Als Aldous Hux­ley und Maria anfangs Mai 1926 in San Fran­cis­co amerikanis­chen Boden betrat­en und anschliessend mit dem Zug quer durch die Vere­inigten Staat­en nach Chica­go und New York reis­ten, wurde Hux­ley sich erneut sein­er inzwis­chen erlangten inter­na­tionalen Pop­u­lar­ität bewusst. Das Paar wurde, wo immer es auf­tauchte, von Jour­nal­is­ten belagert. Ein Radioauftritt Hux­leys fand 43 Mil­lio­nen Zuhörerin­nen und Zuhör­er!

Hux­ley war von der vital­en amerikanis­chen Gesellschaft beein­druckt und gle­ichzeit­ig abgestossen. Hol­ly­wood war für ihn “ziem­lich unglaublich … So viel brül­lende Komik, Selt­samkeit, Vital­ität, Vul­gar­ität”. In seinem Tage­buch hielt er fest: “. . Es ist alles Bewe­gung und Lärm, wie das Wass­er, das aus ein­er Bade­wanne gurgelt — den Abfluss hin­unter. Ja, den Abfluss hin­unter.” Auch Maria meinte, nichts würde sie dazu bewe­gen, in diesem Lande zu leben, nicht ein­mal Geld. Doch die Ironie des Schick­sals wollte es, dass sie den grössten Teil ihres Lebens schliesslich in Hol­ly­wood und Kali­fornien ver­brin­gen wür­den.

Hux­ley, welch­er der Fil­min­dus­trie höchst kri­tisch gegenüber­stand, lernte in Hol­ly­wood Char­lie Chap­lin ken­nen, — und war von ihm begeis­tert. Auch kam ihm dort die Idee, eines sein­er Werke auf Schallplat­te aufzunehmen:
Die Mehrheit der Men­schen in unser­er mod­er­nen Welt ist nicht so gebildet, dass sie ver­ste­ht, was sie in Büch­ern liest. Aber sie kön­nen eine Sache ver­ste­hen, wenn sie viva voce gesprochen wird! — Hux­ley sollte später vorher­sagen, dass Büch­er irgend­wann in aufgeze­ich­neter Form erscheinen wür­den, und damit das Phänomen des Hör­buchs vor­weg­nehmen, aber seine Begeis­terung für Auf­nah­men ist nicht schw­er zu ver­ste­hen. Einen Großteil sein­er eige­nen Lek­türe nahm er mündlich auf — durch Maria, die ihm vor­las — und war daher eher als die meis­ten anderen bere­it, sich für nichtge­druck­te Pub­lika­tion­s­meth­o­d­en einzuset­zen. (Bed­ford, Aldous Hux­ley)

Auf einem Abstech­er in den Grand Canyon und Umge­bung kon­nten die Hux­leys ein­er Zer­e­monie der Hopi-Indi­an­er bei­wohnen. Diese Erfahrung sollte später ihren Nieder­schlag in “Schöne Neue Welt” find­en, wo gelang­weilte und aus­gewählte Mit­glieder der ober­sten Kaste dem asep­tis­chen tech­nol­o­gis­chen Ein­heits­brei mit Spezialer­laub­nis für kurze Zeit ent­fliehen durften, um in den weni­gen verbliebe­nen Reser­vat­en eine zurück­ge­bliebene men­schliche Spezies zu begaffen, wo es noch “Väter” und “Müt­ter” gab.

Der radikale Gegen­satz zwis­chen den Kul­turen im Fer­nen Osten und dem nor­damerikanis­chen Kon­ti­nent brachte Hux­ley dazu, sich Gedanken zur Ein­heit und Ver­schieden­heit der men­schlichen Fam­i­lie zu machen. So notierte er ein­mal:
Je mehr ich von den Men­schen sehe, desto mehr bin ich von den spez­i­fis­chen, fast gener­ischen Unter­schieden zwis­chen ihnen überzeugt. Die eine Art kann sich kaum mit der anderen ver­ständi­gen. Es ist vielle­icht bedauer­lich, dass sie sich miteinan­der fortpflanzen kön­nen. Nein, wenn ich es mir recht über­lege, ist es wahrschein­lich eine gute Sache.
Auch in dieser Frage set­zte später ein gross­er Wan­del ein. Sein Buch “Die ewige Philoso­phie”, in dem er den gemein­samen spir­ituellen Urgrund der Men­schheit in ver­schieden­sten Kul­turen in Ost und West her­ausar­beit­ete, zeugt davon.

Doch seine Urteile über die amerikanis­che Gesellschaft blieben nicht nur neg­a­tiv:
Aldous inter­essierte sich für das Phänomen der amerikanis­chen Vital­ität, ein psy­chol­o­gis­ches Neben­pro­dukt des Wohl­stands, wie er fest­stellte. “In weniger glück­lichen Län­dern hält die Unsicher­heit der Exis­tenz große Teile der Bevölkerung in einem Zus­tand chro­nis­ch­er Angst. Die Arbeit­slosigkeit ist eine quälende Befürch­tung … in Europa braucht es so wenig, um einen Men­schen aus der Fas­sung zu brin­gen … Die Angst ist der Feind des Lebens.” Im Ameri­ka des Jahres 1926 gab es diese Angst nicht.
(Mur­ray, Aldous Hux­ley)

Auch führten die Begeg­nun­gen mit dem Schrift­steller H.L. Menck­en und der Schrift­stel­lerin Ani­ta Loos zu ein­er lebenslan­gen Fre­und­schaft.

In der näch­sten Folge kehren wir mit den Hux­leys nach Europa zurück, und zwar in zwei Wochen am kom­menden Sam­stag, den 04. Novem­ber.

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