suche nach ein­er neuen Staats­form war, schliesslich den lange ersehn­ten Durch­bruch: die Schweiz­erische Eidgenossen­schaft als Bun­desstaat war geboren.

Die Zeit­en haben sich geän­dert. Heute schauen alle demokratisch Gesin­nten weltweit mit wach­sender Sorge auf eine USA, die sich Schritt um Schritt hin zu einem oli­garchisch und autokratisch geführten Staats­ge­bilde wan­delt. Thom Hart­mann, ein luzider Beobachter dieser Entwick­lung, fasst sie im Titel seines neuesten Blog­beitrags kurz und bündig so zusam­men:

Das neue Ameri­ka 2.0 ist keine Demokratie; es ist eine Oli­garchie

Hier einige Auszüge aus seinem Blogkom­men­tar (Her­vorhe­bun­gen durch den birsfaelder.li-Schreiberling):
Das einzige Heilmit­tel in diesem späten Sta­di­um der über 50 Jahre andauern­den Kam­pagne zur Neugestal­tung Amerikas ist ein mas­siv­er Auf­s­tand an den Wahlur­nen in diesem Herb­st, bei dem der Kongress in die Hände der Demokrat­en überge­ht und gle­ichzeit­ig das Weiße Haus beset­zt wird.

Kevin Roberts, der die Her­itage Foun­da­tion leit­et (die weit­ge­hend für das Pro­jekt 2025 ver­ant­wortlich ist), hat den Amerikan­ern ger­ade impliz­it gedro­ht, dass es Blut auf den Straßen geben wird, wenn wir ihm und sein­er recht­sradikalen Bewe­gung nicht erlauben, ihre Umwand­lung Amerikas von ein­er demokratis­chen Repub­lik in einen autoritären Staat zu vol­len­den. “Wir sind dabei, dieses Land zurück­zuer­obern”, sagte er vor einem Fernseh­pub­likum (…)

Er hat nicht unrecht. Ameri­ka hat sich durch eine Rei­he von kor­rupten Urteilen von Repub­likan­ern (auss­chließlich; kein einziges dieser Urteile wurde von einem demokratis­chen Richter mit­ge­tra­gen) verän­dert, die das rechtliche und poli­tis­che Sys­tem Amerikas selb­st verän­dert haben.

Dies ist … wirk­lich das größte Prob­lem, mit dem wir alle kon­fron­tiert sind, und unsere Main­stream-Medi­en ver­säu­men es völ­lig, entwed­er zu erken­nen oder klar zu artikulieren, wie radikal anders unser Land jet­zt ist, wie weit die Repub­likan­er am Gericht­shof uns sowohl von der Vision unseres Grün­ders als auch von den Nor­men und Stan­dards ein­er funk­tion­ieren­den, mod­er­nen demokratis­chen Repub­lik wegge­zo­gen haben.

Hart­mann wirft den Repub­likan­ern vor, dafür gesorgt zu haben,
dass im Pow­ells Bel­lot­ti-Gutacht­en aus dem Jahr 1978 … Unternehmen nicht nur “Per­so­n­en” im Sinne der Ver­fas­sung sind, son­dern, noch radikaler, Anspruch auf die Men­schen­rechte haben, die die Ver­fass­er der Ver­fas­sung in die Bill of Rights (die ersten zehn Zusatzartikel) geschrieben haben.

Mit dieser Begrün­dung behauptete Pow­ell, dass Unternehmen wie reiche Leute … Anspruch auf das Recht auf freie Mei­n­ungsäußerung nach dem ersten Ver­fas­sungszusatz haben. Aber er ging noch einen radikalen Schritt weit­er und entsch­ied, dass, weil Unternehmen keinen Mund haben, mit dem sie sprechen kön­nen, ihre Ver­wen­dung von Geld, das sie zur Unter­stützung von Poli­tik­ern oder als Wer­betep­pich für einen Kan­di­dat­en oder ein The­ma aus­geben, freie Mei­n­ungsäußerung ist, die nicht streng reg­uliert wer­den kann.

Cit­i­zens Unit­ed, eine weit­ere rein repub­likanis­che Entschei­dung, bei der Clarence Thomas (der dien­stäl­teste repub­likanis­che Richter am Ober­sten Gericht) die entschei­dende Stimme hat­te (nach­dem er Mil­lio­nen an Bestechungs­geldern kassiert hat­te), erweit­erte diese Dok­trin sowohl für Unternehmen als auch für reiche Men­schen und schuf neue “Schwarzgeld”-Systeme, die wohlhabende Spender und Unternehmen nutzen kön­nen, um ihre Beteili­gung an ihren Bemühun­gen zu ver­ber­gen, die von ihnen angestrebten politischen/rechtlichen/legislativen Ergeb­nisse zu erzie­len.

Let­zte Woche sind die Repub­likan­er am Gericht­shof sog­ar noch einen großen Schritt weit­er gegan­gen und haben erk­lärt, dass es sich nicht um Bestechung, son­dern um eine ein­fache “Zuwen­dung” han­delt, wenn Unternehmen oder wohlhabende Per­so­n­en Poli­tik­ern im Gegen­zug für Verträge, Geset­ze oder andere Vergün­s­ti­gun­gen Geld geben, solange das Geld erst aus­gezahlt wird, nach­dem die Tat voll­bracht ist.

Sie haben also … über 240 Jahre altes amerikanis­ches Recht außer Kraft geset­zt und die Bestechung legal­isiert.

Let­zte Woche haben sie auch die Fähigkeit der Bun­des­be­hör­den aus­ge­höhlt, den Durch­schnitts­bürg­er, die Wäh­ler, die Arbeit­nehmer und sog­ar die Umwelt vor Unternehmen zu schützen, die ver­suchen, sie auszubeuten, zu ver­schmutzen oder sog­ar Lohndieb­stahl zu bege­hen. Damit wurde die Macht über das gesamte wirtschaftliche Spek­trum von ein­er Regierung, die von uns, dem Volk, gewählt wurde, auf die CEOs und Vorstände einiger der räu­berischsten und giftig­sten Unternehmen Amerikas über­tra­gen.

In der Immu­nitätssache Trump schließlich entsch­ied der Gericht­shof, dass Präsi­den­ten unab­hängig von den von ihnen began­genen Straftat­en vor strafrechtlich­er Ver­fol­gung geschützt sind, solange sie behaupten, dass diese Straftat­en im Rah­men ihrer “offiziellen” Ver­ant­wor­tung began­gen wur­den. Und wer entschei­det, was “offiziell” ist? Die sechs Repub­likan­er am Ober­sten Gericht­shof.

Diese Maß­nah­mendie Per­sön­lichkeit­srechte von Unternehmen, Geld als Sprache, die Abschaf­fung der Chevron-Regelun­gen für Reg­ulierungs­be­hör­den und die Erteilung von Befug­nis­sen auf Leben und Tod an den Präsi­den­ten, die his­torisch gese­hen nur Köni­gen, Schahs, Mul­lahs, Dik­ta­toren und Päp­sten vor­be­hal­ten waren — haben das Wesen unser­er Nation grundle­gend verän­dert.

Es ist fast unmöglich, die Bedeu­tung dieses Ereigniss­es und sein­er Fol­gen überzube­w­erten. Wir leben nicht mehr in Ameri­ka 1.0, son­dern in einem neuen Ameri­ka, das eher der alten Kon­föder­a­tion ähnelt, in dem reiche Fam­i­lien und riesige Unternehmen die Regeln machen, die Regeln durch­set­zen und diejeni­gen bestrafen, die sie stören oder zu behin­dern ver­suchen.

In Ameri­ka 2.0 gibt es kein Wahlrecht; Gou­verneure und Staatssekretäre kön­nen Ihnen Ihre Stimme weg­nehmen, ohne Ihnen das auch nur anzukündi­gen (obwohl sie immer noch vor Gericht gehen müssen, um Ihnen Ihre Waffe wegzunehmen).

Sie kön­nen jeden Poli­tik­er ihrer Wahl zer­stören, indem sie ein­fach genug Geld in das Wahlkampf­sys­tem steck­en (ein­schließlich dun­kler, nicht zurück­ver­fol­gbar­er Gelder).

Der Präsi­dent kann jet­zt viel weit­er gehen als Bushs Folterung und Inhaftierung unschuldiger Men­schen in Guan­tanamo ohne Gerichtsver­fahren: Er kann jet­zt eine Per­son auf der Fifth Avenue vor den Augen der Weltöf­fentlichkeit erschießen und es ein­fach als notwendi­gen Teil sein­er Arbeit beze­ich­nen. Oder er kann Sie oder mich mit der dünnsten juris­tis­chen “offiziellen” Begrün­dung ver­ar­men oder ins Gefäng­nis steck­en.

Ameri­ka 2.0 ist keine Demokratie; es ist eine Oli­garchie, wie ich in “Die ver­bor­gene Geschichte der amerikanis­chen Oli­garchie” beschrieben habe. Der Süden hat endlich — fast — den Bürg­erkrieg gewon­nen. (…)

Es gab noch nie einen kri­tis­cheren Zeit­punkt in der Geschichte unser­er Nation, abge­se­hen vom let­zten Mal, als reiche Oli­garchen ver­sucht­en, unsere Demokratie zu stürzen, — dem Bürg­erkrieg. Wie damals ste­ht nichts weniger auf dem Spiel als das Über­leben ein­er Nation von, durch und für uns, das Volk.

Über­triebene Schwarz­malerei?  Es wäre zu hof­fen …

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Mattiello am Mittwoch 24/27
Die Reichsidee 139

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