Tim­o­thy Sny­der gehört zu den amerikanis­chen His­torik­ern, die sich inten­siv mit den Dra­men in Osteu­ropa in der Stal­in/Hitler-Ära auseinan­der­set­zten: Sein in 28 Sprachen über­set­ztes und mit mehreren Preisen bedachte Buch “Blood­lands” schildert die Massen­morde und Ver­nich­tungspoli­tik durch das nation­al­sozial­is­tis­che und das stal­in­is­tis­che Regime, “Black Earth” befasst sich mit Fra­gen um den Holo­caust.

2017, ein Jahr nach dem Mach­tantritt Don­ald Trumps veröf­fentlichte er  “Über Tyran­nei: 20 Lek­tio­nen für den Wider­stand”, eine direk­te War­nung vor ein­er möglichen Dik­tatur in den USA und was man dage­gen unternehmen kön­nte.

Im neuesten Artikel “Faschis­mus und Angst” auf seinem Blog “Think­ing about …”  set­zt er sich mit dem Ver­hal­ten der Medi­en im Nach­gang zur — für die Demokrat­en — miss­glück­ten Debat­te zwis­chen Biden und Trump auseinan­der, und kri­tisiert sie vehe­ment. Er wirft ihnen vor, sich auss­chliesslich auf die Fra­gen betr­e­f­fend die Fähigkeit Bidens für eine zweite Amt­szeit zu konzen­tri­eren und die von Trump aus­ge­hende Gefahr für eine objek­tive, sach­liche und unab­hängige medi­ale Berichter­stat­tung schlichtweg nicht gebührend zu beacht­en.

es sind die offizielle große Lüge (von Trump) und die Gewal­tan­dro­hung, die für diejeni­gen gefährlich sind, deren Auf­gabe es ist, die Wahrheit zu bericht­en. Trump hat zu Pro­tokoll gegeben, dass er Berichte als Feinde des Volkes betra­chtet. Was soll ich — so kön­nte ein Jour­nal­ist fra­gen — von Trumps Gerede über die Ver­haf­tung von Jour­nal­is­ten hal­ten? Wenn man sich mit solchen Fra­gen nicht auseinan­der­set­zt, wer­den sie zu selb­stver­wirk­lichen­den Äng­sten. (…)

Diejeni­gen, die in den (Medi­en-)Unternehmen das Sagen haben, mögen vielle­icht die Ein­schaltquoten, die Trump bringt, oder sie mögen Trump selb­st. Und so ist es am ein­fach­sten, die Dinge per­sön­lich zu hal­ten — Trump Zeit zu geben, in der selb­st­be­trügerischen Logik, dass er sich selb­st diskred­i­tieren wird, und sich eher auf Bidens Alter als auf seine Leis­tun­gen zu konzen­tri­eren. Für Reporter kann es sich so anfühlen, als sei die Arbeit getan, wenn nur Biden kri­tisiert wird — während in Wirk­lichkeit der Boden durch den Faschis­mus oder durch die Unfähigkeit, sich mit ihm auseinan­derzuset­zen, ver­schoben wor­den ist.

Und so bre­it­et sich der Faschis­mus aus und set­zt sich in unseren Köpfen fest, in dieser entschei­den­den Zeit zwis­chen Trumps erstem Putschver­such und seinem zweit­en. Die Biden-Admin­is­tra­tion wird an hohen Anforderun­gen gemessen, die vorherige Trump-Admin­is­tra­tion jedoch nicht; Biden per­sön­lich wird kri­tisch beäugt, Trump als Per­son jedoch nicht. Dies trägt dazu bei, eine faschis­tis­che Aura zu erzeu­gen. Es muss etwas Beson­deres an Trump sein, das ihn von anderen unter­schei­det: ein Führer, der über jede Kri­tik erhaben ist und nicht nur ein ver­schulde­ter Schreiber­ling oder ein Ver­brech­er aus Queens oder ein Klient eines rus­sis­chen Dik­ta­tors.

Es mutet selt­sam an, dass die Aufrufe der Medi­en zum Rück­tritt nicht zuerst an Trump gerichtet waren. Wenn wir Biden zum Rück­tritt auf­fordern, weil jemand Trump davon abhal­ten muss, die Repub­lik zu Fall zu brin­gen, dann wäre es doch sich­er sin­nvoller gewe­sen, zuerst Trump zum Rück­tritt aufzu­fordern?  …
Ich kenne die Gege­nar­gu­mente: Seine Leute hät­ten sich nicht dafür inter­essiert, und er habe nicht zuge­hört. Das erste Argu­ment geht an einem wichti­gen Punkt vor­bei. Es gibt eine ganze Rei­he von Amerikan­ern, die sich noch nicht entsch­ieden haben. Das zweite läuft auf einen vorau­seilen­den Gehor­sam hin­aus. Wenn Sie akzep­tieren, dass ein Faschist für Sie unerr­e­ich­bar ist, haben Sie Ihre Unter­w­er­fung nor­mal­isiert.

Wenn die Medi­en die Diskus­sio­nen unter den Demokrat­en als Chaos und Unord­nung beschreiben, sug­gerieren sie damit impliz­it, dass es für einen Parteiführer bess­er ist, nie in Frage gestellt zu wer­den. …
Ein offen­sichtlich­er Punkt wird überse­hen: Die Demokrat­en kön­nen sagen, was sie wollen, denn kein­er von ihnen hat Angst. Und das ist gut so! Gou­verneurin Mau­ra Healey kann ihren Dis­sens äußern und Joe Biden kann seine Frus­tra­tion über sie zum Aus­druck brin­gen — aber nie­mand macht sich Sor­gen um ihre kör­per­liche Sicher­heit.

Trump hinge­gen kon­trol­liert seine Partei durch erratis­chen Ter­ror, durch Dro­hun­gen, die er über die sozialen Medi­en ausspricht und von denen man erwarten kann, dass sie von seinen Anhängern umge­set­zt wer­den. Die Repub­likan­er ver­lassen die Poli­tik, weil sie um sich und ihre Fam­i­lien fürcht­en. Diejeni­gen, die bleiben, gehorchen alle im Voraus. Das ist neu, und es sollte nicht nor­mal sein, und es sollte sich nicht weit­er aus­bre­it­en. Aber es wird nor­mal, wenn wir Diskus­sio­nen, und nicht Zwang, als abnor­mal behan­deln.

Wenn ich Recht habe, dass ein großer Teil der Energie hin­ter der Biden-Het­ze die ver­drängte Angst vor einem Regimewech­sel ist, wird ein großer Teil der Medi­en weit­er­hin faschis­tis­chen Schaum für Trump erzeu­gen, ob Biden nun der Kan­di­dat der Demokrat­en ist oder nicht — es sei denn, die Jour­nal­is­ten stellen sich ihren Äng­sten und hal­ten das The­ma Regimewech­sel in der Geschichte fest und bieten neben per­sön­lich­er Kri­tik eine kon­struk­tive Alter­na­tive.

Eine andere inter­es­sante Analyse, wie Medi­en beige­tra­gen haben, Don­ald Trump 2016 an die Macht zu brin­gen, und wie und warum sie es wieder tun, stammt von Thom Hart­mann. Dazu mehr in der näch­sten Folge

am kom­menden Mittwoch, den 18. Juli

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