Troxler begann seine Tätigkeit als Professor der Philosophie an der Uni Basel im August 1830 mit einer bemerkenswerten Antrittsrede, Über Philosophie, Prinzip, Natur und Studium derselben, in der er die Ergebnisse seiner in Aarau entstandenen umfangreichen Werke zu Logik und Metaphysik zusammenfasste. Auffallend, wie seine Aussage, dass nur die unmittelbare Intuitionserkenntnis vermittels des Urbewusstseins die alleinige und ewige Quelle der Wahrheit sei (E. Spiess), heute bei Weisheitslehrern wie Eckhart Tolle wieder von zentraler Bedeutung ist.
Doch die Politik holte ihn rascher ein, als ihm lieb war. Er wurde noch im Dezember Rektor der Universität — eine besondere Ehre für einen Nicht-Basler -, und damit begannen gleich die Probleme. Gegen Jahresende rechnete die Stadt nämlich mit einem militärischen Vorgehen der Landschaft (siehe Troxler 14). Bürger bildeten Freiwilligenverbände und forderten die Studenten auf, es ihnen gleich zu tun.
Troxler seinerseits verlangte, dass die Universität — und damit auch die Studierenden — sich im schwelenden Konflikt zwischen Stadt und Land neutral zu verhalten habe. Doch diese Haltung wurde ihm von der Regierung als verdeckte Parteinahme für die Landschaft ausgelegt, und sie hatte dafür durchaus Gründe:
- Seine radikalen politischen Ansichten betreffend die Volkssouveränität waren seit der Luzerner Affäre allgemein bekannt.
— Der Hauptagitator auf seiten der Landschaft war Stephan Gutzwiller aus Therwil, ein ehemaliger Troxler-Schüler im aargauischen Lehrverein, inzwischen geachteter Notar. Und es zeigte sich, dass die beiden brieflich und persönlich in Kontakt standen!
Als Folge des baselstädtischen Misstrauens kam es schon im Januar zu einer polizeilichen Hausdurchsuchung in Troxlers Heim — allerdings ohne belastendes Material zu finden, und Troxler erhielt “Stadtarrest”. So sollte jeglicher Kontakt mit Rädelsführern der Landschaft verhindert werden.
Doch damit nicht genug: Im März und April wurde er nicht weniger als sechs Mal verhört, und im Mai kam er gar vor das Kriminalgericht, wo er sich allerdings in einer flammenden dreistündigen Rede selber verteidigte, — und von der Anklage “der Teilnahme an der im hiesigen Kanton stattgehabten Insurrektion” freigesprochen wurde.
Troxler rächte sich kurz darauf mit der Schrift “Basels Inquisitionsprozess während seiner politischen Wehen” und griff Regierung und Universität in verschiedenen Zeitungsartikeln scharf an. Sein Biograf Daniel Furrer schreibt dazu:
“Was wollte Troxler eigentlich damit erreichen? Warum gab er sich einer solch ungehemmten Polemik hin? Warum verhielt er sich wie ein Elefant im Porzellanladen? Die Antwort fällt nicht schmeichelhaft aus. Troxlers Streitsucht hatte Formen angenommen, die man als krankhaft oder zumindest als exzentrisch bezeichnen muss.”
Das ist eine mögliche Sicht der Dinge. Aber genau so möglich ist die Interpretation, dass die Idee einer echten Volkssouveränität und der Freiheit mündiger Bürger so tief in Troxlers Wesen verankert war, dass er dafür wie ein Löwe kämpfte und vielleicht das eine oder andere Mal über das Ziel hinausschoss …
Während der Verhöre hatte Troxler seine Vorlesungen eingestellt, was zum Vorwurf führte, er vernachlässige seine Amtspflicht. Doch auch die Wiederaufnahme im August half nicht mehr, denn inzwischen waren die Spannungen zwischen Stadt und Land wieder auf einem neuen Höhepunkt: 33 Grossräte vom Lande reichten ihre Demission ein, auf der Landschaft wurden Freiheitsbäume errichtet und an Statthaltereien und Pfarrhäusern wurden Fenster eingeschlagen.
Aber auch in der Stadt gärte es. In der Nacht vom 12. zum 13. August wurde Troxlers Haus angegriffen: „Nach einem ungeheuren Geschrei und Lärm, der mich vermutlich ans Fenster locken sollte, wurden Steine gegen das Haus, besonders gegen die Türe und auch durch die zwei offenen Fenster ins Wohn- und Schlafzimmer im ersten Stock geschleudert.“
Nach drei schlaflosen Nächten brachte Troxler seine Familie nach Grenzach-Wyhlen. Daraufhin verbreitete sich das Gerücht, er sei nach Liestal gegangen, um einen Aufstand gegen die Stadt zu organisieren. Am 20. August hielt er nach mehreren Warnungen von Freunden seine letzte Vorlesung und verliess die Stadt: ” … es war zwei Uhr nachmittags , da ging ich unglücklich und glücklich durch das Riechenertor aus der Stadt Basel und über die Schweizergrenze nach Grenzach, von da in meine Heimat.“
Troxler hoffte, zu einem späteren Zeitpunkt seine Lehrtätigkeit wieder aufnehmen zu können, doch am 21. September enthob ihn der Kleine Rat definitiv seines Amtes. Die Basler Episode war zu Ende, — fast zu Ende, denn zwei Jahre später erhielt er das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Arisdorf und führte im August 1833 sogar die basellandschaftliche Gesandtschaft an, die an der Tagsatzung die definitive Trennung der Landschaft von der Stadt forderte, — was dann ja auch geschah.
1860 schliesslich kam es sogar zu einem kleinen Happy-End: Anlässlich des vierhundertjährigen Jubiläums der Universität lud ihn der Präsident der Jubiläumskommission zur Teilnahme an der Jubelfeier ein. Troxler, inzwischen 80 Jahre alt, war allerdings wegen einer Unpässlichkeit verhindert, schrieb aber gerührt: «Da ich dieser Universität ehedem als Lehrer angehörte und mich immerhin durch ein treu gesinntes Andenken mit ihr verbunden hielt, fühlte ich mich sehr erfreut und beehrt, daß, wie Sie mir gütigst meldeten, die Universität auch meiner mit Wohlwollen gedacht.»
Negative Ereignisse haben manchmal unvermutet positive Folgen: Die kommenden Jahre, die Troxler und seine Familie wieder in Aarau verbrachten, sollten sich als entscheidend für die Weiterentwicklung von Troxlers politischer Vision erweisen. Dazu mehr in der nächsten Folge!
P.S. Zu den Spätfolgen der ganzen Trennungsgeschichte hier noch ein birsfälder.li-Kommentar zur “Trumpisierung des Kantons Basel-Landschaft” .…
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