Güter wer­den pro­du­ziert, damit sie ver­kauft und gebraucht wer­den kön­nen. Und die­ser Gebrauch ist ein indi­vi­du­el­ler Vor­gang, — auch wenn Woh­nung, Auto, Fern­se­her oder das Tram kol­lek­ti­ve Güter sind.
Die Aneig­nung der Güter im leib­li­chen, see­li­schen oder geis­ti­gen Genuss des Woh­nens, Fah­rens, Hörens oder Lesens voll­zieht der ein­zel­ne selbst. (…) Auch die­ser Gebrauch der nütz­li­chen Güter in der indi­vi­du­el­len Kon­sum­ti­on ver­braucht unter den heu­ti­gen Bedin­gun­gen ein hohes und wach­sen­des Mass an Ener­gie. Die Erwär­mung bzw. Küh­lung der Woh­nun­gen, der Urlaub mit dem Auto, Zug oder Flug­zeug, die Gar­ten­pfle­ge zur Erho­lung, also der Kon­sum der Mas­se der her­ge­stell­ten Güter, beträgt in den “ent­wi­ckel­ten Län­dern” mehr als ein Vier­tel des gesam­ten End­ener­gie­ver­brauchs, von dem mehr als zwei Drit­tel in die Behei­zung oder Küh­lung der Räu­me gehen.

Bleibt nach Pro­duk­ti­on und Kon­sum­ti­on noch die drit­te Stu­fe: Häu­ser wer­den abge­ris­sen, Autos und Fern­se­her lan­den auf der Schrott­hal­de,  Che­mie­ab­fäl­le wer­den ver­gra­ben, Trams aus­ran­giert. Kurz:
Die­se Kon­sum­ti­on der Güter in ihrem Genuss (oder ihrer Ver­schwen­dung) endet dar­in, dass sie sich schliess­lich aus nütz­li­chen Gütern in nutz­lo­se Din­ge ver­wan­deln. Sie wer­den am Ende zu Exkre­men­ten des Sys­tems der Pro­duk­ti­on und Kon­sum­ti­on. Mit ihrer Ver­wand­lung in nutz­lo­se Din­ge endet auch der Wil­le, sie zu besit­zen; sie wer­den zu besitz­lo­sen Din­gen, zu Müll, der besei­tigt wird. Nach Schät­zun­gen der Welt­bank wer­den jähr­lich ca. 2’000’000’000 Ton­nen Müll pro­du­ziert, der für das Jahr 2050 auf 3’400’000’000 Ton­nen pro­gnos­ti­ziert wird. 

Wich­tig ist nun, dass von Pech­mann die­se drei Stu­fen nicht als “Kreis­lauf” benennt, son­dern als “linea­re Stre­cke”:
Ihren Anfang mar­kiert die Inbe­sitz­nah­me der natür­li­chen Din­ge und ihre Ver­wand­lung in nütz­li­che Güter nach Natur­ge­set­zen und tech­ni­schen Regeln; ihre Mit­te bil­det die Ver­tei­lung der Güter auf die Indi­vi­du­en nach Geset­zen des gel­ten­den Rechts; ihr Ende fin­de sie in ihrem Gebrauch und Ver­brauch durch die Indi­vi­du­en nach Regeln der Ethik und Lebens­füh­rung. Dem­entspre­chend lässt sich das Gesamt­sys­tems von Pro­duk­ti­on, Dis­tri­bu­ti­on und Kon­sum­ti­on aus drei Per­spek­ti­ven betrach­ten: als Indus­trie­ge­sell­schaft hin­sicht­lich der mas­sen­haf­ten Erzeu­gung nütz­li­cher Güter, als Kon­sum­ge­sell­schaft hin­sicht­lich des mas­sen­haf­ten Gebrauchs die­ser Güter, sowie als Weg­werf­ge­sell­schaft hin­sicht­lich der mas­sen­haf­ten “Ent­sor­gung” der nutz­los gewor­de­nen Dinge. 

Weil wir es hier also nicht mit einem Kreis­lauf zu tun haben, wie sie in der Natur in ver­schie­dens­ter Form vor­han­den sind, son­dern mit “linea­ren Stre­cken”, die je län­ger, je mehr mas­siv in die Natur ein­grei­fen und deren ursprüng­li­chen Zustand und Kreis­läu­fe mas­siv beein­träch­ti­gen oder gar zer­stö­ren, wen­det sich von Pech­mann der dar­aus resul­tie­ren­den öko­lo­gi­schen Kri­se zu.

Zuvor aller­dings wirft er einen Blick zurück auf die Fra­ge, wie vor noch nicht all­zu lan­ger Zeit denn “Natur” defi­niert wur­de. Er wählt als Bei­spiel dafür Imma­nu­el Kant, den gros­sen Königs­ber­ger Phi­lo­so­phen, aus:
Schon zu Beginn der indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on am Ende des 18. Jahr­hun­derts hat­te Imma­nu­el Kant drei unter­schied­li­che Begrif­fe for­mu­liert, die die Natur nicht mehr, wie vor­mals, als vor­ge­ge­be­ne Norm oder von Gott gege­be­ne Schöp­fung, son­dern als Gegen­stand des mensch­li­chen Den­kens und Han­delns ver­stan­den haben. Die­se drei Begrif­fe sind für unser Ver­ständ­nis der Natur bis heu­te wirk­sam geblieben:

die Natur als ein mecha­ni­scher Apparat.
Die­ser Mecha­nis­mus wird von den ein­zel­nen Wis­sen­schaf­ten auf ihrem jewei­li­gen Gebiet erforscht, um die Gesetz­mäs­sig­kei­ten in den Din­gen und Pro­zes­sen zu ent­de­cken. Die Metho­den, die sie dazu ver­wen­den, sind zum einen die Beob­ach­tung, die Ana­ly­se und das Expe­ri­ment sowie zum ande­ren die Quan­ti­fi­zie­rung bzw. Metri­sie­rung der phy­si­ka­li­schen oder che­mi­schen Grös­sen .… Nach die­sem Ver­ständ­nis der Natur sind die Phä­no­me­ne kau­sal deter­mi­niert und die Auf­ga­be der Natur­wis­sen­schaf­ten besteht dar­in, die­se Abhän­gig­kei­ten zu ent­de­cken und mathe­ma­tisch zu beschreiben.

● die Natur als nütz­li­ches Reser­voir für unse­re Bedürfnisse
In die­sem Fal­le geht es dar­um, die Natur­phä­no­me­ne und ‑pro­zes­se … danach zu beur­tei­len und zu bewer­ten, ob, inwie­fern und in wel­cher Wei­se sie für uns, für unse­re Bedürf­nis­se, Inter­es­sen, Wün­sche etc. zuträg­lich bzw. schäd­lich sind. … Die Natur hat hier den mora­lisch-prak­ti­schen Sta­tus einer Sache, deren Wert in ihrer Nütz­lich­keit für die Men­schen besteht. (…)
Durch tech­ni­sche Erfin­dun­gen haben wir gelernt, die natür­li­chen Kau­sal­pro­zes­se so wir­ken zu las­sen, dass durch sie für uns nütz­li­che Güter ent­ste­hen. … Die Natur gilt so als das uner­schöpf­li­che Reser­voir von an sich wert­lo­sen Din­gen und Kräf­ten, die wir, qua Tech­nik, für unse­re Zwe­cke wir­ken las­sen. Die­ses Natur­ver­ständ­nis ist unter dem Begriff der “Natur­be­herr­schung” zusam­men­ge­fasst worden.

Mit dem drit­ten Begriff, mit dem wir uns end­lich der Wis­sen­schaft der Öko­lo­gie nähern, set­zen wir uns in der nächs­ten Fol­ge am kom­men­den Frei­tag, den 23. Dezem­ber auseinander.

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