Da hat sich Herr Röschti* in seinem Erst-August-SVP-Inserat über einige Worte ausgelassen, deren Bedeutung er wohl gänzlich anders interpretiert als ich:
Fünfmal kommt in seiner »Ansprache« das Wort Freiheit vor. Wenn Freiheit die Möglichkeit ist aus verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, dies ohne Zwang oder Nötigung, ist es im Moment die SVP, die meine Wahlmöglichkeiten massiv einschränkt.
So zum Beispiel bei den bilateralen Abkommen mit der EU (die auch dreimal vorkommen). Die SVP und mit ihr Herr Röschti wollen diese bilateralen Abkommen beibehalten. Aber schränken mit ihrer MEI** die Möglichkeit diese tatsächlich zu behalten massiv ein.
Erstaunlicherweise nur zweimal kommt das Wort Sicherheit vor. Das ist nach den Anschlägen in Frankreich und in Deutschland nicht weiter erstaunlich (man will ja nicht vom Elend profitieren, ist später nachholbar). Es mag jetzt schon fast blasphemisch klingen, aber vergessen wir doch nicht, dass in Frankreich wie in Deutschland die Zahl der Verkehrstoten in den letzten zehn Jahren pro Jahr wesentlich höher lagen (3500–5000). Ebenso übersehen wir leicht, dass die Sicherheitskräfte aller Länder Amokläufe oder Amokfahrten von Einzeltätern nicht vorhersehen können. Da sei auch an Benjamin Franklin erinnert: »Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.«
Rund zehnmal bewegt sich Herr Röschti im Wortfeld Unabhängigkeit / Selbstbestimmung / Eigenständigkeit. Wer heute noch glaubt, dass in einer globalisierten Welt, in der alle Staaten immer näher zusammenrücken, ausgerechnet die kleine Schweiz selbstbestimmt, eigenständig und unabhängig agieren kann, sei dies im Verkehr, im Handel oder in der Gesetzgebung, gehört zu den Visionären, wie sie der Herr Chefideologe der SVP in die Psychiatrie wünscht.
Und da werden zu Beginn des Inserats ja auch noch unsere Väter und Mütter (macht sich immer gut) heraufbeschworen, unsere Vorfahren, die diese Freiheiten, Sicherheit und Wohlstand errungen haben.
Dabei geht aber oft vergessen, dass alle diese Freiheiten, Sicherheit, Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit mit vielen Konzessionen erkauft wurden, ja der Schweiz gar diktiert wurden.
Wer dazu mehr wissen will als Herr Röschti, der lese bei der Westschweizer Journalistin Joëlle Kunz nach: »Die Schweiz – oder die Kunst der Abhängigkeit«. Oh, schon wieder eine Buchempfehlung (und erst noch NZZ-Verlag).
*Ja ich weiss, Rösti. Aber Röschti tönt beim Lesen einfach besser.
**Masseneinwanderungsinitiative
François Bourgeois
Aug 5, 2016
Könnte es sein, dass der Herr mit Vorname “Bratwurscht” heisst?