Im Abschlusskapitel “Strategien politischen Handelns” macht sich von Pechmann auf die Suche nach Möglichkeiten, den grossen Wandel von den jetzigen nationalen kapitalistischen Eigentums-Strukturen hin zu einer neuen Weltgesellschaft, in der das Gemeinwohl im Zentrum steht, in die Wege zu leiten.
Und er steuert dabei direkt auf die alles entscheidende Frage zu:
Dies … bedeutet heute, dass in den ökologischen Debatten um die Nachhaltigkeit der Güterproduktion und ‑konsumtion sowie in den sozialen Auseinandersetzungen um die gerechte Verteilung des gesellschaftlich produzierten Reichtums neben all den technischen Fragen zu ihrer Bewältigung und dem ethisch-politischen Streit um die Werte und Normen des politischen Handelns die Frage nach der Verfügungsmacht über die Dinge thematisiert werden muss.
Er gibt auch gleich die Begründung, warum dies so entscheidend ist:
Mögen die Modelle einer sozial-ökologischen Transformation der gesellschaftlichen Arbeit oder die Konzepte einer alternativen Lebensweise im Post-Wachstums-Zeitalter noch so wohl durchdacht sein, und mögen die Werte der ökologischen Nachhaltigkeit oder der sozialen Gerechtigkeit in ethischer Hinsicht noch so überzeugen – sie bewegen sich zunächst doch nur im Reich der Ideen und Gedanken.
Ihre Verwirklichung aber hängt ab von der Verfügungsmacht über die Ressourcen und Mittel zu ihrer Realisierung. Solange diese Macht jedoch in den Händen der privaten Eigentümer bzw. der souveränen Nationalstaaten liegt, denen aufgrund der bestehenden Eigentumsordnung das Recht zukommt, darüber nach eigenem Willen und zu eigenem Nutzen zu entscheiden, werden die Konzepte allzu oft zur Makulatur und bleibt das Erhoffte ein bloßer Traum. Sie zerschellen an den bestehenden Eigentumsverhältnissen. Ohne die Einbeziehung der Eigentumsfrage bleiben die alternativen Zukunftskonzepte, ‑programme, ‑manifeste und ‑erklärungen letztlich substanz- und wirkungslos. Ihre Verwirklichung impliziert das Stellen der Eigentumsfrage als deren notwendige Bedingung.
Nationalstaat und bürgerliches Eigentumsrecht sind eng miteinander verknüpft:
Auch wenn in der liberalen Tradition das bürgerlich-kapitalistische Eigentumsrecht als ein natürliches und universelles Recht angesehen wurde, so war es doch der begrenzte, in den bürgerlichen Revolutionen geschaffene moderne Nationalstaat, der die vormals feudale Eigentumsordnung außer Kraft gesetzt hatte und die Wirksamkeit dieses Rechts auf seinem Territorium garantierte. Die Geltung des privaten Eigentumsrechts war daher eng mit der Existenz und dem Bestand der jeweiligen Nationalstaaten verbunden.
Der einzige gross angelegte Versuch, diese Ordnung zu ändern, war die russische Oktoberrevolution 1917. Dort sollte eine neue Gesellschaft entstehen, in der das Eigentum der arbeitenden Klasse gemeinschaftlich zugehörte. Die Sowjetunion mit ihrer “Diktatur des Proletariats” sollte lediglich eine vorübergehende Erscheinung sein und als Keim für eine klassenlose Weltgesellschaft dienen.
Wie grandios dieses Experiment scheiterte, braucht nicht mehr erzählt zu werden. Die klassenlose Weltgesellschaft schrumpfte und pervertierte erneut in einen “sozialistischen Patriotismus” mit Stalin als dem unfehlbaren “Väterchen Russlands”.
Darum kann von Pechmann zusammenfassen:
Wenngleich also in beiden Traditionen, der bürgerlich-liberalen wie der proletarisch-sozialistischen, das Globale in Form des Kosmopolitismus bzw. des Internationalismus als Anspruch und als Leitidee vorhanden war, so bildete doch die je eigene Nation den Bezugsrahmen, in dem sich das politische Handeln vollzog, das klar zwischen Innen und Außen unterschied.
Fortsetzung am kommenden Donnerstag, den 5. August
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