Das von Sperber und Koestler redigierte Manifest fand offensichtlich grossen Widerhall:
… der Kongress entwickelte sich sehr schnell zu einer stehenden Organisation mit einem Millionenbudget und einem Stab bis zu 280 Mitarbeitern. Geleitet wurde er von einem Exekutivkomitee, dem unter anderem Arthur Koestler, Denis de Rougement, Raymond Aron, Carlo Schmid, Ignazio Silone und einige Amerikaner angehörten und in dem auch Manès Sperber ohne offizielle Funktion sporadisch mitarbeitete. Die Aktivitäten des Kongresses — in Entsprechung zum Manifest von 1950 immer gegen die Einschränkung der Freiheit durch totalitäre Staaten gerichtet — waren die Organisation weiterer Kongresse für Kulturschaffende und Wissenschaftler in verschiedenen Ländern, die Publikation von Büchern und die Herausgabe einer ganzen Reihe von Zeitschriften, deren bekannteste der “Encounter”, “Der Monat” und “Preuves” waren. Sperber veröffentlichte in allen drei Periodika verschiedene Artikel. (Isler, Manès Sperber p. 74/75)

Dass Sperber sich nicht in offizieller Funktion beteiligte, hat seinen Grund in Vorbehalten zur Arbeit des Kongresses:
● Er stand dem amerikanischen Einfluss kritisch gegenüber, weil er erkannte, dass deren Vertreter kein Interesse an einem starken Europa hatten. Dazu kam, dass die USA das sowjetische Regime anprangerte, nicht aber die totalitären Regimes von Franco und Salazar.
Sperber befürchtete, dass der Kongress daher zu wenig für ein unabhängiges Europa Stellung beziehen würde, welches sich nicht zwischen den Blöcken wie zwischen Mühlsteinen aufreiben lassen würde. (Isler, p. 75)
● Er bemängelte die ungenügende professionelle Organisation des Kongresses angesichts der zielstrebigen Propagandaarbeit der Sowjetunion und des Ostblocks.
Dass der Kongress von den USA durchaus als Instrument im Rahmen des “Kalten Krieges” betrachtet wurde, zeigte sich spätestens ab 1964, als bekannt wurde, dass die CIA den Kongress finanziell unterstützt und ideologisch beeinflusst hatte. Diese Tatsache führte zu einem raschen Mitgliederschwund und schliesslich zur Auflösung des Kongresses. Aber gerade jetzt zeigte sich die eigenständige Position Sperbers:
Sperber distanzierte sich … nicht; er engagierte sich in der noch drei Jahre bestehenden Nachfolgeorganisation und legte auf die Feststellung Wert, dass die Anliegen des Kongresses für ihn, ungeachtet der Finanzierung durch die CIA, richtig gewesen waren und blieben. 
Typisch für Sperbers Engagement im “Kongress für kulturelle Freiheit” ist nun, dass er — wie in all seinen Aktivitäten nach dem Krieg — von jedem Opportunismus Abstand nahm. Er entsagte zuerst der völligen Identifikation mit der Mehrheit des Kongresses, weil er nicht mit allen Aspekten einverstanden war; danach, in den Jahren von 1967 bis 1970, in denen es sicher angenehmer war, sich von einer Organisation zu lösen, die mit der CIA in Verbindung stand, war er nicht bereit, aus opportunistischen Überlegungen seine Überzeugung aufzugeben. (Isler, p. 75/76).
Nach dem Krieg begann sich Sperber auch wieder intensiver mit dem Judentum und dem “Jude-Sein” auseinanderzusetzen. Er reiste 1958, 1967, 1970 und 1978 nach Israel, wo ihn vor allem die Kibbuz-Bewegung beeindruckte. Die Früchte dieser Auseinandersetzung finden sich in seinem Buch “Churban oder die unfassbare Gewissheit”. Wir gehen in den nächsten Folgen darauf ein.
Fortsetzung am kommenden Samstag, den 27. September 2025
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