Da der birsfaelder.li-Schreiberling diese Woche ein paar Tage in der freien Natur ver­brin­gen wird — fernab von Zeitun­gen und Inter­net — pausiert er mit den Serien zur Reich­sidee, zur Hel­ve­tia und Hux­ley, ergreift aber vor der Abreise die Gele­gen­heit, sich ein paar Gedanken zur Diskus­sion um den Miss­brauchsskan­dal in der Katholis­chen Kirche zu machen. Etwas präzis­er: um die elo­quente Vertei­di­gung  dieser ehrwürdi­gen Insti­tu­tion durch die Welt­woche, — allen voran natür­lich Chefredak­tor Roger Köp­pel.

Gle­ich zweimal warf sich das inof­fizielle SVP-Sprachrohr in seinen Edi­to­ri­als „Vertei­di­gung der Katholis­chen Kirche“ und „Kreuz­zug gegen die Kirche“ wie wei­land Arnold Winkel­ried allein und todesmutig in die vergifteten Speere all der böswilli­gen Medi­en, die an der Kirche kein gutes Haar liessen:
Niemand stellt sich vor katholis­che Kirche. Nie­mand vertei­digt die älteste und erfol­gre­ich­ste Organ­i­sa­tion der Welt. Wehr­los taumelt sie in den Seilen. … Es ist höch­ste Zeit, dass ein­er die katholis­che Kirche vertei­digt. Roger Köp­pel.

Warum das so bit­ter nötig ist, liefert der Welt­woche-Chefredak­teur auch gle­ich nach:
Ziel der Angriffe ist die Schwächung der Kirche als Boll­w­erk gegen den Zeit­geist. Der kon­ser­v­a­tive Katholizis­mus ste­ht, unter anderem, für Fam­i­lie, für Tra­di­tion, für Frei­heit vom Staat, für die klare Unter­schei­dung zwis­chen Mann und Frau. Den ersatzre­ligiösen Kli­makult machen viele Katho­liken nicht mit. Sie sehen darin eine Selb­stver­got­tung des Men­schen zum Her­rn der Schöp­fung. Dage­gen set­zen sie den Brem­sklotz des Glaubens: Gott, nicht der Men­sch ist das Mass aller Dinge.
Das hören die „Woke“-Ideologen und ihre Medi­en gar nicht gern. Für sie ist der katholis­che Tra­di­tion­al­is­mus, das kon­ser­v­a­tive Denken über­haupt, moralisch min­der­w­er­tig, rück­ständig, „inhu­man“, eine lästige Fes­sel, vor allem auf den Fortschritt und die All­macht­sansprüche ihres neuen Säku­lar­is­mus. Sie wer­den nicht müde, alles Kon­ser­v­a­tive zu ver­leum­den, zu ver­dammen. Der Vor­wurf sex­uellen Miss­brauchs, schw­er zu kon­tern, ist eine ihrer tödlich­sten Waf­fen.
Das liegt natür­lich auch daran, dass die Kirchen selb­st „woke“, vom Gift des Moral­is­mus befall­en sind. Anstatt Wider­stand zu leis­ten, den Auf­trag zu erfüllen und den neuen Götzenan­betern die christliche Glaubenslehre ent­ge­gen­zuhal­ten, knick­en sie ein, biedern sie sich dem Zeit­geist an, dem sie wider­ste­hen soll­ten. (…)

Die Schauprozesse gegen die Katho­liken und ihre Kirche erin­nern an den Tugendter­ror der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion. Wie ihre Vor­fahren an der Guil­lo­tine ver­fol­gen die „Woke“-Jakobiner rabi­at das Ide­al ein­er absoluten Gle­ich­heit: gle­iche Mei­n­un­gen, gle­iche Gesin­nun­gen, gle­iche Lebensstile, gle­iche Ver­mö­gen, gle­iche Werte und Geset­ze auf der ganzen Welt. Wed­er kul­turelle noch biol­o­gis­che Unter­schiede sind erlaubt. Der weltweite Ein­heitsstaat ist ihre fürchter­liche Utopie.

Dem ste­hen, noch, die Kirchen im Weg. Das Chris­ten­tum, richtig ver­standen, ist eine Wider­stands­be­we­gung gegen die ent­fes­selte Herrschsucht des Men­schen. Frei­heit braucht Vielfalt. Die säku­laren „Woke“-Tyrannen aber fordern Ein­falt und eine Welt ohne Kirchen beziehungsweise mit Kirchen, die sich den Götzen unter­w­er­fen. Gegen die dro­hende Einöde soll­ten sich die Chris­ten stem­men, aber Erfolg und Pfründe machen träge. Wo bleibt der urchristliche Kampf- und Frei­heits­geist?
Es braucht den Wider­stand der Chris­ten und ihrer Kirchen gegen die neuen säku­laren Heil­slehren in der Nach­folge der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion. Anstatt sich zu verkriechen oder dem Zeit­geist zu huldigen, soll­ten die Katho­liken und die Reformierten Gegen­s­teuer geben, die Unab­hängigkeit ihrer Kirchen und ihrer Botschaft vertei­di­gen. Ein „wokes“ Chris­ten­tum ist keines, und ohne das Chris­ten­tum ver­liert der West­en seine Seele.
(Auszug aus dem Edi­to­r­i­al vom 21. Sep­tem­ber)

Der birsfaelder.li-Schreiberling ist immer wieder fasziniert davon, wie es dem SVP-Sprachrohr gelingt, so viele Ver­drehun­gen, Halb­wahrheit­en und blanke Unwahrheit­en elo­quent in die weni­gen Zeilen seines Edi­to­ri­als zu pressen. Cha­peau!

Eine Woche später griff Roger Köp­pel als Hob­by-His­torik­er dann tief in die Geschicht­skiste und stellt empört fest:
Es gibt wirk­lich nichts Neues unter der Sonne. Der aktuelle Feldzug gegen die kon­ser­v­a­tiv­en Katho­liken erin­nert stark an die bru­tale Zer­schmetterung des Tem­pleror­dens durch Frankre­ichs König Philipp IV. im 14. Jahrhun­dert. (…) Viel hat sich nicht geän­dert sei­ther. Men­schen sind herrschsüchtig und intol­er­ant. Man muss auf­passen, dass man nicht zer­malmt wird. (…)

Es ist also nichts Neues, wenn wir auch heute total­itäre Anwand­lun­gen beobacht­en. Sie gehören zum Men­schen. Wir soll­ten uns dessen aber bewusst und gegenüber allen Ide­alen, vor allem den eige­nen, skep­tisch bleiben. Wenn ich das Wort „Wert­ge­mein­schaft“ höre, zucke ich zusam­men. Dahin­ter steckt der falsche Hochmut ein­er sich für über­legen hal­tende Gruppe von Men­schen, die ihre Werte für höher­w­er­tig betra­cht­en als die anderen.
Gegen solche Selb­st­täuschun­gen trat­en übri­gens die frühen Chris­ten an. Gegen die Helden- und Über­men­schen­moral der klas­sis­chen Antike predigten sie die unausweis­liche Ver­loren­heit, die Ver­wor­fen­heit des Men­schen. Nie­mand soll sich einbilden,er sei in moralis­ch­er Hin­sicht etwas Besseres als der andere. Egal, wie wir uns mühen, anstren­gen und opti­mieren, wir bleiben geschnitzt aus krum­mem Holz. Nur Gott, nicht der Men­sch kann den Men­schen erlösen.

Und weil das gemäss Roger Köp­pel das unauswe­ich­liche Schick­sal von uns armen Erden­bürg­ern ist, zitiert er zus­tim­mend Ger­hard Blocher, seines Zeichens stre­it­bar­er Pfar­rer vor dem Her­rn und Brud­er der in sein­er Partei immer noch gewichti­gen SVP-Emi­nenz: Die Kirchen seien näm­lich „das stel­lvertre­tende Aufge­bot“, …, das die Men­schen daran erin­nert, dass sie nicht das Mass aller Dinge, dass ihrer Herrschsucht Gren­zen geset­zt sind.

Der birsfaelder.li-Schreiberling sah sich schon mehr als ein­mal dem Vor­wurf aus­ge­set­zt, er mache mit seinen diversen Beiträ­gen zur Welt­woche indi­rekt Pro­pa­gan­da für das Wochen­blatt und die SVP. Angesichts der Tat­sachen, dass die SVP in den kom­menden Wahlen erneut klar als die stärk­ste Partei in der Schweiz her­vorge­hen wird und die Tren­nwände zu Recht­sex­tremen immer mehr zu bröck­eln begin­nen, ist er aber nach wie vor der Auf­fas­sung, dass es notwendig ist, sich mit der Weltan­schau­ung ihrer Expo­nen­ten auseinan­derzuset­zen.

Bevor er sich daran macht, die Vertei­di­gung der Katholis­chen Kirche durch den muti­gen SVP-Winkel­ried zu sezieren, möchte er vor­ab seine eigene Hal­tung zu besagter Kirche vorstellen. Er ist vor vie­len Jahren nach ein­er Erziehung im protes­tantis­chen Geist schon als 21-Jähriger aus der Kirche aus­ge­treten, um for­t­an seine eige­nen Wege zu gehen. Das erlaubt ihm, heute von aussen einen mehr oder weniger neu­tralen Blick auf die aktuelle Kirchen­land­schaft zu wer­fen.

Dazu mehr mor­gen.

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Mattiello am Mittwoch 23/40
Die Weltwoche und die Katholische Kirche 2

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