Mit dem harten, aber berechti­gen Urteil von Pech­manns “Das Kap­i­tal hat den Staat in Geisel­haft genom­men” endete die let­zte Folge. Was wäre also zu tun?

Der Ver­such, die Macht des Kap­i­tals durch eine radikale, vom Staat durchge­set­zte soziale Neuord­nung zu brechen, wie es der Kom­mu­nis­mus ver­suchte, hat sich im wahrsten Sinne als geschichtlich­er Rohrkrepier­er erwiesen. Auch die anar­chis­tis­che Idee, sowohl Kap­i­tal als auch Staat schlichtweg abzuschaf­fen und durch dem Gemein­wohl verpflichtete region­al organ­isierte wirtschaftliche Struk­turen zu erset­zen, erweist sich heute angesichts der hochkom­plex­en weltweit­en wirtschaftlichen Ver­net­zung als zwar schön­er, aber unre­al­is­tis­ch­er Traum.

Von Pech­mann holt nun ein­fach den Zauber­stab her­vor, wan­delt ein Wörtchen in ein anderes um, und — Ei des Kolum­bus! — öffnet sich die Sack­gasse und gibt den Blick auf völ­lig neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Per­spek­tiv­en frei. Doch zuerst noch ein­mal seine Diag­nose der aktuellen Prob­lematik:
Diese oft beklagte Entwick­lung des ökonomis­chen Sys­tems … zum glob­alen “finanzgetriebe­nen Kap­i­tal­is­mus” ist wed­er eine zufäl­lige Abfolge von his­torischen Ereignis­sen oder ökonomis­chen The­o­rien noch das Resul­tat psy­chis­ch­er Dis­po­si­tio­nen wie der zunehmenden Gier, son­dern erscheint als logis­che Kon­se­quenz ein­er nor­ma­tiv-rechtlichen Ord­nung, die das pri­vate Eigen­tum priv­i­legiert und ihm das All­ge­mein­wohl unter- oder nachord­net. (…)
Daher ist die Folge der Dom­i­nanz des Kap­i­tals, dass die Staat­en dem Wohl ihrer Nation nach den all­ge­meinen Grund­sätzen der sozialen Verträglichkeit der Güter­verteilung und der ökol­o­gis­chen Nach­haltigkeit der Güter­verteilung und ‑kon­sum­tion nur insoweit dienen kön­nen, als es im pri­vat­en Inter­esse der Kap­i­taleigen­tümer liegt und deren Ver­w­er­tungsin­ter­esse nicht ver­hin­dert. 

Wie kann nun die Pri­or­ität der Inter­essen umgekehrt wer­den, sodass der dem All­ge­mein­wohl dienende Gebrauch des Kap­i­tals an erste Stelle geset­zt wird? Von Pech­mann hat die Lösung:
Im Artikel 14 des deutschen Grundge­set­zes ste­ht im Absatz 2: Eigen­tum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugle­ich dem All­ge­mein­wohl dienen. Neu muss es heis­sen: Eigen­tum verpflichtet. Sein Gebrauch muss zugle­ich dem All­ge­mein­wohl dienen. 

Kleine Wort­spiel­erei? Ganz und gar nicht, denn
durch diese Änderung wird der dem All­ge­mein­wohl dienende Gebrauch des Eigen­tums aus einem rechtlich nicht binden­den Pos­tu­lat zu ein­er rechtlich binden­den Norm. Zwar wird in diesem Fall das pri­vate Eigen­tum gle­ich­falls gewährleis­tet; aber die Gewährleis­tung geschieht nicht schlechthin, sondern unter der Bedin­gung, dass sein Gebrauch dem All­ge­mein­wohl dient. Durch die Änderung wird der dem All­ge­mein­wohl dienende Gebrauch des Eigen­tums der primäre, der freie Gebrauch hinge­gen der sekundäre. Was durch diese Bedin­gung rechtlich aus­geschlossen ist, ist daher wed­er das pri­vate Eigen­tum noch das Erbrecht.
Es ist vielmehr der kap­i­tal­is­tis­che Charak­ter des Eigen­tums, insofern es die Funk­tion hat, seinen Wert exk­lu­siv für den pri­vat­en Eigen­tümer zu ver­mehren. Denn in dieser Funk­tion bewirkt es, wie gese­hen, zum einen die soziale Spal­tung der Nation in Klassen, in Kap­i­taleigen­tümer und in Nicht-Eigen­tümer, in Reiche und Arme und block­iert zum anderen durch Exk­lu­sion den Dienst am All­ge­mein­wohl.

Wenn es daher zur Auf­gabe des Nation­al­staates gewor­den ist, auf seinem Ter­ri­to­ri­um dem All­ge­mein­wohl nicht nur der gegen­wär­ti­gen, son­dern auch der kom­menden Gen­er­a­tio­nen zu dienen, dann find­et das staatliche Han­deln unter dieser ver­fas­sungsrechtlichen Bedin­gung nicht mehr seine Gren­ze am gewährleis­teten Recht des pri­vat­en Eigen­tümers, über seine Sache nach freiem Ermessen zu ver­fü­gen und andere vom Gebrauch auszuschliessen.  Vielmehr wird es zur Auf­gabe des Staates, sowohl den Inhalt dessen zu bes­tim­men, worüber als Eigen­tum pri­vat ver­fügt wird, als auch die Gren­zen, in denen sein Gebrauch frei ist. 

Tönt gut, nur: Wie gross ist die Chance, dass es zu einem solch grundle­gen­den Wech­sel kommt? Ver­fechter eines unge­hin­derten Neolib­er­al­is­mus, für die der Staat ein lästiges Hin­der­nis für eine wirk­lich glob­ale Mark­twirtschaft ist, wer­den Zeter und Mor­dio schreien, dass ihre viel­geliebte Frei­heit — oder was sie darunter ver­ste­hen — zu drastisch eingeschränkt werde. Jene weni­gen, die real­isiert haben, dass das Über­leben der Men­schheit ganz entschei­dend davon abhängt, dass der Schritt vom “Ich” zum “Wir” gelingt, sind zurzeit noch ziem­lich ein­same Rufer.

Aber das kön­nte sich angesichts der Häu­fung all der Krisen, denen wir heute gegenüber­ste­hen, auch bald ein­mal ändern.

Fort­set­zung am kom­menden Fre­itag, den 30. Juni.

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