Neben Robert Reich gibt es wei­te­re poli­ti­sche Beob­ach­ter in den USA, die ganz nahe am Puls der ame­ri­ka­ni­schen Demo­kra­tie sind. Dazu gehört der Schrift­stel­ler, Jour­na­list und bekann­te Radio­mo­de­ra­tor Thom Hart­mann. In sei­ner Buch­serie “The Thom Hart­mann Hid­den Histo­ry Series” und wei­te­ren Büchern fühlt er den USA auf den Zahn und ana­ly­siert und kri­ti­siert deren Fehl­ent­wick­lun­gen und Miss­stän­de. Auf sei­nem Blog “The Hart­mann Report” kom­men­tiert er zeit­nah die Ent­wick­lun­gen rund um die kom­men­den Prä­si­dent­schafts­wah­len, — natür­lich mit dem Haupt­fo­kus auf jenem Kan­di­da­ten, mit dem die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie defi­ni­tiv zu einem Ende kom­men könnte.

Als Bei­spiel dafür ein Aus­zug aus einem kürz­li­chen Blog­bei­trag, in dem er auf die Gefahr einer kom­men­den reli­giö­sen Auto­kra­tie in Ver­bin­dung mit Donald Trump in den USA hin­weist: der rasan­te Auf­stieg des poli­ti­schen und natio­na­lis­ti­schen Evan­ge­li­ka­lis­mus und des­sen enge Ver­bin­dun­gen zum “Trum­pis­mus”.

Acht­und­zwan­zig Staa­ten, fast alle unter repu­bli­ka­ni­scher Kon­trol­le, geben inzwi­schen Mil­li­ar­den von Steu­er­gel­dern aus, um die reli­giö­se Indok­tri­na­ti­on von Kin­dern durch Gut­schein­pro­gram­me zu unter­stüt­zen, die für über­wie­gend christ­li­che Schu­len ver­wen­det wer­den kön­nen. Fünf repu­bli­ka­nisch regier­te Staa­ten sind dabei, ihr gesam­tes öffent­li­ches Schul­sys­tem durch Gut­schei­ne ghet­toi­sie­ren zu lassen.
Wie die Washing­ton Post ges­tern feststellte:
“Mil­li­ar­den an Steu­er­gel­dern wer­den ver­wen­det, um Stu­di­en­ge­büh­ren an reli­giö­sen Schu­len im gan­zen Land zu bezah­len, da die staat­li­chen Gut­schein­pro­gram­me dra­ma­tisch aus­ge­wei­tet wer­den und die Gren­ze zwi­schen öffent­li­cher Bil­dung und Reli­gi­on verschwimmt.”

Die Ver­fech­ter des evan­ge­li­ka­len Chris­ten­tums glau­ben, dass sie kurz davor ste­hen, unser Land zu über­neh­men, von unse­ren Schu­len über unse­re Gerich­te bis hin zum Kon­gress selbst. Die Geschich­te warnt uns — wie auch die Grün­der und Schöp­fer der Ver­fas­sung — dass dies, wenn es erfolg­reich ist, für die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie töd­lich sein wird.

Reli­giö­ser Evan­ge­li­ka­lis­mus kann ein töd­li­cher Gedan­ken­vi­rus sein. Er behaup­tet aus­drück­lich: “Es gibt nur einen rich­ti­gen Weg zu leben, und wir wis­sen, wel­cher das ist”, und: “Es gibt nur einen wah­ren Gott, und den beten wir an — und das müs­sen Sie jetzt auch.(…)
Das Juden­tum, der Bud­dhis­mus und die meis­ten For­men des Hin­du­is­mus sind nicht evan­ge­li­kal; nur das Chris­ten­tum und der Islam haben in der Ver­gan­gen­heit zur Kon­ver­si­on auf­ge­ru­fen, manch­mal unter Andro­hung von Gewalt, Gefäng­nis oder sogar Tod.

An der Spit­ze die­ses neu­en Ame­ri­kas ste­hen die katho­lisch-kon­ser­va­ti­ve Mehr­heit am Obers­ten Gerichts­hof, der Spre­cher Mike John­son und sei­ne Anhän­ger im Kon­gress und eine Armee von Fern­seh­pre­di­gern, die auf­grund ihrer Reli­gi­on mora­li­sche Über­le­gen­heit bean­spru­chen. Unter­stützt wer­den sie von einem klei­nen Heer fun­da­men­ta­lis­ti­scher Mil­li­ar­dä­re und Poli­ti­ker wie Donald Trump, die bereit sind, ihnen Macht und Reich­tum im Aus­tausch für ihre Unter­stüt­zung an der Wahl­ur­ne zu geben.
Unter ihnen ist der Rest von uns Unter­men­schen, deren Mei­nun­gen tole­riert wer­den, solan­ge wir ihnen nicht ihren steu­er­li­chen Sta­tus als Nicht-Pro­vinz­ler weg­neh­men (was sicher­stellt, dass wir sie wei­ter­hin sub­ven­tio­nie­ren müs­sen), ihre Über­nah­me unse­rer Schu­len stop­pen oder kor­rekt dar­auf hin­wei­sen, dass die Grün­der­vä­ter ent­setzt wären über die Aus­sicht, dass Ame­ri­ka jemals eine “christ­li­che Nati­on” wer­den könnte.

Aber das ist genau das, was die Mehr­heit der Grün­der die­ser Nati­on befürch­te­te. Des­halb schrie­ben sie eine Ver­fas­sung, die es ver­bie­tet, nach einem reli­giö­sen Bekennt­nis zu fra­gen, und füg­ten in den ers­ten Zusatz­ar­ti­kel ein: “Der Kon­gress soll kein Gesetz erlas­sen, das eine Ein­rich­tung der Reli­gi­on betrifft oder die freie Aus­übung der­sel­ben ver­bie­tet…

Des­halb wei­ger­te sich Geor­ge Washing­ton, öffent­lich zu sagen, ob er Christ sei oder nicht, und ver­fass­te den Ver­trag von Tri­po­lis der mit den Wor­ten beginnt: “Da die Regie­rung der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka in kei­ner Wei­se auf der christ­li­chen Reli­gi­on gegrün­det ist…”

Aus die­sem Grund ver­ließ Ben Frank­lin als Teen­ager Mas­sa­chu­setts, um dem obli­ga­to­ri­schen Kir­chen­be­such zu ent­ge­hen, und schrieb: “Ich habe das christ­li­che Dog­ma für unver­ständ­lich gehal­ten. Schon früh im Leben habe ich mich von christ­li­chen Ver­samm­lun­gen ferngehalten.” 
Des­halb leg­te James Madi­son, einer der weni­gen wirk­li­chen Chris­ten in der Kern­grup­pe der Grün­der­vä­ter und der “Vater der Ver­fas­sung”, 1811 sein ers­tes Veto als Prä­si­dent gegen ein Gesetz ein, das einer Kir­che in Washing­ton, DC, staat­li­che Mit­tel für den Betrieb eines Armen­hau­ses zukom­men las­sen soll­te. Es wäre, so sag­te er, “ein Prä­ze­denz­fall dafür, dass reli­giö­se Gesell­schaf­ten als sol­che eine gesetz­li­che Befug­nis zur Erfül­lung einer öffent­li­chen und zivi­len Pflicht erhalten”.
Madi­son füg­te in einem Brief an sei­nen alten Freund Edward Living­ston vom 10. Juli 1822 hinzu:
“Wir leh­ren die Welt die gro­ße Wahr­heit, dass Regie­run­gen bes­ser ohne Köni­ge und Adli­ge aus­kom­men als mit ihnen. Der Ver­dienst wird durch die ande­re Lek­ti­on ver­dop­pelt: dass die Reli­gi­on in grö­ße­rer Rein­heit ohne, als mit der Hil­fe der Regie­rung gedeiht.”

Das Krebs­ge­schwür des Evan­ge­li­ka­lis­mus hat nun buch­stäb­lich jeden Aspekt der ame­ri­ka­ni­schen Gesell­schaft im Visier, näm­lich mit sei­nem “Sie­ben-Ber­ge-Man­dat”, das besagt, dass evan­ge­li­ka­le Chris­ten die Kon­trol­le über jede ande­re Reli­gi­on, jede Fami­lie in Ame­ri­ka, die US-Regie­rung selbst, alle öffent­li­chen und pri­va­ten Bil­dungs­ein­rich­tun­gen, die Küns­te und die Wirt­schaft über­neh­men müssen. (…)

Zum Sie­ben-Ber­ge-Man­dat”: Ihre Anhän­ger glau­ben, dass die Bewe­gung 1975 mit einer angeb­li­chen Bot­schaft Got­tes an die Evan­ge­li­ka­len Loren Cun­ning­ham, Bill Bright und Fran­cis Schaef­fer begann, die ihnen befahl, in die “sie­ben Sphä­ren” der Gesell­schaft ein­zu­drin­gen: Fami­lie, Reli­gi­on, Bil­dung, Medi­en, Unter­hal­tung, Wirt­schaft und Regie­rung. … Die Bewe­gung unter­stütz­te gene­rell die Prä­si­dent­schaft von Donald Trump, und ihr Mit­glied Pau­la White wur­de Trumps spi­ri­tu­el­le Bera­te­rin. White behaup­te­te, dass Trump “eine ent­schei­den­de Rol­le in Arma­ged­don spie­len wird, wenn die Ver­ei­nig­ten Staa­ten im Kampf gegen den Islam an der Sei­te Isra­els ste­hen”. Im Jahr 2020 sag­te Char­lie Kirk in einer Rede auf der Con­ser­va­ti­ve Poli­ti­cal Action Con­fe­rence: “End­lich haben wir einen Prä­si­den­ten, der die sie­ben Ber­ge des kul­tu­rel­len Ein­flus­ses ver­steht”. (Wiki­pe­dia)

Nach­dem die heu­ti­gen christ­li­chen Tali­ban mit der Rea­gan-Kam­pa­gne 1980 gemein­sa­me Sache gemacht hat­ten, bestand ihre ers­te gro­ße Auf­ga­be dar­in, die Kon­trol­le über den Rest der Repu­bli­ka­ni­schen Par­tei zu über­neh­men. Jetzt, wo das gelun­gen ist, sind sie hin­ter dem Rest von uns her.

Wie die Indi­ge­nen, die die­ses Land einst bewohn­ten, sagen wür­den, ist dies die gro­ße Sün­de. Sie ver­wan­delt die Reli­gi­on von einer spi­ri­tu­el­len Übung in ein sozia­les, kul­tu­rel­les und poli­ti­sches Krebs­ge­schwür, das stän­dig wächst und alles in sei­nem Weg ver­schlingt. Wie ein bio­lo­gi­sches Krebs­ge­schwür tötet es schließ­lich sei­nen Wirt — wie die Grün­der Ame­ri­kas aus den Erfah­run­gen mit Crom­well in Eng­land und dem Salem des 17. Jahr­hun­derts hier­zu­lan­de wussten.

Und jetzt ist es eine unhei­li­ge Alli­anz mit den Mil­li­ar­dä­ren hin­ter dem Pro­jekt 2025 und unse­rem Ver­ge­wal­ti­ger-Chef Donald Trump ein­ge­gan­gen, den moder­nen Inkar­na­tio­nen des römi­schen Impe­ri­ums und des Prä­fek­ten Pila­tus, der Jesus kreu­zi­gen ließ.

Gott hel­fe uns allen, wenn sie Erfolg haben.

Wie Robert Reich wird auch Thom Hart­mann in die­ser birsfaelder.li-Serie wei­ter­hin regel­mäs­sig zu Wort kommen.

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