Max Feu­rer hat zu mei­nen Gedan­ken zur Demo­kra­tie eine umfang­rei­che Stel­lung­nah­me geschrie­ben, die ich den Lese­rin­nen und Lesern des birsfälder.li nicht vor­ent­hal­ten möchte.
Sein Exkurs am Ende zur demo­kra­ti­schen Lösungs­fin­dung mahnt mich, beson­ders da auch vor allem die Spre­cher der Stäm­me um Lösun­gen rin­gen, fast ein biss­chen an einen Einwohnerrat 🙂

Das Titel­bild, ein Kup­fer­stich von Samu­el de Cham­p­lain von 1609, zeigt einen Kampf zwi­schen Iro­ke­sen und Algon­kin am Lake Cham­p­lain … natür­lich in der Hoff­nung, dass der Kampf zwi­schen Geg­nern und Befür­wor­tern des Quar­tier­plans 707 nicht ähn­li­che For­men annimmt.

********************************************************************************************************

Hier der Text von Max Feurer:

»Franz Büch­ler hat ges­tern mit sei­nem Bei­trag „Was ist demo­kra­ti­scher als demo­kra­tisch?“ eine gan­ze Rei­he von inter­es­san­ten Fra­gen auf­ge­wor­fen, und dafür möch­te ich ihm dan­ken. Da ich der Ver­fas­ser des omi­nö­sen Begleit­fly­ers zum Refe­ren­dums­bo­gen bin, gehe ich ger­ne auf die­se The­ma­tik ein. Die fol­gen­den Aus­füh­run­gen sind aller­dings per­sön­lich und kein offi­zi­el­les State­ment des Referendumskomitees.
War­um haben wir uns erlaubt, einen „wirk­lich demo­kra­ti­schen“ Ent­scheid zum Pro­jekt Kes­ten­holz zu for­dern? Bedeu­tet dies, dass der Ent­scheid der Gemein­de­ver­samm­lung unde­mo­kra­tisch war? Es wur­de doch kor­rekt abge­stimmt und aus­ge­zählt!? War­um also „sich erdreis­ten, die an der Gemein­de­ver­samm­lung geleb­te Demo­kra­tie anzu­grei­fen“, wie sich eine Kom­men­ta­to­rin zum Arti­kel erbost äusserte?

Wer­fen wir einen Blick zurück auf den 11. Dezember.

Die vom Pro­jekt Kes­ten­holz direkt betrof­fe­nen Anwoh­ner hat­ten sich im Vor­feld in meh­re­ren Sit­zun­gen auf die Gemein­de­ver­samm­lung vor­be­rei­tet und zum Teil in stun­den­lan­ger Arbeit Argu­men­te zusam­men­ge­tra­gen, war­um wir das Bau­pro­jekt als sub­op­ti­mal betrachten.
Als das ent­spre­chen­de Trak­tan­dum im Rah­men einer völ­lig über­la­de­nen Trak­tan­den­lis­te zur Spra­che kam, stell­te Gemein­de­prä­si­dent Hilt­mann das Vor­ha­ben aus­führ­lich und posi­tiv wür­di­gend vor. Das war sein gutes Recht und mach­te zudem deut­lich, dass unser Gemein­de­prä­si­dent ohne
Zwei­fel kom­pe­tent und ein aus­ge­zeich­ne­ter Red­ner ist.

Böses schwan­te den Pro­jekt­geg­nern aller­dings, als Herr Hilt­mann die Gemein­de­ver­samm­lung dar­über abstim­men liess, einer­seits die Rede­zeit auf 3 Minu­ten zu beschrän­ken, und ande­rer­seits dem Inves­tor, der nicht in Birs­fel­den wohnt, in Miss­ach­tung der § 53,1 und § 62,1 das Wort zu ertei­len, sprich: sich eben­falls vehe­ment für sein Pro­jekt ein­zu­set­zen. Ich kann die Lega­li­tät die­ses Vor­ge­hens nicht beur­tei­len, aber es erschien und erscheint mir immer noch mehr als fragwürdig …

Damit war das Trau­er­spiel ein­ge­lei­tet: Ein Mit­glied des Refe­ren­dums­ko­mi­tees durf­te zwar zunächst etwas wei­ter aus­ho­len, brach dann aber unter dem Damo­kles­schwert der „3‑Mi­nu­ten-Guil­lo­ti­ne“ sei­ne Aus­füh­run­gen ent­nervt ab. Als mei­ne Wenig­keit das Wort ergriff und dar­um bat, wenigs­tens so lan­ge spre­chen zu dür­fen wie Herr Kes­ten­holz — näm­lich fünf Minu­ten — wur­de die­ses Ansin­nen von einem Teil der Gemein­de­ver­samm­lung mit Buh­ru­fen quittiert.

Dass die Geg­ner des Pro­jekts dann trotz die­ser wid­ri­gen Umstän­de 90 Stim­men hol­ten, ist erstaun­lich und hat uns unter ande­rem moti­viert, das Refe­ren­dum zu ergrei­fen. Ich schrei­be „unter ande­rem“ auch des­halb, weil das Pro­jekt Kes­ten­holz gera­de mal von 1,3% der Birs­fel­der Bevöl­ke­rung gut­ge­heis­sen wur­de und wir fin­den, dass ein – posi­ti­ver oder nega­ti­ver – Ent­scheid über ein solch wich­ti­ges Pro­jekt unbe­dingt brei­ter in der Bevöl­ke­rung abge­stützt wer­den müsste.

Franz Büch­ler geht in sei­nem Arti­kel des wei­te­ren auf die span­nen­de und zen­tra­le Fra­ge ein, was denn nun eigent­lich ein wirk­lich demo­kra­ti­sches Vor­ge­hen wäre. Abschaf­fung der Gemein­de­ver­samm­lung? Nur noch Urnen­ab­stim­mun­gen? Er weist dann gleich sel­ber dar­auf hin, dass es kei­ne simp­len Lösun­gen gibt.

Auch ich kann kei­ne Patent­lö­sung aus dem viel­zi­tier­ten Hut zau­bern. Ich möch­te hier ledig­lich einen Wunsch äus­sern: näm­lich dass – in wel­cher Form auch immer – eine fai­re Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen den Kon­tra­hen­ten einer Streit­fra­ge ermög­licht wird. Und dies war an die­ser Gemein­de­ver­samm­lung defi­ni­tiv nicht der Fall.

Zum Schluss erlau­be ich mir noch einen klei­nen Exkurs über die ältes­te geleb­te ech­te Demo­kra­tie der Neu­zeit: Es ist die india­ni­sche Iro­quois-Con­fe­der­a­cy, die heu­te zwi­schen den USA und Kana­da auf­ge­teilt ist, aber immer noch existiert.
Ihr im 15. Jahr­hun­dert ent­stan­de­nes „Gre­at Law of Peace“ — das nota­be­ne schon das Frau­en­stimm­recht kann­te! — wur­de für die Grün­der­vä­ter der USA zur gros­sen Inspi­ra­ti­on und führ­te zur damals revo­lu­tio­nä­ren Idee des Bun­des­staa­tes. Und weil der Luzer­ner Phi­lo­soph und Poli­ti­ker Ignaz Paul Vital Trox­ler im 19. Jahr­hun­dert die Idee hat­te, wäh­rend des heil­lo­sen Streits zwi­schen Föde­ra­lis­ten und Unita­ri­ern auf das ame­ri­ka­ni­sche Vor­bild zurück­zu­grei­fen, — und so zum Begrün­der unse­rer moder­nen Schweiz wur­de, lohnt sich ein dank­ba­rer Blick auf die Kon­fö­de­ra­ti­on an den Gros­sen Seen auch heu­te noch. Viel­leicht ist das der Grund, war­um die Schweiz als ein­zi­ges Land auf der Welt die Päs­se der Iro­quois-Con­fe­der­a­cy aner­kennt, wenn deren Dele­gier­te an der UNO in Genf für ihre Rech­te kämpfen.

Oren Lyons, ein cha­ris­ma­ti­scher Anfüh­rer der Kon­fö­de­ra­ti­on, erklär­te mir vor Jah­ren in Basel ein­mal, wie bei ihnen bis heu­te Streit­fra­gen gelöst wer­den: Man sitzt zusam­men und dis­ku­tiert, und zwar solan­ge, bis ein Kom­pro­miss gefun­den wird, dem alle Par­tei­en zustim­men können.
Das ist in unse­rer moder­nen Gesell­schaft kaum mehr mög­lich, eine fai­re Aus­ein­an­der­set­zung – sei es nun an einer Gemein­de­ver­samm­lung oder an der Urne – hin­ge­gen schon.

N.B.: Heis­ser Tipp: „Oren Lyons on the Indi­ge­nous View of the World“ auf You­Tube. (Red.: Dau­er 1:11:29)

N.B. N.B: Franz Büch­ler ruft am Schluss sei­nes Arti­kels die Initi­an­ten auf, noch akti­ver zu wer­den. Wir sind ein klei­nes Grüpp­chen und tun, was wir können.
War­um ruft das viel­ge­le­se­ne birsfälder.li als neu­tra­le Instanz nicht zu einer klei­nen Podi­ums­dis­kus­si­on auf, wo sich Geg­ner und Befür­wor­ter ohne Zeit­druck aus­tau­schen könnten?«

*****************************************************************************************************

Soweit der Text vom Max Feurer.
Lei­der besteht die Redak­ti­on des www.birsfälder.li im Moment nur noch aus zwei Per­so­nen und einem frei­en Mit­ar­bei­ter (mir). Da ist die Kapa­zi­tät zu mehr lei­der auch recht ein­ge­schränkt. Ich wer­de mich aber mit allen Mit­glie­dern des Ver­eins (3) noch bespre­chen, was im Moment nicht mög­lich ist.

 

Farbe des Jahres 2018: Ultra Violett
René Regenass liest... (52)

9 Kommentare

Kommentiere

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.