Nach einer letzten grösseren Reise zu einem Treffen der World Academy of Arts and Science im August in Stockholm, wo er seine Ideen zu den human potentialities — der Erforschung latenter Potentiale im Menschen — vorstellte, und während eines letzten Ausflugs nach England schwanden die Kräfte Aldous Huxleys rapide:
Familie, Freunde und Bekannte waren schockiert, wie fahl und wächsern er aussah. Seine Stimme war ganz brüchig …
Zurück nach Hollywood konnte Huxley seinen Reiseverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Aber noch immer sprach er lediglich von einer “Infektion” und hoffte auf Besserung. Am 21. November schloss Huxley seinen letzten grossen Essay “Shakespeare and Religion” ab.
Am selben Abend schlug er Laura vor, dass sie beide sich ein eigenes Appartement nehmen sollten, bis “die Situation” vorbei sein sollte (…). Mit der “Situation” meinte er seine Krankheit, die er immer noch als Infektion abtat. Wenige Stunden später ging es ihm allerdings immer schlechter. Sein Puls stieg auf 140, er war fiebrig und schlief nur mit Unterbrechungen. (…)
Am Vorabend hatte er noch Pläne und Notizen für zukünftige Projekte festgehalten, jetzt aber wurde auch ihm klar, dass er starb. Erst jetzt akzeptierte er die Tatsache, dass sein Körper den Kampf verloren hatte. Noch bis zum Morgen war er sich sicher gewesen, dass er in wenigen Wochen, wenn die “Infektion” bekämpft sei, wieder auf dem Damm sein würde und sich weiter mit seinem neuen Roman und weiteren Projekten im Rahmen der human potentialities beschäftigen könnte.
Wie die Wirkung von Medikamenten akzeptierte Huxley auch das Sterben erst, als er es deutlich spürte. Aber dann nahm er es, wie damals bei Maria, mit äusserster Klarheit und Ruhe an. Aldous hatte bis zur letzten Minute gearbeitet, und jetzt, im Sterben, würde er wieder einmal tun, was er gepredigt hatte: Er würde ein letztes Experiment unternehmen.
Mit schwacher Hand notierte er auf ein Blatt, was er von Laura wünschte: “Versuche LSD 100 mmg intramuskulär”. Laura hatte schon zuvor darüber nachgedacht, Aldous LSD zu geben, und es ihm in den letzten Wochen angeboten. Doch er hatte es erst wieder nehmen wollen, wenn es ihm besser ginge. Als sein Zustand rapide schlechter wurde, klärte Laura die Bedenklichkeit einer LSD-Gabe mit Dr. Cutler ab.Der hatte keine Einwände, und Laura verabreichte Aldous zunächst 100 Mikrogramm, also eine Minimaldosis. Als er nach einer halben Stunde zu verstehen gab, dass er keine Wirkung verspürte, injizierte Laura bei ihm weitere 100 Mikrogramm. Aldous wurde ruhiger und Laura begann ihm zuzureden. Sie tat genau das, was Aldous auch bei Maria getan hatte, und flüsterte ihm Sätze aus der Sterbebegleitung des Bardo Thodol zu. Mittlerweile war es zwei Uhr nachmittags geworden. Laura sprach ununterbrochen zu Aldous, und er wurde ruhiger und ruhiger. Um fünf Uhr zwanzig am 22. November 1963 hörte er auf zu atmen.
Während dieser Zeit hatten die Krankenschwestern und andere Begleitpersonen im Nebenzimmer gebannt vor dem Fernseher gesessen: Soeben war der amerikanische Präsident, John F. Kennedy, einem Attentat zum Opfer gefallen ..
Fortsetzung und Abschluss nach einer Weihnachtsferienpause am Samstag, den 11. Januar.
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