Am 28. August 1795 ver­kün­de­te der Vati­kan den Tod ihres berühm­tes­ten und berüch­tigs­ten Gefan­ge­nen im Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis der Inqui­si­ti­on San Leo an der Gren­ze zwi­schen Roma­gna und Mar­ken. Des­sen Schlag­an­fall sei eine Stra­fe für ein har­tes und unbuss­fer­ti­ges Herz”. Das kirch­li­che Begräb­nis wur­de ihm ver­wehrt, und man ver­scharr­te ihn “auf der Spit­ze eines Ber­ges … der nach Wes­ten geneigt ist, etwa in glei­cher Ent­fer­nung zwi­schen zwei Gebäu­den, die für die Wäch­ter bestimmt waren, Il Pala­zet­to und Il Casi­no, auf dem Boden der römi­schen Apos­to­li­schen Kurie”.

Damit nahm eine vier­jäh­ri­ge Ago­nie, wäh­rend der der Gefan­ge­ne unter per­ma­nen­ter Bewa­chung  in einem Rat­ten­loch ohne jeg­li­chen Kon­takt zur Aus­sen­welt dahin­ve­ge­tier­te, ihr trau­ri­ges Ende. Sein Name: Ales­san­dro Graf von Cagli­os­tro, hin­ter des­sen Titel sich gemäss der Inqui­si­ti­on aller­dings ein klei­ner Betrü­ger namens Giu­sep­pe Bal­sa­mo verbarg.

Auf per­sön­li­chen Befehl von Papst Pius VI. soll ein win­di­ger klei­ner Schar­la­tan mehr als vier Jah­re lang in einer düs­te­ren Fes­tung leben­dig begra­ben wor­den sein: Macht das Sinn?

Natür­lich nicht. Der Name “Cagli­os­tro” hat­te in ganz Euro­pa schon seit vie­len Jah­ren Schlag­zei­len gemacht, zuletzt mit der Hals­band­af­fä­re in Frank­reich, die den Sturz der fran­zö­si­schen Mon­ar­chie beschleu­nig­te. Geheim­nis­se umga­ben ihn: Er war Frei­mau­rer — und der Vati­kan betrach­te­te damals die Frei­mau­re­rei als ihren gefähr­lichs­ten Feind. Er war berühmt als Hei­ler — aller­dings ohne Ärz­te­pa­tent. Und er war berühmt-berüch­tigt für sei­ne über­na­tür­li­chen, okkul­ten Fähig­kei­ten — ein Magi­er! Sei­ne Schrif­ten und Hab­se­lig­kei­ten wur­den nach sei­ner Ver­ur­tei­lung von der Inqui­si­ti­on öffent­lich verbrannt.

Schon zu sei­nen Leb­zei­ten spal­te­te sei­ne Exis­tenz Euro­pa in zwei Lager: das eine bewun­der­te ihn, das ande­re hass­te ihn. Berühm­te Zeit­ge­nos­sen wie Goe­the (“Der Gross-Coph­ta”) und Schil­ler (“Der Geis­ter­se­her”) setz­ten sich mit ihm aus­ein­an­der, Alex­and­re Dumas schrieb einen Best­sel­ler-Roman über ihn, und die Kon­tro­ver­se, wer die­ser Graf Cagli­os­tro nun tat­säch­lich gewe­sen sei, setz­te sich auch nach sei­nem Tod unver­min­dert weiter.

Heu­te scheint das Urteil gemacht, wenn man den Ein­trag zum Stich­wort “Cagli­os­tro” auf Wiki­pe­dia konsultiert:
Ales­san­dro Graf von Cagli­os­tro (Pseud­onym für Giu­sep­pe Bal­sa­mo [dʒuˈ­zɛp­pe ˈbal­sa­mo]; * 8. Juni 1743 in Paler­mo; † 26. August 1795 in San Leo bei Urbi­no) war ein ita­lie­ni­scher Okkul­tist, Alche­mist und Aben­teu­rer. Als begab­tem Hoch­stap­ler, Quack­sal­ber und Schar­la­tan gelang es ihm immer wie­der, das Ver­trau­en ein­fluss­rei­cher Zeit­ge­nos­sen zu erlan­gen und aus­zu­nut­zen. Cagli­os­tro gab sich als geschäfts­tüch­ti­ger Begrün­der einer ägyp­ti­schen Frei­mau­re­rei aus …

Die­se Beur­tei­lung lässt sich belie­big fort­set­zen. Eine klei­ne Aus­wahl: “Schar­la­tan der Auf­klä­rung”, “Der Hoch­stap­ler, der ganz Euro­pa fas­zi­nier­te” (Spek­trum der Wis­sen­schaft), “Cagli­os­tro — A Stu­dy in Char­la­ta­nisme”,  “Graf Cagli­os­tro: Der berühmt-berüch­tig­te Okkul­tist und sei­ne Bas­ler Ver­bin­dun­gen” (Chris­ti­an Platz auf www.barfi.ch).

Jetzt stellt sich natür­lich die Fra­ge, was den birsfälder.li-Schreiberling bewo­gen hat, die­sem “Betrü­ger, Hoch­stap­ler und Schar­la­tan” eine län­ge­re Serie zu wid­men. Die Ant­wort fin­det sich im Hin­weis des barfi.ch-Journalisten: Cagli­os­tro hat­te in Basel ein paar gute Freun­de, allen vor­an Jakob Sara­sin. Eine Erin­ne­rung dar­an kann man heu­te noch an der Äus­se­ren Bas­ler­stras­se 13 in Rie­hen in Form des Cagli­os­tro-Pavil­lons bewundern.

Und es fin­den sich wei­te­re Erin­ne­rungs­spu­ren in der Ere­mi­ta­ge, dem eng­li­schen Gar­ten, in Arle­sheim. Wir wer­den im Lau­fe der Spu­ren­su­che zu sei­nem Leben dar­auf noch detail­lier­ter eingehen.

Wer sich ein eigen­stän­di­ges Bild zu die­ser enig­ma­ti­schen Per­sön­lich­keit machen will, kommt nicht dar­um her­um, sich in der Lite­ra­tur zu Cagli­os­tro umzu­schau­en und sich in diver­ses Quel­len­ma­te­ri­al zu ver­tie­fen. Die kom­men­den Fol­gen bau­en unter ande­rem auf fol­gen­den Unter­su­chun­gen auf:
Klaus H. Kie­fer, Cagli­os­tro. Doku­men­te zur Auf­klä­rung und Okkul­tis­mus”. W.R.H. Trow­bridge, “Cagli­os­tro”. Marc Haven, “Le Maît­re Incon­nu. Cagli­os­tro. Etu­de his­to­ri­que et cri­tique sur la Hau­te Magie”. Pierre Mari­el, “Cagli­os­tro. Impo­s­t­eur ou Mar­tyr”, Deny­se Dal­bi­an, Le Comte de Cagli­os­tro, Iain McCal­man, “The Last Alche­mist. Count Cagli­os­tro, Mas­ter of Magic in the Age of Rea­son”. Phil­ip­pa Faulks and Robert L.D. Coo­per, “The Maso­nic Magi­ci­an”, Dani­el Kriem­ler, “Cagli­ostros Geheim­re­zep­te” (2018 in Basel in Zusam­men­ar­beit mit dem Phar­ma­zie­mu­se­um und dem Staats­ar­chiv erschienen).

Die nächs­te Fol­ge erscheint am kom­men­den Sams­tag, den 26. Juni

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