Am 11. Okto­ber 1800 reis­te Trox­ler mit einem Freund über Strass­burg und Frank­furt nach Jena, um dort Phi­lo­so­phie und Medi­zin zu stu­die­ren. Die­se Stu­di­en­aus­wahl erscheint uns heu­te eher son­der­bar: Was, bit­te, hat Phi­lo­so­phie mit Medi­zin zu tun?

Um das zu ver­ste­hen, müs­sen wir kurz einen Blick in die euro­päi­sche Geis­tes­ge­schich­te wer­fen: Die gros­se Her­aus­for­de­rung, der sich Fich­te, Hegel und Schel­ling in Jena stell­ten, war, ein „phi­lo­so­phi­sches Gebäu­de“ zu errich­ten, in dem sämt­li­che Wis­sen­schaf­ten ihren Platz fin­den wür­den. Zen­tra­les Axi­om war die Über­zeu­gung, dass jen­seits aller Pola­ri­tä­ten und Gegen­sät­ze die geis­ti­gen Wel­ten und die Natur im Inners­ten zusam­men­hän­gen. Sie ent­sprin­gen der glei­chen unfass­ba­ren und ver­bor­ge­nen Lebens­quel­le, der wir in der Regel hier im Wes­ten das Eti­kett „Gott“ gege­ben haben.

Trox­ler stürz­te sich mit Feu­er­ei­fer in sein Stu­di­um. Vom frü­hen Mor­gen bis am Abend beleg­te er Vor­le­sun­gen und Kol­lo­qui­en, nur von einer klei­nen Mit­tags­pau­se unter­bro­chen. Dass er finan­zi­ell nicht auf Rosen gebet­tet war, zeigt fol­gen­der Briefauszug:
Ich habe Euch schon mit Dank den Emp­fang der 25 Caro­lins ange­zeigt, .… Seid mei­ner Oeco­no­mie ver­si­chert. Ich schwö­re Euch außer dem Auf­wan­de zu dem ich durch mei­nen Stand­punkt gezwun­gen bin, und not­wen­dig für die Auf­recht­erhal­tung eines von Tag zu Tag stark ange­streng­ten Kör­pers machen muß, lege ich kei­nen Pfen­nig unnütz aus.“

Mit wel­cher Begeis­te­rung er die krea­ti­ve geis­ti­ge Atmo­sphä­re Jenas in sich auf­nahm, mögen zwei Zita­te verdeutlichen:
Mit hei­li­ger Ehr­furcht nah­te ich mich die­ser Geis­ter­welt und hal­te es für mein höchs­tes Lebens­glück die meis­ten ihrer Göt­ter und Hel­den gese­hen und gehört zu haben.
oder
Als eine für mich beson­ders glück­li­che Fügung der Vor­se­hung betrach­te ich es aber, dass mei­ne aka­de­mi­sche Bil­dungs­zeit zum Arzte in den Zeit­punkt der eigent­li­chen Kul­tur­hö­he der Phi­lo­so­phie in Deutsch­land fiel. … Schel­ling — in dem sich alle Strah­len des grund­tie­fen phi­lo­so­phi­schen Geis­tes der Deut­schen gesam­melt zu haben schie­nen — war mein gelieb­ter und mich lie­ben­der Leh­rer .… Da, in dem klei­nen Saa­le Athen Jena, unweit dem damals noch von einem gan­zen Chor der unsterb­li­chen Olym­pi­er bewohn­ten Musen­sit­ze Wei­mar, genoss ich auch das Glück des wis­sen­schaft­li­chen Umgan­ges mit dem Rie­sen­geis­te der neue­ren Scho­las­tik, Hegel, … Wie unglück­se­lig müss­te eine Natur­an­la­ge sein, die in solch einer phi­lo­so­phi­schen Atmo­sphä­re nicht erwärmt, erleuch­tet und begeis­tert wür­de.“

In Fried­rich Wil­helm Joseph von Schel­ling, dem nur weni­ge Jah­re älte­ren phi­lo­so­phi­schen Wun­der­kind, fand Trox­ler den Men­tor, der ihm die Tür zu neu­en geis­ti­gen Wel­ten öff­ne­te. Durch Schel­lings Phi­lo­so­phie kam er auch in Kon­takt mit der deut­schen Mys­tik und setz­te sich inten­siv mit Meis­ter Eck­hart, Jakob Böh­me oder F. Ch. Oeting­er auseinander.

Jena

Sein Auf­ent­halt in Jena leg­te ohne Zwei­fel die Grund­la­ge für sein gan­zes spä­te­res so krea­ti­ves und reich­hal­ti­ges Leben.

Auch wenn er sich spä­ter von Schel­lings Natur­phi­lo­so­phie etwas distan­zier­te und sei­ne eige­nen phi­lo­so­phi­schen Wege ging, blieb er sei­nem Leh­rer doch bis zu des­sen Tod in Treue und tie­fer Dank­bar­keit ver­bun­den. Nach dem Auf­kom­men neu­er phi­lo­so­phi­scher Strö­mun­gen, die Idea­lis­mus und Roman­tik zuguns­ten einer mate­ria­lis­ti­schen Welt­sicht ablös­ten, war Schel­ling 1854 in Bad Ragaz ein­sam und halb ver­ges­sen gestor­ben. Trox­ler sorg­te für eine wür­di­ge Bestattung.

Auch in sei­nem Medi­zin­stu­di­um fand Trox­ler einen Leh­rer, der ihn begeis­ter­te, und mit dem er bald eng zusam­men­ar­bei­te­te: Karl Him­ly, heu­te ver­ges­sen, damals ein Pio­nier auf dem Gebiet der Augen­heil­kun­de, der u.a. über die künst­li­che Pupil­len­er­wei­te­rung forschte.

Trox­ler ver­stand sich mit Him­ly offen­sicht­lich so gut, dass er ihm nach­folg­te, als die­ser 1803 eine Beru­fung an die Uni­ver­si­tät Göt­tin­gen erhielt. Noch im glei­chen Jahr pro­mo­vier­te Trox­ler zum Dok­tor der Medi­zin. Him­ly stell­te ihm ein glän­zen­des Zeug­nis aus:
Herr Dr. Ignaz Vital Trox­ler aus Luzern … erhielt bei sei­nem Examen den ein­stim­mi­gen vol­len Bei­fall der Fakul­tät, behan­del­te in mei­ner Kli­nik sowohl hier als zuvor in Jena meh­re­re ihm über­tra­ge­ne Kran­ke mit viel Geschick­lich­keit, und zeig­te sich hie­bei sowie im genaue­ren Umgan­ge, Talen­te und Kennt­nis­se, wel­che ihn mir sehr ach­tungs­wert gemacht haben, so dass ich dem­je­ni­gen Staa­te Glück wün­sche, wel­chem er die­sel­ben wid­men wird.“

Doch Trox­lers Wis­sens­durst war noch nicht gestillt. Wien genoss den Ruf, in Sachen Medi­zin eine füh­ren­de Metro­po­le zu sein, u.a. mit einem Gross­kran­ken­haus von 2000 Kran­ken­bet­ten. Also: auf nach Wien! Dort publi­zier­te er innert kur­zer Zeit meh­re­re medi­zi­ni­sche Abhand­lun­gen nebst diver­sen Fach­auf­sät­zen zur Augenheilkunde.

Ende Sep­tem­ber 1805 kehr­te er schliess­lich nach Bero­müns­ter zurück und eröff­ne­te in sei­nem Hei­mat­städt­chen eine Arzt­pra­xis. Der Weg zu einer geach­te­ten bür­ger­li­chen Stel­lung schien abge­schlos­sen. Doch schon im April 1806 befand er sich auf der Flucht: Haft­be­fehl der Luzer­ner Regierung!! ….

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