Wie also gelingt es uns, den Weg in das “Kön­i­gre­ich in uns” zu beschreiten?

Die Ange­botspalette ist heute riesig. Der Eso­terik­markt boomt:
Es wim­melt von Engeln und Hex­en, Pen­deln und kos­mis­chen Strahlen. Gurus und Heil­er bieten ein fast unendlich­es Spek­trum an: hawai­ian­is­che Kör­per­ar­beit, Theta­heal­ing, Organ Unwind­ing, Quan­ten- und Bach­blü­ten­ther­a­pie, Phan­tom­chirurgie und vieles mehr.
Zeitschriften, Büch­er zu Eso­terik boomen eben­so wie Astro-TV-Shows. Die Umsätze in Deutsch­land wer­den auf zehn bis 25 Mil­liar­den Euro geschätzt. (aus Eso­terik — Das Geschäft mit der Spir­i­tu­al­ität)

Für einen Gut­teil dieses Mark­tes hat sich der Begriff des “spir­ituellen Mate­ri­al­is­mus” eingebürgert:
Den spir­ituellen Weg richtig zu gehen ist ein schwieriges Unter­fan­gen. Wir kön­nen der Illu­sion erliegen, uns mit Hil­fe spir­itueller Tech­niken weit­er­en­twick­eln zu wollen, während wir in Wirk­lichkeit nur unsere Ich-Bezo­gen­heit stärken. Dieser grundle­gende Irrtum wird als spir­itueller Mate­ri­al­is­mus beschrieben, der in vielfälti­gen For­men der Selb­st-Täuschung zum Aus­druck kommt. (Chö­gyam Trung­pa, “Spir­ituellen Mate­ri­al­is­mus durch­schnei­den”)

Das ist nicht alles: Einige Esoteriker/innen haben einen fatal­en Hang zu Ver­schwörungs­the­o­rien bis hin zu recht­sradikalem Gedankengut.

Es wäre aber falsch, nur die neg­a­tiv­en Aspek­te des Booms her­vorzuheben. Er zeugt immer­hin von einem immer stärk­er wer­den­den Bedürf­nis, in Kon­takt mit ein­er Wirk­lichkeit zu kom­men, die jen­seits ein­er plat­ten und mate­ri­al­is­tis­chen Welt­sicht liegt. Angesichts ein­er Welt, die von Zwist, Ungerechtigkeit und riesi­gen ungelösten Her­aus­forderun­gen geprägt ist, sehr wohl verständlich.

Am Apol­lotem­pel von Del­phi war die berühmte Inschrift “Gnothi Seau­ton” ange­bracht, die zu vie­len Inter­pre­ta­tio­nen führte, wie dieser Wikipedia Artikel deut­lich macht. Auf Deutsch wird er mit “Erkenne dich selb­st!” oder “Erkenne, was du bist” über­set­zt.

Wie auch immer wir diese Aus­sage ver­ste­hen, eines ist klar: Sie set­zt voraus, dass es, wenn wir unser wahres Wesen wirk­lich ergrün­den wollen, einen Erken­nt­nis­prozess braucht, den wir aktiv ini­ti­ieren müssen. Aber auch hier gilt, dass es dafür keine Formel gibt. Die einen unter­w­er­fen sich ein­er Psy­cho­analyse, andere besuchen Zen-Work­shops, wieder andere machen einen Kloster-Retreat — die Möglichkeit­en sind endlos.

Doch sie haben alle eines gemein­sam: Es geht darin um eine schrit­tweise Lösung aus unser­er Ego-Ver­haf­tung, damit die Öff­nung hin zu unserem tief­er­en, wahren Wesen möglich wird. Inter­pre­ta­tio­nen, worin dieses Ego beste­ht, gibt es viele. Eine Beschrei­bung hat sich für die Erken­nt­nis­ar­beit als beson­ders sin­nvoll erwiesen: Es ist “die Stimme in unserem Kopf”, der immer­währende Gedanken­fluss, der laufend räson­niert, kom­men­tiert und urteilt.

Das bedeutet natür­lich nicht, dass Denken an sich etwas Neg­a­tives sei. Es geht um die “Gedanken­müh­le”, das ewig laufende “Gedanken­ra­dio” in uns, das ger­ade echt­es Denken ver­hin­dert! Wer schon ein­mal ver­sucht hat, sich dieser Müh­le, dieses inneren Radios zu entledi­gen, stellt bald ein­mal fest, dass das gar nicht so ein­fach ist. Jede/r muss sel­ber her­aus­find­en, wie das am besten gelingt.

Aber wenn dann der Moment kommt, wo wir für eine län­gere oder kürzere Zeitspanne in eine innere Stille einsinken kön­nen: welch wun­der­schöne Erfahrung des Friedens, welche Erle­ichterung, ein­fach da zu sein und sich von dieser tiefen Stille umfan­gen und tra­gen zu lassen!

Der Weg in die innere Stille ist der Königsweg zum “Kön­i­gre­ich in uns”. Er befre­it uns vom ewigen “Tun müssen” und “Haben müssen” und führt uns hin zu dem, was wir in unserem tief­sten Inneren wirk­lich in Frei­heit wollen. Denn in der tiefen Stille kom­men wir in Kon­takt mit jenen Impulsen, die aus unser­er ure­igen­sten, in Gott ver­ankerten Indi­vid­u­al­ität in unser Bewusst­sein hochsteigen. Sie sind grund­ver­schieden von irgendwelchen gedanklichen Vorstel­lun­gen, Überzeu­gun­gen oder dem ego-basierten Wollen.

Es gibt im Alten Tes­ta­ment die ein­drück­liche Geschichte vom Propheten Eli­ja, der sich von ein­er Ver­fol­gung in eine Höh­le ret­tet. Dort bit­tet er Gott um Hil­fe. Da geschieht Folgendendes:
1. König 19, 11–13: Der Herr antwortete: Komm her­aus und stell dich auf den Berg vor den Her­rn! Da zog der Herr vorüber: Ein stark­er, heftiger Sturm, der die Berge zer­riss und die Felsen zer­brach, ging dem Her­rn voraus. Doch der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erd­beben. Doch der Herr war nicht im Erdbeben.
Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein san­ftes, leis­es Säuseln.
Als Eli­ja es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Man­tel, trat hin­aus und stellte sich an den Ein­gang der Höhle.

Es ist diese leise Stimme in uns,  der wir uns Schritt um Schritt öff­nen kön­nen, wenn wir den Weg des “Gnothi Seau­ton” bewusst und kon­se­quent gehen.

Wahre Führer und Führerin­nen auf diesem Weg erken­nt man daran, dass sie immer wieder auf die radikale Selb­stver­ant­wor­tung und Unab­hängigkeit des Schülers und der Schü­lerin pochen. Falsche Gurus tun das Gegenteil.

Zum Schluss deshalb ein Hin­weis auf zwei solche wahren Helfer, die für den birsfaelder.li Schreiber­ling per­sön­lich wichtig wurden:
Eck­hart Tolle. Wie keinem zweit­en ist es ihm gelun­gen, den Wert der inneren Stille aufzuzeigen.
Omraam Mikhaël Aïvan­hov. Dieser bul­gar­ische Lehrer schöpft tief aus der “philosophia peren­nis” — der “ewigen Weisheit” — und bietet dem Erken­nt­nis­suchen­den eine Fülle von Arbeitsmit­teln an, die ihm auf seinem Weg nüt­zlich sein können.

Damit ist die Liste selb­stver­ständlich nicht erschöpft. Für viele bietet sich der von Rudolf Stein­er ini­ti­ierte Erken­nt­nisweg der Anthro­poso­phie an. In der bud­dhis­tis­chen Tra­di­tion haben sich  Thich Nhat Hanh  oder der aktuelle Dalai Lama im West­en einen Namen als ver­lässliche Lehrer gemacht. Im christlichen Umfeld sei auf Richard Rohr, Anselm Grün, David Steindl-Rast, Matthew Fox, Andrew Har­vey oder Mar­i­anne Williamson verwiesen.

Auf dem Weg des “Gnothi Seau­ton” liegen immer wieder Stolper­steine, die aber sehr hil­fre­ich sind. Der wichtig­ste dürfte unser “Schat­ten” sein, wie er von C.G. Jung genan­nt wurde. Was es damit auf sich hat, und welche Rolle er auf unserem Weg spielt, ist das The­ma der näch­sten Folge

am Fre­itag, den 19. November

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