Die Masseneinwanderungsinitiative der SVP will, dass wieder der Staat die Zuwanderung kontrolliert und regelt. Sie verlangt keinen Stopp der Einwanderung. Aus meiner Sicht ist es staatspolitisch als auch gesellschaftlich sinnvoll, die Einwanderung vom Staat (also von uns allen) und nicht von der Wirtschaft (von wenigen) regeln zu lassen.
Die meisten Argumente für und gegen die Initiative sind bekannt. Trotzdem möchte ich hier ein paar Punkte aufgreifen, welche mir persönlich wichtig erscheinen.
Was die genauen Folgen bei einer Annahme der Initiative wären, kann heute nicht abschliessend beurteilt werden. Mit aller grösster Wahrscheinlichkeit wird zuerst einmal gar nichts geschehen. Die EU wird dann die Umsetzung beobachten. Auch die Schweiz muss nicht tätig werden und die Bilateralen 1 künden. Dass Verträge in der EU dehnbar sind, zeigt die Praxis. Italien tritt das Dubliner Abkommen schon lange mit Füssen, passiert ist deswegen nichts. Sollte die EU auf die Idee kommen, die Bilateralen 1 zu künden, so müssten (gemäss meinem aktuellen Wissensstand) alle Mitgliedsstaaten dieses Vorhaben unterstützen und einstimmig für die Kündigung votieren. Ob die Deutschen, die Österreicher und Italiener das Landverkehrsabkommen, in welchen die Schweiz den 40t-Lastwagen aus der EU die Durchfahrerlaubnis gab, wirklich kündigen wollen, darf bezweifelt werden. Der Handel mit der EU wird über das Freihandelsabkommen von 1972 geregelt. Zudem findet auch in der EU einen Wandel statt. Längst nicht alle Mitgliedsländer, insbesondere England, sind mit der jetzigen Situation zufrieden.
Von Seiten der Wirtschaft ist oft das Argument zu hören, dass unsere Wirtschaft ohne die Zuwanderer kollabieren würde und wir somit auf die hochqualifizierten Einwanderer angewiesen sind. Dass aber nur gerade 10% der Einwanderer als Hochqualifiziert bezeichnet werden können, wird verschwiegen. Auch mit den Kontingenten ist es weiterhin möglich, dass diejenigen Einwandern können, welche von der Wirtschaft gebraucht werden.
Nicht zu bestreiten ist, dass die Einführung von Kontingenten einen bürokratischen Aufwand mit sich zieht. Im Vergleich zur Bürokratie, welche aber die flankierenden Massnahmen auslösen, wird sie aber vernachlässigbar sein. Zudem beweisen die flankierenden Massnahmen ja, dass es verschiedenste Probleme mit der Personenfreizügigkeit gibt. Anstatt die Symptome zu bekämpfen, sollte die Politik dazu hinübergehen, die Probleme an der Wurzel zu bekämpfen.
Die EU betont gerne, die Personenfreizügigkeit sei ein Grundpfeiler ihrer Politik. Doch was sind genau die Folgen dieser Politik in der EU? Strukturell schwache Staaten werden noch schwächer und wirtschaftlich starke Länder werden noch stärker. Durch die Personenfreizügigkeit müssen die Firmen nicht mehr zu den Arbeitern kommen, die Arbeiter sind jetzt mobil. Spanien, Griechenland, Portugal und Italien bräuchten neben politischen Reformen auch dringend neue Firmen. Wenn aber alle klugen Köpfe abwandern, werden sich dort sicherlich keine innovativen Firmen ansiedeln. Müssen sie ja auch nicht, die neuen Arbeiter sind schon längst in Deutschland und in andern wirtschaftlich starken Ländern und können dort bequem angestellt werden.
Wenn wir deutsche Ärzte rekrutieren, werden sie in Deutschland fehlen. Die Deutschen wiederum suchen ihre Ärzte in Polen. Die Polen werben sie aus der Ukraine ab und so wird die rote Laterne immer dem nächst wirtschaftlich Schwächeren weitergegeben. Ich bin der Meinung, dass wir auch hier unsere Hausaufgaben erledigen sollten, und dafür sorgen müssen, dass wir unsere Ärzte und auch andere Fachkräfte wieder zu einem grösseren Anteil selber ausbilden. Ärzte, welche im Ausland ausgebildet wurden, kosten uns nichts. Ihrem Herkunftsland dafür umso mehr. Während sie dort eine teure Ausbildung auf Staatskosten genossen hatten, profitiert der Staat nicht von ihren Steuern. Das dies eine ungute Situation ist, läge eigentlich auf der Hand.
Dies sind nur wenige Beispiele, warum die Personenfreizügigkeit abzulehnen ist. Die Liste könnte hier noch beliebig erweitert werden.
Samuel Bänziger, Präsident SVP Sektion Birsfelden
Franz Büchler
Jan 23, 2014
Lieber Sämi,
Du sagst:
»… vom Staat (also von uns allen) und nicht von der Wirtschaft (von wenigen) regeln zu lassen.«
Ich frage:
Ist es neu, dass die SVP mehr staatliche Regulierung will?
Du sagst:
… dafür sorgen müssen, dass wir unsere Ärzte und auch andere Fachkräfte wieder zu einem grösseren Anteil selber ausbilden.
Ich frage:
Warum steht dann im SVP-Parteiprogramm: Eine Akademisierung zulasten der Berufslehre muss vermieden werden?
Und warum wird im SVP-Lehrplan gesagt: Auch Finnland kennt die Lehrmittelfreiheit für seine Lehrer – und fährt offensichtlich hervorragend damit. Das beweist der finnische Spitzenrang im gesamteuropäischen Pisa-Vergleich.
Das liegt nun weiss Gott nicht an der Lehrmittelfreiheit, die auch in der Schweiz weit verbreitet ist, sondern an vielen weiteren »Systempunkten«, die die SVP alle scheut, wie der Teufel das Weihwasser:
• Könnte es sein dass der finnische Pisa-Erfolg nicht auch davon abhängt, dass in Finnland die Lehrpläne zentral für das ganze Land vom Finnish National Board of Education festgelegt werden und nicht föderalistisch wie die SVP fordert. So quasi das verpönte Harmos mit Lehrplan 21?
• Könnte es sein, dass der Anspruch auf einen Krippenplatz in den ersten drei Lebensjahren dazu beiträgt? Man höre sich dazu Frau Pieren an.
• Könnte es sein, dass die Nichtbenotung in der ersten bis vierten Klasse zur Lernfreude beiträgt? Nicht so ganz der Schlüer-Plan?
• Oder könnte der Erfolg auch daran festgemacht werden, dass grossen Wert auf Fremdsprachen gelegt wird?
• Usw.
Das nur einige wenige Dinge, die mich gegenüber der SVP immer wieder skeptisch stimmen, wenn Forderungen aufgestellt werden um sogleich wieder torpediert zu werden!
Aber du kennst mich unterdessen ja zur Genüge …
Samuel Bänziger
Jan 27, 2014
Lieber Franz
Ja, ich möchte möglichst wenig Regulierung, aber denoch gibt es für mich Punkte, die der Staat regulieren muss. Der Lohn gehört für mich z.B. nicht dazu, die Einwanderung aber sehr wohl. Eine weitere Antwort darauf findest Du in meinem Kommentar. Ich bin der Überzeugung, dass Kontingente das kleinere bürokratische Übel sind wie die flankierenden Massnahmen. Zudem möchte ich nicht Symptome bekämpfen.
Die SVP setzt sich dafür ein, dass die Berufslehre nicht zugunsten der gymnasialen Ausbildung
vernachlässigt wird (S. 73, Parteiprogramm 2011–2015). Ich bin der Meinung, dass unser duales Ausbildungssystem ein grosser Erfolg ist. Und dieses sollten wir nicht einfach so opfern. Wie Du genau darauf kommst, dass durch HarmoS mit Lehrplan 21, Krippenplätze für unter 3‑jährige, mehr Fremdsprachen etc. mehr Ärzte ausgebildet werden, ist mir schleierhaft.
B Baa
Jan 23, 2014
Interessante Haltung.. also Verträge muss man nicht einhalten, wenns keine Konsequenzen hat?!? DAS ist ja mal ein klares Statement. Ärzte: Leider gibt es weder genügend Kapazität, die in der Schweiz alle auszubilden, noch genügend geeignete Bewerber. Pflege: Heutzutage ist Pflege eine Tertiärausbildung, jedenfalls die Pflegefachfrauen. Die Assistenzausbildung ist auf dem Attest Niveau. Ich arbeite seit 1982 in der Pflege, seit 1985 in der Schweiz. Ohne all die Ausländer kann man da zu machen. Ich bin auch eine. Aber sicher wird Herr Bänziger das nächste Mal, wenn er in ein Spital muss, auch gerne warten , bis ein/e Schweizer/in für ihn Zeit hat.. sei es als Arzt/Ärztin oder Pflegefachperson. Könnte halt etwas dauern.….
Ansonsten ist ja retro grad in.. back to the 80ies.….
Samuel Bänziger
Jan 28, 2014
Nein, ich habe nicht gesagt, dass man Verträge nicht einhalten soll. Viele Verträge sind aber dehnbar, was, wie ich geschrieben habe, die Praxis auch zeigt. Würde die EU ihre Verträge wortwörtlich umsetzen, so müsste Deutschland sofort aus dem Euro austreten (Vertrag vom Maastricht).
Die Initiative verlangt ja nicht, dass keine Zuwanderer mehr in die Schweiz kommen dürfen, sie verlang nur eine Kontingentierung. Und nein, da muss ich Sie enttäuschen, Sie haben ein falsches Bild von mir. Ich würde mich auch von einem Nichtschweizer oder einer Nichtschweizerin behandeln lassen.
B Baa
Jan 30, 2014
ja, da wird Ihnen auch nichts anderes übrig bleiben, bei einem Ausländeranteil von 40%.
Und: enttäuschen können Sie mich nicht, denn dann hätte ich ja Erwartungen an Sie. Habe ich nicht. Kontingentierung hatten wir auch schon mal.. nicht so lange her. Es widerspricht nur den Verträgen, und einfach zu denken man kann diese ja dehnen ist ziemlich kurzsichtig. Wobei dehnen ja ein Euphemismus ist.… es ist mehr als das, Es wäre Vertragsbruch. Was auch immer Deutschland tun sollte, spielt dabei keine Rolle. Es geht um Wahrhaftigkeit und Vertragstreue. Ich persönlich gebe nur Versprechen, die ich auch halten kann. Sonst lasse ichs gleich bleiben.
Ruge.li
Jan 23, 2014
haben andre Parteien dazu auch eine Meinung. Oder wird das birsfalde.li zur SVP Plattform
(sehr platt)?
Hasira
Jan 24, 2014
Scheint der Fall zu sein. Leider.
Dabei gäbe es noch weitere Vorlagen zu diskutieren:
Da wäre einmal Fabi, eine Vorlage, die dringend ein JA braucht.
Da wäre die verlogene Abtreibungsinitiative, die Frauen benachteiligt und ins Elend treiben kann, von den gleichen Leuten bekämpft, die eine massvolle Sexualaufklärung in der Schule verhindern wollen. Ein dringendes NEIN.
Und da wäre schlussendlich die stupide Geldverteil-Initiative des ewigen Gysin, die wieder nur den Hausbesitzern und Landbesetzern wirklich hilft.
Tja, aber wenn die Parteien schon resignieren – oder haben sie schon einmal, z.B. in Birsfelden, ein Plakat für Fabi, gegen die Abtreibungsgeschichte oder das Gysin-Zeugs gesehen? Die Birsfelder Parteien, ausser die SVP mit ihren Apfelbäumen, scheinen Birsfelden aufgegeben zu haben. Wird Birsfelden zum SVP-Land?
Claude Zufferey
Jan 26, 2014
Leider wird Birsfelden nicht zum “SVP-Land”, dann hätte die Gemeinde vielleicht noch eine Zukunft.
Hasira
Jan 26, 2014
Die Forderung der SVP nach grösseren (Gratis)-Abfalltonnen und die Montage von Aschenbechern waren ja tatsächlich eine grosse Hilfe zur Lösung der Birsfelder Probleme. Wie wäre es einmal mit substanziellen Beiträgen wie Reduktion der Anzahl Gemeinderäte, Überbauung des Hagnau-Areals oder einer massiven Steuererhöhung? Und wie wäre es mit der Einführung eines Einwohnerrates, damit die paar in Birsfelden wohnenden Lehrer und Lehrerinnen nicht die Gemeindeversammlung dominieren? Da macht man sich dann halt nicht so beliebt.
Claude Zufferey
Jan 26, 2014
Nicht schlecht Hasira, dem stimme ich, nicht inhaltlich, aber im Grundsatz zu.
annacarla
Jan 26, 2014
Ist die SVP beliebt?
Berlusconi ist auch nicht beliebt, wird aber immer wieder gewählt, weil er das Geld hat, die Menschen immer wieder neu einzuseifen. Woher hat die SVP das Geld für die Werbeseife? Etwas anderes haben die ja nicht. Bestenfalls noch zwei drei Badeschwämme.
Samuel Bänziger
Jan 28, 2014
Dann bin ich mal gespannt auf Ihre Anträge…
ruge.li
Jan 30, 2014
Solch einen Quatsch Claude Zufferey, habe ich noch nie gelesen. Wie kann einer inhaltlich zustimmen, aber grundsätzlich nicht, oder umgekehrt? Es scheint das von Doktor Doolittle beschriebene Stossmich-Ziehmich-Syndrom zu sein, unter dem zahlreiche ehem.Politiker leiden: Grunsätzlich keine Prinzipien zu haben, oder prinzipiell keine Grundsätze.
Franz Büchler
Jan 28, 2014
Lieber Sämi
Manchmal ist mir nicht klar, für wen du eigentlich schreibst. Schreibst du deine persönliche Meinung (manchmal) oder schreibst du für die SVP (siehe Unterschrift unter dem Artikel). Ich gehe in der Regel davon aus, dass du schon auch die Parteimeinung vertrittst und auf diese beziehe ich mich.
Hier schön der Reihe nach:
• Es ist immer wieder schön zu sehen, dass eine Partei für weniger Regulierung, ja Deregulierung ist. Aber ganz sicher nur dort, wo es der Parteimeinung hilft.
Ich finde, da sollte die SVP konsequenter sein. Es ist einer der Punkte, die mich gegenüber der SVP immer wieder skeptisch stimmen.
• Könnte es sein, dass Ärztinnen eine Matura und ein Studium brauchen? Könnte es sein, dass wir unter anderem wegen zuwenig Akademikern und wegen einem unsäglichen Numerus clausus zu wenig Ärzte und hochqualifiziertes Pflegepersonal haben? Und dieses z.T. ärmeren Ländern wegstehlen?
• Und zum letzten Punkt (Harmos, Lehrplan 21, Fremdsprachen und Krippenplätze): Ich beziehe mich da genau auf den SVP Lehrplan in dem gesagt wird: »Auch Finnland kennt die Lehrmittelfreiheit für seine Lehrer – und fährt offensichtlich hervorragend damit. Das beweist der finnische Spitzenrang im gesamteuropäischen Pisa-Vergleich.«
Wenn du nun mit der offenbar neuen Kenntnis ‘eueres’ Lehrplans den entsprechenden Abschnitt noch einmal liest, wirst du ihn auch verstehen.
Ich hoffe, der Schleier lüftet sich.
• Zu deinem Kommentar an B Baa: Ein Vertrag ist ein Abkommen zwischen zwei Staaten, der die Staaten bindet etwas zu tun oder zu unterlassen. Wie die EU unter sich die Einhaltung ihrer Verträge regelt setzt für die Schweiz keine Massstäbe. Das wäre wie »nur ein bisschen stehlen« oder »halt doch ein bisschen Minarette bauen«, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Deine Bemerkung, dass du dich auch von AusländerInnen behandeln lassen würdest, zeigt ja, die Toleranz kommt immer erst mit der Notwendigkeit 😉
• Zu deinem Kommentar an Hasira: Die Aufgabe grundlegende Veränderungen in einer Gemeinde aufzugleisen, zu fordern und im Volk bekannt und beliebt zu machen – oder zumindest deren Notwendigkeit aufzuzeigen, kann nie Sache einzelner Personen sein. Das birsfälder.li leistet da einen kleinen Beitrag. Einen wesentlicheren Beitrag erwarte ich eigentlich von den Birsfelder Parteien, die aber offenbar einen gewaltigen Dornröschenschlaf schnarchen …