Hux­ley wählte den Titel für sein Buch “The Doors of Per­cep­tion” über sein erstes Exper­i­ment mit Meskalin im Mai 1953 auf­grund ein­er Aus­sage des englis­chen Dichters, Naturmys­tik­ers und Malers William Blake, mit dem sich Hux­ley immer wieder auseinan­derge­set­zt hat­te:
„If the doors of per­cep­tion were cleansed / every­thing would appear to man as it is, infi­nite.[4]
„Wenn die Pforten der Wahrnehmung gere­inigt wären, würde dem Men­schen alles so erscheinen, wie es ist – unendlich.“
Denn genau das erlebte Hux­ley bei diesem ersten Ver­such.

Seine Dro­gen­er­fahrung begann eher unspek­takulär und für ihn etwas ent­täuschend:
Nach allem, was ich über die Erfahrun­gen mit Meskalin gele­sen hat­te, war ich im voraus überzeugt, dass diese Droge zumin­d­est für ein paar Stun­den Zugang zu jen­er inneren Welt gewähren würde, die von William Blake … beschrieben wurde. Aber was ich erwartet hat­te, trat nicht ein. Ich hat­te erwartet, vor meinen geschlosse­nen Augen wür­den Visio­nen von viel­far­bigen geometrischen For­men auf­tauchen, von uner­hört schö­nen, ein eigenes Leben besitzen­den architek­tonis­chen Gebilden, von Land­schaften mit hero­is­chen Gestal­ten, von sym­bol­is­chen Dra­men, die ständig höch­ste Offen­barung ver­hießen. Wie sich jedoch erwies, hat­te ich nicht mit den Idiosynkrasien mein­er geisti­gen Kon­sti­tu­tion, mit den Gegeben­heit­en meines Tem­pera­ments, mein­er Erziehung und mein­er Gewohn­heit­en gerech­net.
Als Idiosynkrasie wird die „Gesamtheit per­sön­lich­er Eigen­heit­en, Vor­lieben und Abnei­gun­gen“ beze­ich­net. (Wikipedia)

Damit hat­te er schon eine erste wichtige Erken­ntis gewon­nen: Dro­gen­er­fahrun­gen unter­schei­den sich anscheinend auf­grund unseres “seelischen/psychischen Hin­ter­grunds”, den wir mit­brin­gen.

Die Verän­derung, die tat­säch­lich in dieser Welt vorg­ing, war in keinem Sinn rev­o­lu­tionär. Eine halbe Stunde nach­dem ich das Meskalin genom­men hat­te, wurde ich mir eines langsamen Reigens gold­en­er Lichter bewusst. Ein wenig später zeigten sich prächtige rote Flächen, und sie schwollen an und dehn­ten sich aus, wur­den von hellen Energieknoten gespeist, die sich ständig verän­derten und dabei stets neue, vib­ri­erende Muster bilde­ten. Als ich meine Augen erneut schloss, enthüllte sich mir ein Kom­plex grauer For­men, in dem ständig bläulich­blasse Kugeln auf­taucht­en, sich mit unge­heur­er Gewalt zusam­men­ball­ten, um dann geräusch­los nach oben zu gleit­en und zu ver­schwinden. Aber wed­er erschienen Gesichter noch men­schliche oder tierische Gestal­ten. Ich sah keine Land­schaften, keine riesi­gen Weit­en, kein zauber­haftes Wach­sen und Sichverän­dern von Gebäu­den, nichts, was im ent­fer­n­testen einem Dra­ma oder ein­er Para­bel glich. 

Trotz­dem machte er dann eine Erfahrung, die tiefer ging als irgendwelche “Visio­nen”. Während des Früh­stücks waren ihm in ein­er kleine Glas­vase drei sowohl in Farbe wie Form wenig har­monierende Blu­men aufge­fall­en: eine rosa Rose, eine magen­tarote und cre­meweisse Nelke und eine blassvi­o­lette Schwertlilie. Als er nun während es Exper­i­ments die Blu­men erneute betra­chtete, änderte sich etwas Fun­da­men­tales:
Beim Früh­stück an diesem Mor­gen war mir die leb­hafte Dishar­monie sein­er Far­ben aufge­fall­en. Aber auf sie kam es nicht länger an. Ich blick­te jet­zt nicht auf eine ungewöhn­liche Zusam­men­stel­lung von Blu­men. Ich sah, was Adam am Mor­gen sein­er Erschaf­fung gese­hen hat­te – das Wun­der, das sich von Augen­blick zu Augen­blick erneuernde Wun­der bloßen Daseins. (…)
Er erlebte dass das, was Rose und Schwertlilie und Nelke so ein­dringlich darstell­ten, nichts mehr und nichts weniger war, als was sie waren – eine Vergänglichkeit, die doch ewiges Leben war, ein unaufhör­lich­es Verge­hen, das gle­ichzeit­ig reines Sein war, ein Bün­del winziger, einzi­gar­tiger Beson­der­heit­en, worin durch ein unaussprech­lich­es und doch selb­stver­ständlich­es Para­dox­on der göt­tliche Ursprung allen Daseins sicht­bar wurde.

Ich blick­te weit­er auf die Blu­men, und in ihrem lebendi­gen Licht glaubte ich das qual­i­ta­tive Äquiv­a­lent des Atmens zu ent­deck­en – aber eines Atmens ohne das wieder­holte Zurück­kehren zu einem Aus­gangspunkt, ohne ein wiederkehren­des Verebben; nur ein Fluten von Schön­heit zu immer größer­er Schön­heit, von tiefer zu immer tief­er­er Bedeu­tung. Wörter wie »Gnade« und »Verk­lärung« kamen mir in den Sinn, und eben dafür standen diese Worte auch. Meine Augen wan­derten von der Rose zur Nelke und von diesem gefiederten Erglühen zu den glat­ten Schnörkeln des Gefühl ver­strö­menden Amethysts der Iris.

Die beseli­gende Schau, Sat Chit Anan­da, Seins-Gewahr­seins-Seligkeit – zum ersten­mal ver­stand ich, los­gelöst von der Bedeu­tung der Wörter und nicht durch unzusam­men­hän­gende Andeu­tun­gen oder nur ent­fer­nt, son­dern deut­lich und voll­ständig, worauf sich diese bedeu­tungsvollen Sil­ben beziehen.

Eine ein­drück­liche Def­i­n­i­tion des Begriffs Sat Chit Anan­da, der im Hin­duis­mus eine zen­trale Rolle spielt, hat der indis­che Philosoph und Mys­tik­er Sri Aurobindo gegeben:
Gott ist Sachchi­danan­da. Er man­i­festiert Sich als unendlich­es Sein, dessen Wesen Bewusst­sein ist, dessen Wesen wiederum Glück­seligkeit ist…“ Fern­er führt er in einem Brief aus: „Sachchi­danan­da ist der Eine [the One] mit einem dreifachen Aspekt. Im Höch­sten sind die drei nicht drei, son­dern eins – Sein ist Bewusst­sein, Bewusst­sein ist Glück­seligkeit, und so sind sie untrennbar, nicht nur untrennbar, son­dern so sehr einan­der, dass sie gar nicht voneinan­der ver­schieden sind.“ Und fern­er: „Es gibt keine Ebene jen­seits von Sachchi­danan­da.“ (Wikipedia)

Doch das war erst der Beginn von Huxley’s Erfahrun­gen unter dem Ein­fluss von Meskalin. Dazu mehr in der näch­sten Folge am Sam­stag, den 23. August.

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