Fortsetzung des Dokuments, das im Herbst 1977 der Menschenrechtskommission der UNO in Genf von einer irokesischen Delegation vorgelegt wurde. Ein Kommentar dazu erscheint im August.
Unsere autochthone Produktionsweise basiert auf einer Reihe von Definitionen, die kulturspe-zifisch sind. Die Ökonomie unseres Volkes erfordert eine Gemeinschaft und basiert nicht auf dem Konzept der autarken Kernfamilie. Einige Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass die isolierte Kernfamilie in den meisten Ländern der Welt selber nicht genug produzieren kann, um zu überleben. Jedenfalls ist diese besondere Form des Lebensunterhalts gemäss unserer kulturellen Definition überhaupt keine Wirtschaft (im westlichen Sinn)
Wir waren eine gesunde Gesellschaft. Keiner litt an Hunger. Alle hatten das Recht auf Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Alle hatten Anteil an der Vielfalt der spirituellen Zeremonien und der natürlichen Welt. Niemand stand in irgendeiner materiellen machtvollen Beziehung zu jemand anderem. Niemand konnte einem anderen den Zugang zu den Dingen verwehren, die er brauchte. Alles in allem besassen wir, bevor die Kolonisten kamen, eine schöne und bereichernde Lebensweise.
Die Kolonisten kamen mit einer Vielzahl von Maßnahmen und Strategien, um diese Lebensweise der Langhausbewohner zu zerstören. Im Jahr 1609 führte Samuel de Champlain eine französische Militärexpedition an, die eine Gruppe von Mohawks an einem See angriff, der heute “Lake Champlain” heißt. Champlain kam auf der Suche nach Reichtum und war vor allem daran interessiert, mit den Algonquin in jenem Gebiet eine Art Handel mit Biberpelzen zu betreiben. Er zeigte ihnen seine Feuerwaffen und ließ sie zum ersten Mal die Wirkung von Gewehren erleben.
In Begleitung seiner neu gewonnenen Geschäftspartner machte sich Champlain auf den Weg in das Zentrum des Mohawk-Gebietes. Dieser Armee stellte sich eine Gruppe von etwa 200 Mohawks entgegen. Die erste Schusssalve tötete drei Männer, die zweite sorgte für so viel Verwirrung, dass die Mohawks sich zurückzogen und fünf Männer gefangennahmen.
Die Zeit der Kämpfe, die auf diesen Vorfall folgte, ist als “Biberkrieg” bekannt geworden. Die Aufnahme des Handels mit Biberpelzen löste unweigerlich eine lange Reihe von Kolonialkriegen aus. Er bedeutete die Eskalation von Streitigkeiten zwischen Nachbarn bis zu einem regelrechten Überlebenskampf in den Wäldern der indigenen Völker Nordamerikas.
Das Eindringen der Europäer wirkte sich von Anfang an auf jede Facette der nativen Lebensweise aus. Die indigene Ökonomie, die Kulturen, die Politik und die kriegerischen Auseinandersetzungen wurden grundlegend verändert. Die Nationen lernten, dass es die physische Vernichtung bedeutete, ohne Feuerwaffen zu sein. Wer keinen Zugang zu Biberpelzen hatte, hatte keine Möglichkeit, Feuerwaffen zu kaufen.
Der Handel mit Biberpelzen und die nun notwendige Bewaffnung führten zu Entwicklungen, denen die Indigenen nie zuvor ausgesetzt waren. Der Handel bedeutete, dass lange Wege für den Transport der Waren gesichert werden mussten. Das war nur möglich, wenn das gesamte Gebiet in freundschaft- licher Hand war. Jede mögliche Störung der Handelswege muss entweder auf friedliche oder gewaltsame Weise beseitigt werden.
Mit der Einführung von Schusswaffen wurde der Krieg zu einem tödlichen Geschäft. Er wurde noch tödlicher, weil die europäische Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung darauf abzielte, den Krieg zwischen den Nationen, die über die Handelsgüter verfügten, weiter anzufachen. Aus der Not heraus, um sich vor der Vernichtung zu schützen, betrieben die Bewohner des Langhauses den Biberhandel. Mit den Fellen wurden mehr Schusswaffen und Waren gekauft, die es mehr Menschen ermöglichten, mehr Biber effizienter zu fangen. Die Märkte Frankreichs, Hollands und Englands waren begierig auf die Waren aus der “Neuen Welt”.
Kurz nach der Auseinandersetzung am Champlain See begannen die Hau de no sau nee den Handel mit Holland, das entlang des Hudson River Posten errichtet hatte. Die französischen Historiker berichten, dass das Volk des Langhauses sehr geschickt in der Strategie des Kampfes war und die Algonquin innerhalb kurzer Zeit besiegte. Deren Niederlage wurde dadurch begünstigt, dass die Franzosen ihre Hilfsversprechen gegenüber den Algonquin nicht erfüllt hatten.
Der Bedarf an europäischen Waren, vor allem an Feuerwaffen, war so groß, dass 1640 der Biber in den Hoheitsgebieten der Hau de no sau nee zur Mangelware wurde. Der Druck an den neu entstandenen Grenzen der Siedler nahm stetig zu. Auch zwischen den verschiedenen Kolonisatoren kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Hau de no sau nee waren sich sehr wohl bewusst, was im Osten geschah. Die Holländer begannen kurz nach ihrer Ankunft eine Reihe völkermörderischer Kriege, die mit der endgültigen Vernichtung der nativen Völker des Lower Hudson River-Tals endeten. In Neuengland wurde die Pequot Nation von den dortigen puritanischen und englischen Kolonisten nahezu ausgelöscht.
Das Wissen um diese Massaker beeinflusste die Verteidigungspolitik der Hau de no sau nee stark. Im Osten befanden sich die Holländer und Engländer, deren Anwesenheit als Quelle für Waffen notwendig war, die aber durch die potentielle Grenzverschiebung nach Westen auf das Langhaus-Territorium eine ständige Gefahr darstellten. Im Norden befand sich die französische Kolonie, die Waffen an die westlichen indigenen Nationen lieferte. Frankreich versuchte auch, ein Monopol auf den Handel mit Bibern zu erlangen, der sich zunehmend auf den Norden und den Westen des Erie- und des Ontariosees konzentrierte.
Frankreich versuchte wiederholt, Missionare, vor allem Jesuiten, in die Gebiete der Hau de no sau nee zu schicken. Diese Missionen waren das wichtigste Propagandamittel für die europäischen Nationen. Damals wie heute wird von den Missionaren erwartet, dass sie mehr als nur die Botschaft des Christentums überbringen. Sie dienen als Laien-Botschafter ihrer Kultur, indem sie Einzelpersonen von Familien, Familien von Dörfern, Dörfer von Nationen abspalten, eines nach dem anderen. Einige Priester dienten sogar als Anführer von Truppenteilen, die in die Schlacht zogen.
Die Missionare attackierten ohne Unterlass die wirtschaftlichen Strukturen des Langhaus-Volkes. Sie griffen insbesondere die spirituellen Zeremonien als “heidnisch” an und versuchten so, die Praxis der Schenkungen und öffentlichen Feste zu beenden. Außerdem versuchten sie, die Macht der Sippen zu brechen, indem sie eine Spaltung herbeiführten, die das Volk in Kernhaushalte zersplittern sollte.
Fortsetzung Samstag, den 23. Juli
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