Die Initiative »Kompass Europa« will, dass sich die Schweiz nicht an die EU bindet.
Autonomiesuisse heisst die Bewegung, die sich skeptisch gegen neue EU-Verträge zeigt.
Die Superreichen der Schweiz wollen sich die Schweiz krallen. Ein Bündnis der Egoisten?
Wenn sich drei Superreiche der Partners Group eine Initiative basteln, kann man sich in guten Treuen fragen: wem soll das nützen?
Die Initianten sind
• Urs Wietlisbach, 2,75 Milliarden Vermögen,
• Alfred Gantner, 2,75 Milliarden Vermögen und
• Marcel Erni, 2,75 Milliarden Vermögen.
Die Kompass-Initiative erklärt durch seine Initianten:
Die Kompass-Initiative sichere die direkte Demokratie in der Schweiz. Diese sei zurzeit unter Druck. Der Bundesrat stehe in Verhandlungen mit der EU zu den künftigen Beziehungen Schweiz-EU. Die Verhandlungen würden darauf hinauslaufen, dass die Schweiz automatisch EU-Recht übernehmen und den Europäischen Gerichtshof der EU als rechtliche Instanz akzeptieren müsse. Das komme einer passiven Mitgliedschaft in der EU gleich und unsere direktdemokratischen Mitbestimmungsrechte würden untergraben. Die Kompass-Initiative wolle das verhindern, indem sie die dynamische Rechtsübernahme verunmögliche und das obligatorische Referendum bei völkerrechtlichen Verträgen einführe. Weitreichende Staatsverträge, bei denen die Schweiz Teile ihrer Souveränität bei der Festlegung der geltenden Gesetze an Dritte abtritt, sollen von Volk und Ständen beurteilt werden.
Die Schweiz sei erfolgreich, weil sie direkt-demokratisch, unabhängig und weltoffen ist. Das müssen wir bewahren. Wir müssen weiterhin mit jedem Land Verträge auf Augenhöhe abschliessen können, um unsere Standortvorteile zu erhalten. Nur so bleibe die Schweiz wettbewerbsfähig, erfolgreich und frei.
Nun gibt es laut Blick weitere Superreiche, die diese Initiative und/oder Autonomiesuisse und deren Ideen unterstützen, z.B.
• Bernhard Alpstaeg, 1,75 Milliarden Vermögen, engagiert sich an der Spitze des EU-skeptischen Bündnisses Autonomiesuisse.
• Daniel Aegerter, 650 Millionen Franken Vermögen, engagiert sich bei der Kompass-Initiative.
• Giorgio Behr, 425 Millionen Franken Vermögen, engagiert sich im Komitee Autonomiesuisse.
• Jörg Wolle, 375 Millionen Franken Vermögen, Verwaltungsratspräsident von Kühne und Nagel, sitzt im Komitee der Kompass-Initiative.
• Hans-Peter Zehnder, 125 Millionen Franken Vermögen, ist bei Autonomiesuisse engagiert.
Gegen die Kompass-Initiative stellen sich …
… economiesuisse und sagt dazu:
Der bilaterale Weg bietet der Schweiz eine Win-Win-Situation: Einerseits hat unsere export-
orientierte Volkswirtschaft dank den Bilateralen Marktzugang zur wichtigsten Handelspartnerin. Andererseits kann unser Land als Nicht-EU-Mitglied wie bisher eine eigenständige Standortpolitik verfolgen. Mit den Bilateralen III soll dieser Erfolgsweg fortgesetzt werden. Die neue Kompass-Initiative hingegen will, dass die Schweiz den Pfad verlässt und abbiegt – ins Abseits.
… swissmem und sagt dazu:
Swissmem unterstützt Bilaterale III. Der erodierende Markzugang und die Unsicherheit über die Zukunft der Beziehungen zur Europäischen Union (EU) sind schädlich für die Schweizer Tech-Industrie (MEM-Industrie und verwandte Technologiebranchen). Der europäische Markt ist für die Branche mit ihren rund 330’000 Mitarbeitenden mit über 55% Exportanteil bei weitem der wichtigste. Die Unternehmen sind auch auf die Rekrutierung von Fachkräften und die Teilnahme an Forschungs- und Innovationsprojekten angewiesen. Zudem ist ein Stromabkommen zentral. Deshalb unterstützt Swissmem die Sicherung des bilateralen Wegs.
Die Zeit ist reif für die Bilateralen III: Über zwei Drittel der Stimmberechtigten befürworten ein Verhandlungsmandat zur Weiterentwicklung des bilateralen Wegs mit der EU. Und über 70 Prozent der Stimmberechtigten sprechen sich für die Inhalte des Vertragspakets der Bilateralen III aus. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage von gfs.bern im Auftrag von economiesuisse, Schweizerischer Arbeitgeberverband (SAV), Interpharma, Schweizerischer Bankiervereinigung (SBVg) und Swissmem.
… die böse WOZ und sagt dazu:
Im Kern fordert die Initiative nichts anderes, als dass weitreichende Staatsverträge dem obligatorischen Referendum mit Ständemehr zu unterstellen seien. Ein solches ist bisher nur bei Staatsverträgen erforderlich, die einen Beitritt zu supranationalen Gemeinschaften zur Folge hätten, also etwa zur EU. Bei allen anderen Verträgen genügt das Volksmehr, so war es auch bei den bilateralen Abkommen. Bei deren Ausweitung, über die derzeit in Brüssel noch verhandelt wird, bleibt das die verfassungsrechtliche Grundlage. Das stellte auch ein lesenswertes Gutachten des Bundesamts für Justiz vergangenen Frühling klar.
Das Ständemehr kann bei Fragen des föderalistischen Zusammenlebens seine Berechtigung haben. Doch von einer Erneuerung der Bilateralen wären von Genf bis Rorschach alle Einwohner:innen und Kantone gleichermassen betroffen. Vor allem aber führt das vormoderne Relikt des Ständemehrs regelmässig zu einer grotesken Verzerrung des Willens der Stimmenden. Kommt es bei Initiativen zur Anwendung, dann zählt die Stimme einer Urnerin heute 41-mal mehr als die eines Zürchers, eine Verletzung des Grundsatzes der Abstimmungsdemokratie: eine Person, eine Stimme.
Dennoch haben rechtsnationale Kreise immer wieder versucht, das Ständemehr auch bei Staatsverträgen einzuführen. Die Absicht dahinter ist so simpel wie durchschaubar: Über die kleinen Kantone, in denen sie stark sind, wollten sie sich eine Vetomacht sichern.
Ich bin überzeugt, dass die Wirtschaft Regeln braucht und diese kann und darf sie sich nicht selbst geben — und auch nicht mit dem Ständemehr ertricksen. Wenn sie allgemeinen Interessen und nicht der zügellosen Selbstbereicherung Einzelner und dem Recht der Stärkeren dienen soll, müssen solche Initiativen sehr kritisch angeschaut werden. Da ist das wahre Volksmehr und nicht das aufgemotzte Volksmehr massgebend.
Und zum Schluss noch dies:
Unabhängigkeit und Abhängigkeit lassen sich nicht immer in einen Gegensatz zueinander stellen, weder zeitlich noch sachlich. Man macht einen Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Schweizer Geschichte, wenn man weiss, dass beide existieren und dass die Abhängigkeit jenen Kerker nicht verdient, in den die Unabhängigkeit sie gesperrt hat.
(Joëlle Kuntz)