Damit aber meng­lich der Eid­gnos­sen unbil­li­che hand­lung und uss was unred­li­chem grund ir eide kom­men und ent­sprun­gen sie, mer­ken und klar­lich vers­ton möge, […] so ist dem also: Anfäng­lich haben sich etli­che Örter in der Eid­gno­schaft, näm­lich die von Ure, Swytz und Under­wal­den, wider ir erst eid und alt har­kom­men, wider ir recht natür­lich her­ren und Lant­fürs­ten, die her­zo­gen zue Öster­rich, wider Got, êr und recht und alle bil­lik­eit, uss eig­nem bösen, muot­wil­li­gen für­ne­men, in ver­gessung Gots, ires glimpfs, êr und eids­pflicht, sich ufge­wor­fen zuo­sa­men­ge­ton und mit gschwor­nen, unred­li­chen, unkrist­li­chen eiden sich mit­en­an­der ver­bun­den, ouch nach­mals […] ein merk­li­che anzal von stä­ten, gra­fen, frien, ritern, edlen und knech­ten […] zu inen […] gwal­te­klich genö­ti­get, […], dar­un­ter der mer­teil um des hei­li­gen richs und Tüt­scher nati­on, und um ir selbs êr, eid, adel und from­keit zuo ver­wa­ren, ir bluot ver­gos­sen und mit dem schwert erschla­gen uf dem iren und von den iren und uss dem iren ver­tri­ben und gänz­lich ussgetilget.

Die­se mar­ki­gen Wor­te gegen die “unchrist­li­chen und gewalt­tä­ti­gen Eid­ge­nos­sen” fan­den sich auf einem in Mainz gedruck­ten Flug­blatt, das im Reich zir­ku­lier­te. Der Autor die­ses Mani­fests: kein ande­rer als König Maxi­mi­li­an I.!

Doch damit nicht genug: Die bösen, gro­ben und schnö­den gepurs­lü­ten, in denen doch kein tugend, ade­lich geblüet noch mäs­si­gung, sun­der allein uppik­eit, unt­rüw, ver­has­sung der Tüt­schen nati­on, irer rech­ten natür­li­chen her­schaft soll­ten gebühr­lich bestraft wer­den, denn sie haben die kris­ten­heit also spot­lich und jämer­lich ver­las­sen, ouch dass unser hei­li­ger krist­li­cher gloub, des hei­li­gen Röm­schen richs und Tüt­scher nati­on êr der­maus­sen dadurch zer­stört söl­te werden.

Die Eid­ge­nos­sen gott­lo­se Reichs­fein­de, schlim­mer als die Tür­ken! Was war da in den spä­te­ren Kai­ser gefah­ren, dass er die Eid­ge­nos­sen­schaft mit so bit­te­ren Wor­ten kri­ti­sier­te, sie in die Reichs­acht tat und den Reichs­krieg gegen sie aus­rief? Die Eid­ge­nos­sen ihrer­seits waren über die­sen Ent­scheid ver­blüfft und erbittert.
Wer­ner Mey­er: Die Eid­ge­nos­sen, die sich stets bewusst waren, dass ihre Sou­ve­rä­ni­tät durch die kai­ser­li­chen Frei­heits­brie­fe legi­ti­miert wur­de, hat­ten nie die Absicht, gegen das Hei­li­ge Römi­sche Reich Krieg zu füh­ren und beton­ten stets, auch in den spä­te­ren Frie­dens­ver­hand­lun­gen, dass sie nur mit der Herr­schaft Öster­reich ver­fein­det sei­en, und zwar nicht ein­mal als Haupt­sä­cher, son­dern nur als Hel­fer, und zwar der Bünd­ner, von denen sie um Unter­stüt­zung ersucht wor­den seien.

Was hat­te denn das Ober­haupt des Hei­li­gen Römi­schen Reich dazu gebracht, die besag­tem Reich ver­pflich­te­ten Eid­ge­nos­sen so mit mas­si­ven Vor­wür­fen zu überziehen?

Nun, eine mög­li­che Erklä­rung liegt auf der Hand: Maxi­mi­li­an war nicht nur König des Reichs, son­dern als Habs­bur­ger auch Ter­ri­to­ri­al­fürst. Schon sein Vater Fried­rich III. hat­te sei­ne Zustim­mung zur “Ewi­gen Rich­tung” mit den Eid­ge­nos­sen ver­wei­gert, aller­dings ohne Erfolg. Offen­sicht­lich hat­te Maxi­mi­li­an die Schmach, den die Eid­ge­nos­sen sei­ner Fami­lie mehr als ein­mal zuge­fügt hat­ten, nie ganz ver­ges­sen können.

Aber war­um gera­de jetzt, wo er doch vor kur­zem noch gros­ses Inter­es­se an der Anwer­bung eid­ge­nös­si­scher Söld­ner gezeigt hatte?

Hier dürf­te ein Blick auf die euro­päi­sche Poli­tik eine Erklä­rung lie­fern. Auf der Lis­te sei­ner Fein­de kam nach dem tür­ki­schen Sul­tan gleich der fran­zö­si­sche König Lud­wig XII. Mit ihm lag Maxi­mi­li­an in einem erbit­ter­ten Streit. Es ging um die Fra­ge der Vor­herr­schaft in Nord­ita­li­en (Her­zog­tum Mai­land) und um das Her­zog­tum Bur­gund. Lud­wig stell­te deren Zuge­hö­rig­keit zum Reich offen in Fra­ge, — und nicht nur das: Er griff auch zu mili­tä­ri­schen Mit­teln, um dem Reich die­se Gebie­te  zu ent­reis­sen. Und nicht nur das: Er kauf­te sich zur Durch­set­zung sei­ner Plä­ne bei den eid­ge­nös­si­schen Obrig­kei­ten mit klin­gen­der Mün­ze einen Bünd­nis­ver­trag und eid­ge­nös­si­sche Reis­läu­fer zuhauf!

Wer­ner Mey­er: Maxi­mi­li­ans Erbit­te­rung wird von die­sem fran­zö­sisch-eid­ge­nös­si­schen Zusam­men­ge­hen gegen Mai­land her durch­aus ver­ständ­lich. Mit dem Abschluss des Bünd­nis­ses zwi­schen den Eid­ge­nos­sen und dem König von Frank­reich waren alle Hoff­nun­gen geschwun­den, den Krieg der Schwei­zer gegen die Herr­schaft Öster­reich vor­zei­tig zu schlichten.

Die Rech­nung Lud­wigs XII. soll­te voll auf­ge­hen: Wie aus einem Schrei­ben des mai­län­di­schen Rats Stan­ga von Mit­te Mai ersicht­lich ist, war Maxi­mi­li­an nicht in der Lage, dem bedroh­ten Ludo­vico Sfor­za mili­tä­ri­sche Hil­fe zu leis­ten. Wer von den eid­ge­nös­si­schen Kriegs­knech­ten, die im Schwa­ben­krieg ihre Haut zu Mark­te tru­gen, moch­te wohl geahnt haben, dass ihre kor­rup­te Obrig­keit mit ihrer Mili­tär- und Bünd­nis­po­li­tik das Spiel des Königs von Frank­reich gespielt hat?

Nun, der Reichs­krieg ende­te für Maxi­mi­li­an in einem Deba­kel, und im Sep­tem­ber sass man not­ge­drun­gen wie­der zusammen.

Die Eid­ge­nos­sen ver­mie­den es im Nach­hin­ein, Maxi­mi­li­an als römi­schen König zu atta­ckie­ren und das Sym­bol des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches, den dop­pel­köp­fi­gen Adler, zu ver­un­glimp­fen. Aber den Vor­wurf, böse, gro­be und schnö­de gepurs­lü­te zu sein, lies­sen sie nicht auf sich sitzen.

Dazu mehr am kom­men­den Don­ners­tag, den 2. Sep­tem­ber!

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