Vor eini­gen Tagen ver­öf­fent­lich­te Donald Trump das neben­ste­hen­de Bild auf sei­nem Truth Social Kanal und dem öffent­li­chen X‑Konto des Weis­sen Hau­ses. Seit­her wird in den Medi­en dar­über dis­ku­tiert, was ver­flixt noch­mal dahin­ter steckt: ist es nur ein etwas däm­li­ches und ange­sichts des Todes von Papst Fran­zis­kus geschmack­lo­ses Witz­chen, — oder mehr?
Als Jour­na­lis­ten Trump am Mon­tag auf das kon­tro­ver­se Bild anspra­chen, sag­te er, er habe erst am Sonn­tag Abend davon erfah­ren. Es sei ein Spass, und sei­ne Frau Mela­nia fin­de es hübsch. …
Auf Truth Social erhielt es 36 000 Likes, auf X über 200 000. Der katho­li­sche Vize­prä­si­dent J. D. Van­ce, der Fran­zis­kus am 20. April noch besucht hat­te, bevor der Papst am Tag dar­auf starb, sag­te, er habe kein Pro­blem mit Leu­ten, die Wit­ze mach­ten. Der kon­ser­va­ti­ve Sena­tor Lind­sey Gra­ham schrieb auf X, er sei ganz auf­ge­regt zu hören, dass Trump offen sei für die Idee, der nächs­te Papst zu wer­den. Die Kom­bi­na­ti­on Prä­si­dent-Papst habe vie­le Vor­tei­le. (NZZ online, 6.5.25)

Dass vie­le Katho­li­ken sich auf­re­gen, sogar geschockt sind, ist ver­ständ­lich. Immer­hin geht es um die Papst­wür­de, aus ihrer Sicht das Amt als Stell­ver­tre­ter Chris­ti auf die­ser Erde. Aber wie sieht es bei Anders­gläu­bi­gen oder nicht­gläu­bi­gen Athe­is­ten aus?

Einer der Kri­ti­ker aus die­ser Kate­go­rie ist der ame­ri­ka­ni­sche Schrift­stel­ler und Kolum­nist Dani­el Pinch­beck. Hier ein Aus­zug aus sei­nem Blog-Kom­men­tar vom 4.5.25:
Ich habe das Gefühl, dass etwas drin­gend gesagt wer­den muss zu Trumps gest­ri­gem Post auf Truth Social, in dem er ein KI-gene­rier­tes Bild von sich selbst als neu­en Papst ver­öf­fent­lich­te. Aber was genau kön­nen wir an die­ser Stel­le sagen?

Indem er das Bild des Papst­tums kurz nach dem Tod des letz­ten Paps­tes ent­weiht, zeigt Trump uns, dass er nichts – kei­ne Tra­di­ti­on, kein Amt, kein mora­li­sches Prin­zip – als unan­tast­bar für sei­nen Wil­len oder sei­ne Lau­nen betrach­tet. Er ver­öf­fent­licht das Bild, kurz nach­dem er sich selbst lächer­lich gemacht hat – als ein­zi­ger Staats­chef der Welt, der in einem blau­en Anzug bei der Beer­di­gung des Paps­tes ein­ge­schla­fen ist. Trump tut dies, gera­de als er mit einem monu­men­ta­len Kryp­to-Betrug davon­kommt – ohne dass er sich einer Kon­trol­le oder Rüge durch den Kon­gress stel­len muss. (…)

Trumps Papst-Post ist eine dreis­te Form des Trol­lings, die unter­schwel­lig die auf Domi­nanz basie­ren­de Kult­dy­na­mik ver­stärkt, die er mit sei­nen Anhän­gern, dar­un­ter sei­ne poli­ti­schen und reli­giö­sen Unter­stüt­zer, auf­ge­baut hat. Die­se Kult­dy­na­mik hat in den letz­ten Wochen zuge­nom­men – eine Ent­wick­lung, die uns alle zutiefst beun­ru­hi­gen soll­te. Vor eini­gen Tagen haben die Repu­bli­ka­ner im Jus­tiz­aus­schuss des Senats auf die Fra­ge der Demo­kra­ten, ob sie zustim­men, dass die Bun­des­re­gie­rung US-Bür­ger nicht ohne ein ordent­li­ches Ver­fah­ren aus­wei­sen darf, nicht mehr geant­wor­tet. In vie­len Fäl­len beant­wor­ten die Repu­bli­ka­ner ein­fach kei­ne Fra­gen mehr von Demo­kra­ten im Kon­gress – obwohl das Land zehn Mil­lio­nen mehr regis­trier­te Demo­kra­ten als Repu­bli­ka­ner hat und Trump die Volks­ab­stim­mung ver­lo­ren hat.

Trump par­odiert nicht den Hei­li­gen Stuhl: Er absor­biert das Papst­tum in sei­ne Mar­ke, bringt Iro­nie und Selbst­ver­göt­te­rung zusam­men und for­dert Treue und Gehor­sam gegen­über sei­nen fort­wäh­ren­den Aus­schrei­tun­gen. Trumps Papst-Post – als Kunst­werk betrach­tet, könn­ten wir ihn „Trump Pope Troll“ nen­nen – ist eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung an sei­ne krie­che­ri­schen Anhän­ger: Wer­den sie aus der Rei­he tan­zen und ihn kri­ti­sie­ren, selbst wenn er alles ver­spot­tet oder läs­ter­lich behan­delt, was ihnen einst angeb­lich wich­tig war oder am Her­zen lag?

Die Ant­wort lau­tet ein­deu­tig nein. JD Van­ce „kon­ver­tier­te“ vor fünf Jah­ren auf Betrei­ben von Peter Thiel vom beken­nen­den Athe­is­mus zum Katho­li­zis­mus, höchst­wahr­schein­lich um sei­ne poli­ti­schen Ambi­tio­nen vor­an­zu­trei­ben. Seit­dem wird Van­ce mit der geheim­nis­vol­len katho­li­schen Orga­ni­sa­ti­on Opus Dei in Ver­bin­dung gebracht, die eng mit dem Fran­co-Regime in Spa­ni­en und Pino­chet in Argen­ti­ni­en zusam­men­ge­ar­bei­tet hat.

Trump bedient sich oft der Tak­tik der Ent­wei­hung, um gesell­schaft­li­che Nor­men und Wer­te zu zer­stö­ren. Als auf­merk­sam­keits­hei­schen­der Nar­zisst genießt er es sicht­lich, alles, was von irgend­je­man­dem als hei­lig, ehr­wür­dig oder zumin­dest bedeu­tungs­voll und wert­voll ange­se­hen wird, sym­bo­lisch zu ver­un­glimp­fen und zu ver­spot­ten, um mehr Medi­en­auf­merk­sam­keit zu erre­gen. Es ist all­ge­mein bekannt, dass Trump sich in sei­ner Jugend dar­auf spe­zia­li­siert hat­te, Sex mit den Frau­en sei­ner Freun­de zu haben. Er prahl­te damit bei Howard Stern und anders­wo. Er sag­te, dies sei „eines der Din­ge, die das Leben lebens­wert mach­ten“. Auf die­se Wei­se woll­te er sei­ne Macht demons­trie­ren und sei­ne Ver­ach­tung für die­se soge­nann­ten Freun­de zum Aus­druck brin­gen.

Mit sei­nem neu­es­ten Kunst­werk, „Trump Pope Troll“, behaup­tet Trump sei­ne Domi­nanz und bekräf­tigt gleich­zei­tig eine Welt­an­schau­ung, die auf Ver­ach­tung für ande­re und trans­ak­tio­na­lem Nihi­lis­mus basiert. Trump ver­dient es zwei­fel­los, Hohe­pries­ter einer voll­stän­dig trans­ak­tio­na­len Reli­gi­on zu sein, in der Macht, Geld und Kapi­tal die ein­zi­gen „Göt­ter“ sind, die einer ent­wür­dig­ten Mensch­heit auf einem zer­fal­len­den Pla­ne­ten noch geblie­ben sind.

Wir soll­ten uns zu Recht Sor­gen machen, dass Trumps Ver­spot­tung, Abwer­tung und Her­ab­wür­di­gung von allem, was hei­lig ist, ein Vor­bo­te für Mas­sen­ge­walt ist: Denn in einer Welt, in der nichts mehr eine Bedeu­tung hat, war­um soll­te man dann nicht sei­nen nied­rigs­ten und bru­tals­ten Instink­ten frei­en Lauf las­sen? Vor allem, wenn nie­mand einen dar­an hin­dert. (…)

Was Trump tut, ist eine bekann­te Tech­nik in Sek­ten: Die Anfüh­rer ver­lan­gen nicht nur Loya­li­tät, son­dern auch Kom­pli­zen­schaft beim Bre­chen von Tabus, und sie erhö­hen stän­dig den Ein­satz. Die­je­ni­gen, die sich wider­set­zen, ent­lar­ven sich als unloy­al. Die­je­ni­gen, die mit­ma­chen, fin­den es immer schwie­ri­ger, umzu­keh­ren und zuzu­ge­ben, dass sie sich geirrt haben.

Wäh­rend Punk-Iko­no­klas­mus und post­mo­der­ne Kunst mit Blas­phe­mie spiel­ten, um poli­ti­sche und reli­giö­se Macht zu dekon­stru­ie­ren, ist Trumps Ges­te etwas ande­res. Er ver­langt von den Men­schen, die Macht selbst zu ver­eh­ren, ohne Fra­gen zu stel­len. In die­sem Sin­ne rich­tet sich die Blas­phe­mie nicht gegen Gott oder die Reli­gi­on. Sie rich­tet sich gegen die Idee des kri­ti­schen Den­kens an sich. Der anhal­ten­de Ansturm des kul­tu­rel­len, poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und umwelt­feind­li­chen Trum­pis­mus soll uns unan­ge­nehm taub machen, zu pas­si­ven Zuschau­ern, die unfä­hig sind, auf jede neue Empö­rung zu reagie­ren. Ich habe gro­ße Angst, dass dies funk­tio­niert.

Der birsfaelder.li-Schreiberling ist geneigt, Pinch­beck in allen Punk­te recht zu geben …

Fort­set­zung am kom­men­den Don­ners­tag, den 15. Mai

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