Am 20. Dezem­ber 1813 standen 80’000 Mann der alli­ierten Trup­pen vor den Klein­basler Stadt­toren. Noch in der Nacht beschloss die Basler Regierung die Kapit­u­la­tion, und die eid­genös­sis­chen Zuzügertrup­pen zogen sich aus der Stadt zurück. Die 16’000 Ein­wohn­er mussten daraufhin 18’000 Sol­dat­en ein­quartieren! Kranke und Ver­let­zte bracht­en den Fleck­ty­phus mit, der auch unter der Stadt­bevölkerung seine Opfer forderte.

Auch Peter Ochs als Präsi­dent des San­tität­skol­legiums steck­te sich bei ein­er Inspek­tion der Feld­lazarette an und blieb fast drei Monate lang tod­krank und auss­er Gefecht. So kon­nte er nur ohn­mächtig zuschauen, wie in der Eidgenossen­schaft das Rad der Geschichte in Winde­seile zurückge­dreht wurde, — hin zu den alten reak­tionären Zuständen:
Sobald die alli­ierten Trup­pen ein­marschiert waren, dank­te die Bern­er Medi­a­tion­sregierung ab und die vor­rev­o­lu­tionäre Ord­nung wurde wieder einge­führt. Die neuen Bern­er Behör­den forderten umge­hend die Kan­tone Aar­gau und Waadt zur Unter­w­er­fung auf. … Im Jan­u­ar und Feb­ru­ar 1814 kam es auch in Fri­bourg, Solothurn und Luzern zu Putschen nach dem Vor­bild Berns. Unter dessen Führung schlossen sich diese patrizis­chen Stadtkan­tone sowie Zug und die Wald­stätte in Luzern zur “Alten Schweiz” zusam­men mit dem Ziel, die 13-örtige Eidgenossen­schaft und die alten Unter­ta­nen­ver­hält­nisse wieder­herzustellen. (sämtliche Auszüge aus “Men­schen­rechte und Revolution”)

Er kon­nte auch nicht ein­greifen, als am 4. März in der neuen Ver­fas­sung Basels die Land­bevölkerung nur noch Anspruch auf 2/5 der Gross­ratssitze hat­te, obwohl sie 2/3 der Gesamt­bevölkerung ausmachte.
Um keinen Wider­stand auf der der Land­schaft zu provozieren, wur­den sämtliche Behör­den­mit­glieder in ihren Ämtern bestätigt und lediglich der Grosse Rat um fün­fzehn Stadt­bürg­er ergänzt. Die Über­ma­cht der Stadt wurde für die Land­bevölkerung nur nach und nach spür­bar, da bei Nach­wahlen so lange nur Städter gewählt wer­den kon­nten, bis das von der Ver­fas­sung vorgeschriebene Sitzver­hält­nis erre­icht sein würde. Damit war die wichtig­ste Errun­gen­schaft der Rev­o­lu­tion, die rechtliche Gle­ich­stel­lung der Land­bevölkerung mit den Stadt­bürg­ern, de fac­to aufgehoben. 

Auch Ochs verblieb in seinen Ämtern und nahm nach sein­er Gesun­dung gle­ich wieder den Kampf auf. Als der Kleine Rat eine Kriegss­teuer beschloss, der die Land­bevölkerung über­pro­por­tion­al belastete, empörte er sich:
Bürg­er von hier, die im Reich­tum leben, in der Kutsche fahren, Lust­fahrten machen, etc., zahlen nichts, während eine arme Witwe auf der Land­schaft die Steuer auf einen Ack­er zahlen muss, der bere­its mit Schulden und Zehn­ten belastet ist.

Als die reak­tionären Kan­tone eine Kriegs­beteili­gung auf Seit­en der Alli­ierten forderten und zum Tagsatzungs­beschluss erhoben, kämpfte Ochs für eine Hal­tung der Neu­tral­ität und set­zte sich im Basler Grossen Rat nach einem lei­den­schaftlichen Votum durch. Ein Geg­n­er hängte daraufhin eine Karikatur von Ochs mit ein­er roten Jakobin­ermütze an eine Lat­er­ne vor dem Rat­shaus und verdächtigte ihn, im Sol­de Napoleons zu ste­hen. Das liess Ochs nicht auf sich sitzen und kon­terte, er habe wed­er geheime Briefwech­sel mit Napoleon geführt noch für seine Söhne Offiziersstellen ergat­tert wie gewisse Landammänner.
Ich habe keine gold­ene, mit Deman­ten beset­zte Dose, wie Rein­hard, Rüt­ti­mann, Wieland emp­fan­gen. Ich bin also frey von allen Ver­hält­nis­sen der Dankbarkeit und stimme, wie meine Überzeu­gung es mit sich bringt. Die Ehre der roten Mütze ver­di­ene ich umso viel weniger, da diejeni­gen die den Krieg vorziehen, Blut wollen, und diejeni­gen die hinge­gen für die Neu­tral­ität stimmten, alle bluti­gen Auftritte von uns ent­fer­nen möchten.

Am 7. August 1815 beschwor die sog. Lange Tagsatzung in Zürich den neuen Bun­desver­trag, der eine kon­ser­v­a­tive Hand­schrift trug und sämtliche erkämpfte poli­tis­chen Fortschritte rück­gängig machte:
Der Bun­desver­trag garantierte keine per­sön­lichen Frei­heit­srechte, es gab kein Schweiz­er Bürg­er­recht mehr und das Prinzip der Rechts­gle­ich­heit wurde stark abgeschwächt. (…) Nur die Anerken­nung der neuen Kan­tone als sou­veräne und gle­ich­berechtigte Mit­glieder des Staaten­bun­des erin­nerte noch an die Hel­vetis­che Rev­o­lu­tion von 1798. Die gesamtschweiz­erische Per­spek­tive, die die Poli­tik der Rev­o­lu­tion­szeit geprägt und auch noch die Medi­a­tion­szeit getra­gen hat­te, ging verloren. 

So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass Ochs einem Fre­und ent­täuscht und desil­lu­sion­iert schrieb:
Ich fürchte, dass die Krise, in der sich Europa  befind­et, sich gegen die frei­heitlichen Prinzip­i­en wen­det. Wenn ich daran denke, dass diese Prinzip­i­en seit meinem 18. Leben­s­jahr (…) bis heute die Nahrung mein­er wichtig­sten Gedanken waren; ich werde ganz melan­cholisch, dass ich sie als nichts mehr als Träume anse­hen soll, die im Begriff sind, sich aufzulösen.

Und wieder trafen ihn herbe famil­iäre Schick­salss­chläge: Im März 1816 nahm sich auch sein Sohn Albert das Leben und seine Tochter Emma musste nach einem Selb­st­mord­ver­such im Dezem­ber in eine Anstalt eingewiesen wer­den. Seine bei­den Söhne Eduard und Fritz legten den stig­ma­tisierten Fam­i­li­en­na­men “Ochs” ab und führten neu den Namen “His”. Ochs zeigte Ver­ständ­nis: Zum oben erwäh­n­ten Vorhaben meines Sohnes ertheile ich, als Vater, um so lieber meine Ein­willi­gung, als mein Gross­vater, Peter His von Ham­burg, ein all­ge­mein geschätzter Mann war …
Immer­hin brachte die Geburt von zwei Enkeln etwas Freude in sein Leben.

Doch Ochs wäre nicht Ochs gewe­sen, wenn er in seinen let­zten Leben­s­jahren resig­niert die Hände in den Schoss gelegt hätte. Dazu mehr in der näch­sten Folge

am kom­menden Don­ner­stag, den 19. Mai.

An anderen Serien interessiert?
Wil­helm Tell / Ignaz Trox­ler / Hein­er Koech­lin / Simone Weil / Gus­tav Meyrink / Nar­rengeschicht­en / Bede Grif­fiths / Graf Cagliostro /Sali­na Rau­ri­ca / Die Welt­woche und Don­ald Trump / Die Welt­woche und der Kli­mawan­del / Die Welt­woche und der liebe Gott /Lebendi­ge Birs / Aus mein­er Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reich­sidee /Voge­sen Aus mein­er Bücherk­iste / Ralph Wal­do Emer­son / Fritz Brup­bach­er

Mattiello am Mittwoch 22/19
Literatur in Birsfelden

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.