Bevor wir uns dem weiteren Wirken Wilhelm Tells zuwenden, folgt hier ein kleines Intermezzo in Form einer Gegenüberstellung Mikhail Bakunins und Ignaz Troxlers. Beide haben sich — allerdings auf unterschiedliche Weise — auf Tell bezogen:
Bakunin, der Berufsrevolutionär, warf der Schweiz anlässlich der Ausweisung Giuseppe Mazzinis vor, sich gegenüber reaktionären Grossstaaten allzu willfährig zu verhalten und so den eigenen Freiheitshelden Wilhelm Tell zu verraten.
Troxler seinerseits betrachtete den Tell-Mythos als das unabdingbare Herzstück einer ur-freiheitlichen Tradition, aus der sich die Eidgenossenschaft Schritt um Schritt entwickelte, bis sie langsam degenerierte und schliesslich in einem verknöcherten Ancien Régime erstarrte. Seine berühmte Rede in der Helvetischen Gesellschaft 1822 war ein flammender Aufruf, wieder am Ursprung — wie er ihn vor seinem geistigen Auge sah — anzuknüpfen.
Wenn man also den Versuch wagen will, die Gestalten von Bakunin und Troxler nebeneinander zu stellen, springen einem zuerst die Gegensätze ins Auge:
— Hier Bakunin, der heimatlose von Land zu Land irrende russische Revolutionär, erklärter Atheist und Todfeind jeglicher organisierter Religion, und bereit, wenn nötig auch einen politischen Mord in Kauf zu nehmen, um das Ziel einer wahrhaft freien und sozial gerechten Gesellschaft zu erreichen.
— Dort Troxler, der zutiefst heimatverbundene Philosoph und Politiker, der im Christentum einen entscheidenden Pfeiler für eine freie und harmonische Gesellschaft sah und jeglicher politischer und blutiger Gewalt abhold war.
Doch ein zweiter Blick lässt hinter den Gegensätzen auch eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten erkennen:
- Beide waren in ihrer Art zutiefst religiöse Menschen. Bakunin lehnte zwar jegliche äussere dogmatische Religion ab, doch in seinem Atheismus steckte mehr Gottesfurcht, als es bei oberflächlicher Betrachtung scheinen mag.
Ricarda Huch hat dies in ihrer Biographie Bakunin und die Anarchie wundervoll auf den Punkt gebracht:
“Wer wüßte nicht, daß Gott die Liebe ist? Der von der siegreichen Kirche auf den Thron gesetzte Herrscher veränderte seine Züge vollständig, aber allmählich und so im Zusammenhange mit den Menschen, daß sie es größtenteils gar nicht bemerkten. Aus dem großen Jehova, dem Allvater, in dessen Händen Segen und Fluch liegt, aus dem ewig aus unerschöpflicher Fülle Schaffenden und Zerstörenden wurde ein Portier im Hotel Europa, der die Aufgabe hatte, für Ordnung zu sorgen in dem Sinn, daß die zahlungsfähigen Gäste es möglichst bequem hatten. Es war ein Portier mit Embonpoint und reicher Livree und so majestätisch, daß man sich ihm ohne ein reichliches Trinkgeld gar nicht zu nähern wagte; seine Witterung für die gesellschaftliche Stellung eines jeden war untrüglich, vor seiner unnahbaren Miene, wenn der Habenichts seinen Nachtsack hereintrug, kam auch der Keckste zum Gefühl seiner Bettelhaftigkeit. Zu einem solchen Portier war allmählich Gott geworden. Dafür, daß er gut gefüttert wurde, mußte er das Bestehende erhalten. Mit ganzen Strahlenbündeln von Heiligkeit wurde das Bestehende überschüttet; es gab kein größeres Verbrechen, keine größere Dummheit, keinen schauerlicheren Irrwahn, als das Bestehende erschüttern zu wollen, …
Diese Umwandlung des Herrn der Heerscharen in einen gewöhnlichen Portier erklärt viele Mißverständnisse. Man begreift, daß viele gerade ideal gesinnte Menschen sich lieber Atheisten als Anbeter dieses Gottes nannten. Menschen mit jenem Kinderblick, der erkennt, daß des Kaisers neue Kleider gar nicht vorhanden sind und das Opfer seiner Menschenfurcht im Hemde einhergeht, bemerkten, daß die Majestät am Schalter unmöglich Gott sein könne, der das Licht leuchten ließ und die Erde vom Himmel schied, empörten sich gegen ihn und sagten ihm laut ins Gesicht, sie seien ihm keine Achtung schuldig und könnten ihn sogar hinauswerfen. Je mehr die Anbetung des lebendigen Gottes sie erfüllte, durch dessen Reich die Hotelbewohner hindurchgingen, ohne ihn zu kennen, ohne ihn zu grüßen, ohne sich nach ihm zu sehnen, desto widerwärtiger war ihnen die Majestät an der Hoteltür, und da dieser nun einmal auf den Namen Gott hörte, wurde ihnen der Name verhaßt, und sie vermieden ihn auszusprechen, ja sie merzten ihn geradezu aus, um reine Bahn zu machen.”
Für Ignaz Troxler seinerseits war “die Anbetung des lebendigen Gottes” ebenfalls von zentraler Wichtigkeit — davon zeugt sein tiefes Interesse an der deutschen Mystik -, aber sie war für ihn auch im kirchlichen Rahmen möglich und für die meisten seiner Zeitgenossen nötig. Zwar blieb er bis zu seinem Tode der katholischen Kirche verbunden, aber er wandte sich scharf gegen jegliche geistig-seelische Bevormundung, moralische Duckmäuserei und konfessionelle Enge.
- Beide waren zutiefst von der Überzeugung durchdrungen, dass eine freie Gesellschaft nur auf der Grundlage eines freien, in seinen eigenen seelischen Tiefen verankerten autonomen Individuums möglich wird.
Bakunin kämpfte für eine Gemeinschaft von Menschen, die auf genossenschaftlichen Prinzipien aufbaute. Staat und Zentralismus, Autorität und Macht waren für ihn unvereinbar mit der menschlichen Freiheit.
“Jede Beherrschung der Massen von oben nach unten »durch eine intellektuelle und eben dadurch privilegierte Minderheit, die angeblich die wahren Interessen des Volkes besser erkennt als das Volk selbst« und zudem versucht, ihrer Macht ewige Dauer zu verschaffen, »indem sie die ihr anvertraute Gesellschaft immer dümmer und folglich ihrer Regierung und Leitung immer bedürftiger macht«, lehnt Bakunin ab.
Lösung: Eine föderale Organisation. Sie verhindere, dass sich Macht in einer zentralen Gewalt, die Sozialismus und Freiheit unmöglich macht, konzentriert. Unter Föderalismus versteht Bakunin den Aufbau der Gesellschaft von unten nach oben, das heißt, von der Basis zur Spitze. Diese Föderation solle auf freier Assoziation der Individuen, Produktionsgemeinschaften und Kommunen basieren und zur größtmöglichen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung führen, zu einer Ordnung, »die keine andere Grundlage hat als die Interessen, Bedürfnisse und die natürliche Affinität der Bevölkerung«. (aus einem Vorwort zu Bakunins Schrift “Gott und der Staat”)
Die Überzeugung Bakunins stand in diametralem Gegensatz zu den Thesen von Karl Marx, der von einer notwendigen straffen Führung der Gesellschaft durch eine kleine revolutionäre Elite von oben nach unten ausging. Dieser Konflikt führte 1872 zur Gründung der Antiautoritären Internationale in St. Imier, in der neben dem Russen Pjotr Kropotkin der Schweizer James Guillaume eine wichtige Rolle spielen sollten. (Kropotkin war übrigens der erste, der den Evolutionsideen Darwins mit dem “Kampf ums Dasein” das Konzept der gegenseitigen Hilfe in der Mensch- und Tierwelt gegenüberstellte)
Der Ansatz von Karl Marx ist, wie wir inzwischen wissen, grandios gescheitert und hat neben ein paar Millionen Toten ein ideologisches Trümmerfeld hinterlassen. Der Ansatz von Bakunin bleibt bis heute eine Utopie. Ihr kommt in einer globalisierten Welt vielleicht noch am ehesten die Idee eines Europa der Regionen nahe.
Für Troxler spielten die Klassengegensätze noch keine zentrale Rolle — die massive Industrialisierung und die damit einhergehende Entwicklung des Proletariats lagen noch in der Zukunft — aber er war ganz wie Bakunin felsenfest überzeugt, dass jegliche politische Gewalt allein aus dem Volk auszugehen hatte. Daher sein unermüdlicher Kampf gegen politische Vorrechte, wie sie in der Eidgenossenschaft zuerst von patrizischer und schliesslich sogar von liberaler Seite in Anspruch genommen wurden.
Zwar durfte er schliesslich mit Genugtuung die Verwirklichung seiner lebenslangen Idee des Bundesstaates erleben, aber seine Vision einer rundum seelisch-geistig erneuerten menschlichen Gemeinschaft blieb — genauso wie für Bakunin — ein unerfüllter Traum …
In der nächsten Folge werden wir uns wieder Wilhelm Tell und seinen weiteren Abenteuern zuwenden.
An anderen Serien interessiert?
Wilhelm Tell / Ignaz Troxler / Heiner Koechlin / Simone Weil / Gustav Meyrink / Narrengeschichten / Bede Griffiths / Graf Cagliostro /Salina Raurica / Die Weltwoche und Donald Trump / Die Weltwoche und der Klimawandel / Die Weltwoche und der liebe Gott /Lebendige Birs / Aus meiner Fotoküche / Die Schweiz in Europa /Die Reichsidee /Vogesen / Aus meiner Bücherkiste / Ralph Waldo Emerson
Christoph Meury
Apr. 26, 2020
Manchmal frage ich mich wo Historiker, bei all dem Gewusel in modernden Akten und verstaubten Archiven, ihr Glück finden. Bringt die extensive Beschäftigung mit historischem Material neue Erkenntnisse, neue Einsichten in die Geschichte? Oder ist es lediglich l’art pour l’art.
Helden (oder zumindest) vermeintliche Helden, sind natürlich dankbare Figuren, um sich daran abzuarbeiten. Klar! Dankbar auch insofern, weil ihnen (den Helden) durch die Totenstarre die Hände gebunden sind. Sie können sich nicht wehren und müssen all die wohlmeinenden Interpretationen & Repliken über sich ergehen lassen. Manchmal vermeine ich aus der Gruft der Vergangenheit ein leises Stöhnen zu hören. Bei Vollmondnächten wird das Grummeln jenseits des Jordan stärker und verdichtet sich zu einem «Lasst mich doch, verdammt noch mal, endlich in Ruhe!« oder «Was nützen mir all die Orden im Nachgang!«
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Es gab Zeiten da habe ich mich ebenfalls intensiv mit Geschichte befasst. Ich habe mir u.a. die süffig geschriebene Sozialgeschichte von Fernand Braudel reingezogen. Er hat mir die Zeiten der vorindustriellen Revolution nähergebracht und mit all seinen Querbezügen zum realen Alltag der Menschen, notabene Arbeiterinnen und Arbeiter — ein fassbares Abbild des 15. is 18. Jahrhunderts geschaffen. Auf dieser Grundlage habe ich auch die weiteren Entwicklungen bis hin zur Neuzeit besser verstanden. Aber die mythologisch verbrämte Figur des Tell, eine krude Mischung aus Sagen und Schiller-Fantasien, plus hochstilisiertes Folklore- und Propagandagedudel bringen mir den Helden Tell nicht wirklich näher. Was will er mir den sagen?
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Nur so zum Beispiel: Wie würde denn ein Tell auf all die coronabedingten Einschränkungen der Freiheitsrechte, der demokratischen Grundrechte sagen? Würde er seine Armbrust zücken und unsere BundesrätInnen meucheln? Oder würde er sich mit einem kühnen Sprung nach (sagen wir mal) Schweden verabschieden? Gut, der arme Kerl wäre ja ohne Internet miserabel informiert und wüsste gar nicht wonach ihm der Sinn steht. Auch als Söldner würde man ihm lediglich einen langweiligen Grenzbewachungsjob anbieten. Oder er könnte zu Trump emigrieren, der sucht noch Leute, welche das Virus mit Pumpguns und realer Waffenpower bekämpfen, oder sich die Desinfektionslösung grad selber fixen. Ja, was machen wir mit dem armen Tell?
Auch die Tellspiele werden dieses Jahr ausfallen. Also ist auch dort für den Waffen- und Söldnernomaden keine Verwendung. Er ist, wie alle zur Zeit im Lande, verdammt Kurzarbeit zu schieben, oder sich allfällig nach einem neuen, einem system-relevanten, Job umzusehen. Auch Helden haben eine Halbwertszeit.
max feurer
Mai 6, 2020
Lieber Christoph Meury
Danke für den substantiellen und interessanten Kommentar :-). Ich nehme die Herausforderung zu erklären, warum mir Tell auch heute — gerade heute — wichtig erscheint, gerne an, brauche aber für eine solide Begründung etwas Zeit.
In diesem Sinne — see you later!
A propos Braudel: Er war — zusammen mit Marc Bloch und Lucien Febvre — einer der Begründer der “Annales-Schule” oder, wie sie auch genannt wurde, der “histoire totale”. Ich habe zwei Jahre lang als Diss an einer “histoire totale” für das Toggenburg gearbeitet, bis mir die “american natives” über den Weg liefen, — und das war ein ganzes Stück lebendiger und interessanter, weshalb die Diss dann flöten ging.
A propos “american natives”: Jack D. Forbes schreibt in seinem berühmten “Wetiko, Columbus & andere Kannibalen” im Vorwort u.a.“Schon sehr früh haben die Kämpfe meiner indianischen, keltischen und Schweizer Vorfahren für Gerechtigkeit und gegen Imperialismus mich mit einer Vision dessen erfüllt, was ein gutes Leben in einem politischen Sinne ausmacht. Ich kann gar nicht überbetonen, wie sehr die Geschichten über Powhatan und Opechkankanough oder über Sir William Wallace und Arnold Winkler schon früh mein Gefühl für Gerechtigkeit geformt haben.” Er meinte natürlich Arnold Winkelried, — wie Tell ein — geschichtlich gesehen — schon längst widerlegter Mythos, — aber auf der seelischen Ebene von Forbes höchst lebendig. Und genau darum geht es!
Also: see you later, — wahrscheinlich in meiner letzten Tellfolge (22)
Christoph Meury
Mai 7, 2020
Mit ein bisschen Abstand zu literarischen Vorlagen, bietet die Tagesaktualität eine prima Vorlage für Planspiele in alle Richtungen. Rechts abbiegen und durchgreifen ist Mainstream. Männiglich ist d’accord mit Restriktionen & Verboten. Freiheitliche Zuckungen sind ursächlich verpönt und machen verdächtig. Eigenverantwortung war gestern. Niederknien vor den neuesten News aus Bern. Gessler’s Hut ist jetzt siebköpfig und bestimmt den Alltag. Darf ich jetzt, oder ist das schon ansteckend. Bin ich aussätzig, oder nur Risikogruppe. Per App feststellen, ob mein Nachbar koscher ist. Übersterblichkeit als neuer Parameter. Ausgangsperren. Grenzschliessungen. Auswärts futtern nur mit Registrierung. Hände waschen bis sich die Haut löst. Wenn dir der Schädel brummt, ist Gefahr in Verzug. Vielleicht bist du fiebrig. Die Chinesen sind schuld. Nein, die Italiener waren’s. Ischgel als Brandbeschleuniger. Virologen & Epidemiologen als ominpräsente Herrscher & Angstmacher vom Dienst. Zweite Welle möglich. Klar doch. Impfstoffe als Manna für Hilfesuchende. Freikirchen erklären sich als systemrelevant und trotzen in Gruppen dem Virus. Gottes Gnade provozierend. «Die Schafe werden derzeit nicht zur Quelle gelassen«, meint eine Clique um den Churer Bischof. Sind das jetzt freiheitliche Zuckungen, sture Verzückung, oder einfach dummdreiste Anmassungen? Glückt der Versuch, könnten wir absehbar nach Bünden wallfahren, um das Wunder von Chur zu bestaunen. Ja, wo ist sie denn hin die Vernunft, die Freiheit. Die Grundrechte plötzlich fakultativ. Demonstrationen ein Verstoss gegen obrigkeitliche Verordnungen. Die Granden der Führungsriege im Homeoffice verschwunden, die Luken dicht gemacht. Medienmitteilungen & Dekrete werden nicht an die Stadttore geheftet, sondern tauchen als Viren auf deinem Smartphone oder Computer auf. Neue Massnahmen, neue Verordnungen. Muss ich mich nach Trump’scher Manier schon bewaffnen? Die Amerikaner haben sich wohlweislich aufgerüstet und könnten das Covid-19-Dings mit einem Serienfeuer zur Strecke bringen. Uns, den armen Verwandten, bleibt nur die Armbrust. Hilfe! Wir bräuchten endlich einen akkuraten Helden, einen Tell, oder besser noch einen Winkelried, den wir dem Virus zum Frass vorwerfen könnten. Aber die starken Kerle sind entschwunden, haben sich verkrümelt. Und der lieber Gott ist global unterwegs und zur Zeit sehr beschäftigt. Offensichtlich auch als Totengräber. Die Hausbibliothek gibt längstens nichts mehr her. Auch Globi ist ratlos. Superman & Batman ausgepowert. Kein Pandemie Handbuch, kein Leitfaden, nur moderndes Papier. Na dann Prost! Den letzten Whisky wegsaufen und die Luft anhalten und ausharren…
max feurer
Mai 7, 2020
spannender Text — direkt expressionistisch angehaucht ;-).
Mein Vorschlag: Weder Whisky wegsaufen (warum eigentlich?), noch Luft anhalten.
Alternativvorschlag: tiefe Bauchatmung mit bewusster innerer Ausrichtung auf die Bauchregion, dann Kopfkino abschalten, sich der Gegenwart bewusst werden und gelassen auf das Covid19-Theater schauen 🙂
Hans-Jörg Beutter
Mai 9, 2020
Stunden, Wochen oder Jahre vor dem Whisky
Die epidemiologische Antwort auf einen gefährlichen Virus.
Ich glaube nicht, dass Willy (free!) zur resistent bildungsfernen, wissensverachtenden Spezies gehörte. Er war ein – sofern man denn den Mythos bedienen möchte – selbstbewusster Renegat, der sich keinen Feudalstrukturen unterwerfen wollte.
Virologen/Epidemiologen sind gefragte situative Wissensträger auf Zeit – schwierig eher, aus welcher politischen Erwägung ihr reichlich volksdienliches Vorwissen – ihr »Wissensmonopol« – denn nun baldmöglichst wieder aufgeben sollten …
Die Experten verantworten keine Schutzgelder! Sie verfechten den Standpunkt, dass eine prospektiv möglichst dienliche medizinische Versorgung jederzeit garantiert bleiben solle. Und es möge so wenige wie immer möglich schädigen (rein physisch).
Und dieses Anliegen ist an sich mE nur schwer zu hinterfragen.
Es sei denn, die Erde sei trotzdem flach – und die Aufklärung habe doch nie wirklich stattgefunden: aufauf, ab in die klimaneutrale Prälogik!
Inwiefern Wissen per se demokratiefeindlich sei, möchte ich sehr ernsthaft nachfragen.
Meine Optik: Je mehr man weiss, auch wissen darf!, desto weniger kann man diesbezüglich manipuliert werden. illu: Trump hat aktuell grade ein von ca 20 namhaften Wissenschaftlern basierend auf shared knowledge erstelltes Zukunftsmodell (für Arizona – sehr elaboriert: welche Oeffnung evoziert welches Infektionsrisiko: vertretbar/eher weniger) schlicht verboten und durch sein eigenes ersetzt (das im Hinterzimmer von Trumpistan entstanden ist). Es darf nur noch bedingt getestet werden – Morbiditäts- und Letalitätslisten werden neu auch direkt vom WH her geführt … mE: absurd geschönt, ohne jede Realitätsrelevanz.
Zurück zur Schweiz:
Das von Schweizer Profis (in Abstimmung zb des Deutschen Chaoskomputerclubs, nicht wirklich bekannt als bekennende Deepstate-Exponenten) erarbeitete Tracing-System ist perfekt verschlüsselt (die app erlaubt zb auch keinen Zugriff via GPS o.ä.) – und erlaubt eben keinerlei unlautere Nutzung, beruht letztlich auf freiwilligem, individuellem Mittun (zweiwegverschlüsselt – oder Ablehnen). Epidemiologisch reicht die Teilnahme von ca 60–70% der Bevölkerung aus (locker zu erreichen, auch wenn ich da selbst zb nicht mittun werde!).
Durch das Erreichen des Containments fallen die sperrigsten Notverordnungen nachhaltig weg: und DAS ist ja wohl das übergeordnete Ziel, oder?!
Willy dürfte also auch baldmöglichst wieder auf die Tellenplatte hüpfen können.
(Corona, jenseits von Gottes- oder Diktators/Oligarchos Gnaden)
Wilhelm Tell
Mai 9, 2020
Viel, schön und wirrlich geschwatzt guter Bürger!
max feurer
Mai 9, 2020
Jetzt wird es aber spannend: Wilhelm Tell meldet sich tatsächlich selber zu Wort!!. Darf man wissen, welche Variante sich da gerade bemerkbar macht: die aus dem Weissen Buch, aus den Bauernkriegen, aus der französischen Revolution, aus Schillers Spektakel, — oder ist da vielleicht gerade eine neue Mutation am Entstehen!? Aufklärung dringend erwünscht 🙂
Wilhelm Tell
Mai 10, 2020
Es ist der Tell
der jede Meinung schätzet,
nur das Geschwätz
der aufgeblasnen Schreiber nicht.
Hans-Jörg Beutter
Mai 9, 2020
Nun, den Film »free willy!« als zwischenzeitliche – überholte – Neuinterpretation vom grossen Wilhelm Tell (dieser Schiller’schen Romanfigur) anzuführen, war vermutlich genauso wirrlich … wie die Angstvorstellungen, sich in Helvetien angesichts von Corona mutwillig in eine despotische Expertokratie zu bewegen, zugegeben!
Die Wahrheit liegt wie immer im Auge der BetrachterInnen.
(im Zweifelsfall lieber wirrlich als depressiv angesichts der passager beschränkten Kontakt- und Bewegungsfreiheit – die ich nicht wirklich gleichsetzen möchte mit eingeschränkter demokratischer Freiheit. Derlei ereignet sich ganz bestimmt nicht vorübergehend, sondern leider bleibend.)
Die Querbezüge zu den USA stehen lediglich, damit man sich ein Bild mache, um welche Güter es dort geht, wo Corona schon gut eine Million mehr Infektionen verursacht hat als sonstwo auf der Welt – und was man mit diesem Umstand alles anfangen kann (bis hin zur faktischen Meinungsdiktatur im Sinne von alt-right.)
(falls Sie das be(un)ruhigt: ich bin u.a. Ethnologe mit einer gewissen Vorahnung, was Entstehung‑s bzw. Ursprungsmythologie betrifft …)
max feurer
Mai 9, 2020
“Die Wahrheit liegt wie immer im Auge der BetrachterInnen” — ein grosses Wort gelassen ausgesprochen :-), — aber trotzdem wahr …
Hans-Jörg Beutter
Mai 11, 2020
»Durch diese kahle Hose wird er gasen«
Soweit ein humoriges Zitat von »Burgen-Meyer« in einer seiner Vorlesungen in den frühen 80ern. Niemand kann die Wahrheit für sich beanspruchen – auch dieser Mittelalterarchäologe nicht. (auch er nur ein Kind seiner Zeit)
Ich vermute allerdings, Tell hat nie was ähnliches von sich gegeben, wie hier von Wilhelm Tell nachempfunden (das war allerhöchstens ein Herr Schiller – sofern es DEN gegeben haben sollte ;-))
Die Leute haben damals Mittelhochdeutsch gesprochen – noch weitgehend identisch mit schweizerischen Idiomen/Soziolekten.
Ob jetzt Burgen geschleift wurden – oder weniger: Die Fabel ist und bleibt inspirierend (wenn auch nicht primär faktisch). Da hilft auch das Weissbuch nicht wirklich weiter. Den ersten schriftlichen Zeugnissen gehen minimal 100 Jahre oral history voran – wer weiss, was unter diesen Umständen im Jahr 2120 über Corona zu lesen sein wird/würde …
Mythenbildung eben 😉
So, der Zaungast (im Dürr’schen Sinn) verabschiedet sich jetzt wieder von Birsfelden.
max feurer
Mai 11, 2020
Ja, der Burgen-Meyer … Seine Vorlesungen an der Uni Basel gehörten zu den absoluten Highlights! Und wenn wir jeweils nach einem Ausflug in die Schweizer Burgenwelt in eine Beiz gingen, entwickelte er einen Appetit für drei :-). — Zaungast im Dürr’schen Sinn!? — noch nie gehört ..
Die Hypothese der “oral history” ist eine spannende Frage. Guy P. Marchal und Jean-François Bergier haben sich damit ziemlich intensiv auseinandergesetzt.
Hans-Jörg Beutter
Mai 11, 2020
Merci vielmoll für Ihre Angaben zur oral history!
Dann sind wir uns vermutlich sogar schon mal begegnet 😉
Ja, das waren witzige Vorlesungen.
Gemeint ist Hans Peter Dürr (nicht der Physiker Hans-Peter Dürr), der mal die Position des Ethnologen als Zaungast zwischen den Welten umschrieben hat – fand ich zimli stimmig.
Ich möchte meine Beiträge nicht als Pauschalkritik an der Serie verstanden wissen, lediglich als Relativierungen angesichts neuerlicher Vereinnahmungen – auch seitens »völkischer« Exponenten (»keine fremden richter«, »rütli als reine männersache« etc)