Der erste Punkt aus dem Kat­a­log Fromms für die Entwick­lung ein­er neuen Gesellschaft, die wed­er für die Men­schen sel­ber noch für die Natur destruk­tive Auswirkun­gen hat, lautet:
Der erste entschei­dende Schritt … ist die Aus­rich­tung der Pro­duk­tion auf einen “gesun­den und vernün­fti­gen Kon­sum”.

Die tra­di­tionelle Formel: „Pro­duk­tion für den Ver­brauch statt für den Prof­it“ ist ungenü­gend, da nicht aus­ge­sprochen wird, ob von gesun­dem oder pathol­o­gis­chem Ver­brauch die Rede ist. An diesem Punkt stellt sich eine über­aus schwierige Frage: Wer soll entschei­den, welche Bedürfnisse gesund und welche pathogen sind? Soviel ste­ht fest: den Bürg­er zu zwin­gen, das zu ver­brauchen, was der Staat für das beste hält – selb­st wenn es das Beste ist – kommt nicht in Frage. Bürokratis­che Kon­trolle, die den Kon­sum gewalt­sam drosselt, würde die Men­schen nur noch kon­sumwütiger machen.
Zu vernün­ftigem Kon­sum kann es nur kom­men, wenn immer mehr Men­schen ihr Kon­sumver­hal­ten und ihren Lebensstil ändern wollen. Und das wird nur dann ein­treten, wenn man den Men­schen eine Form des Kon­sums anbi­etet, die ihnen attrak­tiv­er erscheint als die gewohnte. Das kann nicht über Nacht und per Dekret geschehen, son­dern bedarf eines langsamen Erziehung­sprozess­es, in dem die Regierung eine wichtige Rolle spie­len muss.

Auf­gabe des Staates ist es, dem pathol­o­gis­chen Kon­sum Nor­men gesun­den Ver­brauchs ent­ge­gen­zuset­zen. Die Erar­beitung solch­er Nor­men ist prinzip­iell möglich. Die U.S. Food and Drug Admin­is­tra­tion (FDA) bietet ein gutes Beispiel. Sie stellt fest, welche Nahrungsmit­tel und Medika­mente schädlich sind, wobei sie sich auf Exper­tisen von Wis­senschaftlern ver­schieden­er Fachrich­tun­gen stützt, denen umfan­gre­iche Unter­suchun­gen voraus­ge­hen. In ähn­lich­er Weise kön­nte man den Wert ander­er Waren und Dien­stleis­tun­gen durch Gremien von Psy­cholo­gen, Anthro­polo­gen, Sozi­olo­gen, Philosophen, The­olo­gen und Vertretern gesellschaftlich rel­e­van­ter Grup­pen und Ver­braucheror­gan­i­sa­tio­nen unter­suchen lassen. Doch das Urteil darüber, was als lebens­fördernd und was als lebenss­chädi­gend zu gel­ten hat, erfordert einen unver­gle­ich­lich größeren Forschungsaufwand als die Prob­leme der FDA.

Hier scheint Erich Fromm dem birsfaelder.li-Schreiberling etwas blauäugig zu sein, denn, — auch wenn all die erwäh­n­ten Fach­ex­perten sich unwahrschein­licher­weise eini­gen wür­den, was lebens­fördernd oder lebenss­chädi­gend ist, — wür­den sich die Men­schen diese Erken­nt­nisse dankbar zu eigen machen? Gut — Fromm set­zt einen langsamen von der Regierung ini­ti­ierten Erziehung­sprozess voraus, damit dies möglich wird. Aber reicht das? Blendet er damit nicht die Selb­sterziehung und die Selb­stver­ant­wor­tung aus?
Er hält zwar fest, dass eine Änderung des Kon­sumver­hal­tens nur möglich wird, wenn die Men­schen das wollen, macht dann aber dieses “Wollen” gle­ich wieder abhängig von einem attrak­tiv­eren Kon­sumange­bot.
Was, wenn dieses Ange­bot aus­bleibt?

Fromm weit­er:
… die Unter­suchungsergeb­nisse der Expertenkom­mis­sion wür­den der Gesellschaft neue Ein­sicht­en ver­mit­teln, welche Bedürfnisse als gesund und welche als pathol­o­gisch anzuse­hen sind.
Die Öffentlichkeit würde erken­nen, dass die meis­ten For­men des Kon­sums die Pas­siv­ität fördern; dass das Bedürf­nis nach Geschwindigkeit und Neuheit, das nur durch Kon­sum befriedigt wer­den kann, ein Aus­druck der Ruh­elosigkeit und der inneren Flucht vor sich selb­st ist. Sie würde erken­nen, dass das ständi­ge Auss­chauhal­ten nach neuen Din­gen, die man tun und nach neuen tech­nis­chen Spiel­ereien, die man aus­pro­bieren kann, nur ein Mit­tel ist, um sich davor zu schützen, sich selb­st oder anderen nahe zu sein.

Das ist zweifel­los gut beobachtet. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob die neuen Ein­sicht­en der Expertenkom­mis­sion die erhoffte Wirkung hät­ten. Fromm set­zt deshalb auf auf eine grossan­gelegte Aufk­lärungskam­pagne …, in der für gesun­den Kon­sum gewor­ben wird. Es ist zu erwarten, dass es durch ein kon­se­quentes Ein­treten für vernün­ftige For­men des Kon­sums gelin­gen wird, das Kon­sumver­hal­ten zu ändern. Auch wenn die an Gehirn­wäsche gren­zen­den Werbe­meth­o­d­en ver­mieden wer­den, die in der Wirtschaft heute üblich sind – und das ist eine wesentliche Voraus­set­zung – scheint die Erwartung nicht unre­al­is­tisch zu sein, dass eine solche Kam­pagne in ihrer Wirkung nicht weit hin­ter der­jeni­gen kom­merzieller Pro­pa­gandafeldzüge zurück­bleiben würde.

Das riecht nach Skinner’schem Behav­ior­is­mus, oper­an­ter Kon­di­tion­ierung, Umpro­gram­mierung. Ob das für ein gen­uines neues Kon­sumver­hal­ten wirk­lich reicht?

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