Dem birsfaelder.li-Schreiberling ist heute die Zeit davongelaufen … Er erlaubt sich deshalb, neben einem Auszug aus dem Wikipedia-Artikel zu Alfred Adler einfach auf drei Links hinzuweisen, hier, hier und hier, die vertiefende Infos zur Individualpsychologie bieten.
Die individualpsychologische Lehre ist von demokratischen Idealen und einem humanistischen Sozialismus inspiriert und begreift den Menschen stets als soziales Lebewesen. Für Adler war der Mensch eingebettet in die Gemeinschaft der Mitmenschen, aus der sowohl die Fragen seines Lebens als auch die heilenden Antworten erwachsen. Die Höhe der Beitragsleistung eines Menschen zur allgemeinen Wohlfahrt, die Art wie er seine Lebensfragen löst, war für Adler der Gradmesser für seine psychische Gesundheit. Lebensangst und Minderwertigkeitsgefühl könnten nur durch eine tragfähige zwischenmenschliche Beziehung überwunden werden.
Adler sah die menschliche Persönlichkeit als unteilbares Ganzes, die als souveräne und selbstbestimmende Macht, mit einem relativen Maß an Freiheit die Lebensumstände stilvoll verwertet ohne dabei biologisch oder durch ihr Milieu determiniert zu sein. Alle Lebensäußerungen haben nicht kausalen, sondern finalen Charakter und sind auf die Zukunft gerichtet. Adler nannte diese unbewusste Ausrichtung (unbewusste Fiktion) auf ein Ziel auch Lebensstil, Lebensplan, Persönlichkeitsideal oder personale Finalität. Kultur, Kunst, Wissenschaft, Philosophie und Menschenwürde sah er als Produkt des evolutionären Vollkommenheitsstrebens des Menschen.
Das Gemeinschaftsgefühl bildet den Grundpfeiler der Individualpsychologie, alle übrigen individualpsychologischen Begriffe können nur im Zusammenhang mit ihm verstanden werden. Das Gemeinschaftsgefühl hat seinen Ursprung in der frühen Beziehung zwischen Mutter und Kind. Es wird in den ersten Lebensjahren geprägt und wird zum unbewussten, relativ konstanten Persönlichkeitsanteil. Das Gemeinschaftsgefühl ist zur Lösung der drei von Adler genannten Lebensaufgaben Arbeit – Liebe – Gemeinschaft von zentraler Bedeutung. Im wachsenden Gemeinschaftsgefühl und mitmenschlicher Verbundenheit sah Adler die Wurzel zur Förderung der Gesamtheit und zur Verhinderung von vom Menschen gemachten Katastrophen. (Wikipedia)
Der frühreife 16-jährige Manès Sperber besuchte bald die Sitzungen des engeren Kreises Adlers im Kellerlokal “Die Tabakspfeife” in der Nähe des Stephanplatzes, aber …
man dachte wohl, daß ich bald wieder verschwinden würde, aber ich kam sehr oft, wenn auch nicht regelmäßig wieder. Manche meinten, ich müßte wohl einer von Adlers Patienten sein, und sie mochten mir nicht zuhören, wenn ich in der Diskussion das Wort ergriff; andere zogen mich ins Gespräch, interessierten sich wirklich für den Jungen und halfen mir so, mich in dem Kreis heimischer zu fühlen. Dank ihnen erfuhr ich sehr schnell, was ich alles noch lesen, lernen mußte, um die zumindest formale Gleichberechtigung, die mir Adler von vornherein zuerkannt hatte, wirklich zu verdienen. Ich war nicht einmal dessen sicher, daß ich ein Adlerianer sein mußte oder werden wollte; es gab ja noch immer den Schomer, die Revolution, die Literatur. (…)
Gewiß, ich war sehr jung, in der Tat zu jung. Adler überschätzte den Sechzehnjährigen, den er in den Kreis seiner engsten Mitarbeiter einführte. Ich hatte damals kein einziges Buch von ihm gelesen. Und merkwürdigerweise — erst jetzt staune ich darüber — ließ ich, ein leidenschaftlicher Leser, fast ein Jahr verstreichen, ehe ich sein repräsentatives Werk “Über den nervösen Charakter” zur Hand nahm. Ich las es, die zahlreichen medizinischen Fachausdrücke waren mir zumeist unbekannt und oft auch nicht erratbar; das inhaltsreiche Werk beeindruckte mich aber sehr, es flößte mir tiefen Respekt für den Autor ein. (…)
Erst nachher, Monate später, »entdeckte« ich sein Genie. Das geschah, als er — in seiner Wohnung auf der Dominikanerbastei — seinen nächsten Gefährten einen Fall von manisch-depressivem Irresein darlegte und daran Erwägungen über das Wesen solcher Fälle und über die Möglichkeiten ihrer Heilung anknüpfte. An jenem Abend erfuhr ich über Seelenkranke weit mehr, als ich vorher oder je nachher aus Büchern oder von irgendwem hätte lernen können. (…)
An jenem Abend hatte Adler einige beschriebene Blätter vor sich, die Krankengeschichte, die er als Ausgangspunkt seiner Erwägungen gewählt hatte. Er sprach wie zu sich selbst, hörbar genug in einem lauten Denken, das beispielhaft war für seine angewandte Zusammenhangsbetrachtung, für jenen alternierenden Prozeß des Auseinandernehmens und Zusammenfügens, dank dem Teile zu einem Ganzen werden. Erst an jenem Abend wurde ich ein Adlerianer und machte mich daran, alles zu lesen, was er je veröffentlicht hatte.
Fortsetzung am kommenden Samstag, den 5. April
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Aenis Antoinette
Apr. 3, 2025
Danke für den Erinnerungstext an Alfred Adler
Antoinette Aenis