Alexan­der von Pech­mann fordert also eine neue Eigen­tum­sor­d­nung, um zu ermöglichen, die grossen Her­aus­forderun­gen anzuge­hen und zu lösen, denen sich die Men­schheit aktuell gegenüber­sieht. Um zu zeigen, wo ange­set­zt wer­den müsste, unter­sucht er deshalb das Rechtsver­hält­nis zwis­chen Pri­vateigen­tum und Nation­al­staat ein­er­seits, zwis­chen Nation­al­staat und den Vere­in­ten Natio­nen ander­er­seits.

Welchen Stel­len­wert nimmt das Recht auf Eigen­tum in den Ver­fas­sun­gen der Schweiz und Deutsch­lands ein?
Im Artikel 26 der jet­zt gülti­gen Schweiz­erischen Bun­desver­fas­sung ste­ht klipp und klar: Das Eigen­tum ist gewährleis­tet
Im Artikel 14 des Grundge­set­zes der BRD heisst es ganz ähn­lich: 1. Das Eigen­tum und das Erbrecht wer­den gewährleis­tet. Doch dann fol­gt eine wichtige Ergänzung: 2. Eigen­tum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugle­ich dem All­ge­mein­wohl dienen. 

Hier set­zt von Pech­mann ein, indem er darauf hin­weist, dass sich die bei­den Sätze auf den ersten Blick wider­sprechen:
… wenn unter dem Wort “Eigen­tum” in Satz 1 das pri­vate Eigen­tum und damit … das Recht ver­standen wird, von der Sache einen freien und andere auss­chliessenden Gebrauch zu machen, dann ist es nicht möglich, einen solch freien und zugle­ich, wie es in Satz 2 heisst, einen dem All­ge­mein­wohl dienen­den Gebrauch zu machen. Denn ein freier und andere auss­chliessender Gebrauch und ein zugle­ich das All­ge­mein­wohl ein­schliessender und ihm dienen­der Gebrauch wider­sprechen einan­der. Den­noch wird in den zwei Sätzen bei­des, der freie und der dem All­ge­mein­wohl dienende Gebrauch, als zu Eigen­tum gehörig zusam­menge­fasst. 

Auf den zweit­en Blick lässt sich der Wider­spruch allerd­ings auflösen, wenn man sich die Ver­ben in den bei­den Sätzen genauer anschaut. “wer­den gewährleis­tet” in Satz 1 ste­ht “soll dienen” in Satz 2 gegenüber. Und hier liegt der Has’ im Pfef­fer, denn
Durch die Gewährleis­tung wird das Eigen­tum in der einen Form zum ver­fas­sungsmäs­sig anerkan­nten und verbindlichen Recht; durch die Forderung hinge­gen wird das Eigen­tum in der anderen Form zu einem nicht- verbindlichen Pos­tu­lat, zu ein­er ethisch-moralis­chen Norm. Das Grundge­setz unter­schei­det mithin klar das durch den Staat gewährleis­tete Recht des Indi­vidu­ums auf pri­vates Eigen­tum von einem vom Ver­fas­sungs­ge­ber an den Eigen­tümer gerichteten Appell. Damit ist der Wider­spruch gelöst; denn der Ver­fas­sungs­ge­ber kann wider­spruchs­frei sagen, dass das eine, das pri­vate Eigen­tum, gewährleis­tet ist und zugle­ich das andere, der dem All­ge­mein­wohl dienende Gebrauch als verpflich­t­ende Norm gefordert wird. Es ist Ver­schiedenes, das wider­spruchs­frei zugle­ich sein kann. 

Für den Staat als Rechtsper­son ist nun allerd­ings der Dienst am All­ge­mein­wohl nicht ein mehr oder weniger unverbindlich­es moralis­ches Pos­tu­lat, son­dern ein rechtlich binden­der Auf­trag. So wer­den in der Schweiz­erischen Bun­desver­fas­sung im Artikel 41 die Sozialziele detail­liert aufgezählt und es wird fest­ge­hal­ten, dass Bund und Kan­tone die Sozialziele im Rah­men ihrer ver­fas­sungsmäs­si­gen Zuständigkeit­en und ihrer ver­füg­baren Mit­tel anstreben.
Das Grundge­setz sein­er­seits hält in Artikel 20 fest: Die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land ist ein demokratis­ch­er und sozialer Bun­desstaat. Bay­ern hält  in Artikel 3 sog­ar fest: Er (der Staat) dient dem Gemein­wohl.

Daraus leit­et sich ab, dass der Staat das Recht hat, den pri­vat­en Eigen­tümer durch Geset­ze zu zwin­gen, zum Zwecke des All­ge­mein­wohls einen Teil seines Eigen­tums abzugeben oder dessen freien Gebrauch einzuschränken. Stich­wort: Steuern … Diese hoheitlich erzwun­genen Abgaben oder Ein­schränkun­gen dür­fen freilich nicht in den soge­nan­nten “Kernbe­stand” des Eigen­tums und des freien Ver­fü­gungsrechts des Eigen­tümers ein­greifen, denn ein solch­er Ein­griff wider­spräche der Gewährleis­tung des pri­vat­en Eigen­tums.

Soweit alles in Ord­nung? — Lei­der nicht ganz.

Dazu mehr in der näch­sten Folge am Fre­itag, den 16. Juni.

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