Heute feiern wir das Osterfest — traditionell das Fest der Auferstehung des Jeshua ben Joseph aka Jesus von Nazareth, “gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, / hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten” (apostolisches Glaubensbekenntnis).
Allerdings dürfte es vielen von uns zurzeit nicht sehr nach Auferstehung zumute sein. Ganz abgesehen davon, dass der Begriff “Auferstehung” in der modernen Theologie so zerredet und weggeredet wurde, dass den meisten Kommentatoren in den Zeitungen heute neben ein paar Platitüden und moralischen Betrachtungen nicht mehr allzuviel einfällt.
Covid19 hat uns — ob wir wollen oder nicht — wieder einmal klar mit unserer Sterblichkeit konfrontiert. Zwar sind in Syrien seit dem Beginn des Bürgerkriegs so gegen 400’000 Menschen ums Leben gekommen. Aber das war ja weit weg. Die Sargkolonnen in Norditalien waren da schon etwas näher, und — obwohl wir ja wissen, dass wir alle sterblich sind, es aber meist tunlichst in den Hintergrund unseres Bewusstseins verschieben — müssen wir uns mehr oder weniger angstbesetzt mit der Frage nach dem Leben und Sterben auseinandersetzen.
Was uns aber fast durchgehend noch weniger klar ist, ist die Tatsache, wie stark unsere Beziehung zum Tod von meist unbewussten Vorgaben geprägt ist. Um das deutlich zu machen, erlaube ich mir, zum Phänomen des physischen Todes einfach einmal zwei radikal entgegengesetzte Extrempositionen gegenüberzustellen und sämtliche Zwischenpositionen aussen vor zu lassen:
Position 1: Wir Menschen sind ein reines Zufallsprodukt eines blinden Evolutionsprozesses. Wir leben auf einem Planeten inmitten eines toten, kalten Universums, das sich einen Teufel darum kümmert, ob wir Menschen überhaupt existieren. Logisch — denn das Universum kann sich gar nicht darum kümmern, weil es kein Bewusstsein hat. Jacques Monod hat mir diese These in den 70-er Jahren in seinem Buch “Zufall und Notwendigkeit” eindrücklich vor Augen geführt.
Bewusstsein haben wir Menschen lediglich als ein Epiphänomen unserer Gehirnentwicklung entwickelt. Das erlaubt uns im Übrigen, die bewusstlose Natur inklusive Tierwelt ganz nach unserem Belieben auszubeuten. Gesteuert werden wir von unseren Genen, die uns auf das Überleben programmiert haben (Richard Dawkins “Das egoistische Gen”). Wir wollen zwar nicht gerade dem Credo Adolf Hitlers folgen, das nur der Stärkste das Recht auf Leben hat, — aber harte Konkurrenz ist natürlich ein integraler Bestandteil des Daseins.
Nach dem Tod versinken wir schlicht und einfach im Nichts, wie wenn es uns nie gegeben hätte. Wenn wir genug Geld haben, lassen wir uns kryonisieren in der Hoffnung, vielleicht irgendwann einmal ein paar Jährchen anhängen zu können (und vielleicht nicht gerade das Pech zu haben, wie Woody Allen in “Der Schläfer” in einer Orwell’schen Diktatur aufzuwachen 😉
Es gilt deshalb, das Maximum an Genuss aus diesem einen Leben herauszuholen,- was viele “Gutmenschen” einfach nicht begreifen wollen :-(.
Der Glaube an eine höhere Gewalt ist Kinderkram (Richard Dawkins “Der Gotteswahn”). Aber man kann das durchaus politisch ausnutzen, wie Donald Trump es gerade mit dem evangelikalen Stimmfutter demonstiert. Und das der freie Wille eine glatte Illusion ist, — darüber brauchen wir gar nicht mehr zu diskutieren.
Position 2: Wir Menschen sind unsterbliche spirituelle Wesen, die sich gelegentlich in einem physischen Körper inkarnieren, um bestimmte Lernprozesse zu durchlaufen. Das Universum ist ein bewusster, lebendiger Organismus, — und damit unsere Erde auch. Wir sind ein Teil dieses lebendigen Universums, und es ist uns aufgetragen, uns in die grosse Harmonie der Schöpfung bewusst zu integrieren.
Bewusstsein steht sogar ganz am Anfang jeglicher materieller Schöpfung. Unser Gehirn ist lediglich ein Filter, der uns den Zugang zu den auf dieser Erde benötigten Bewusstseinsfrequenzen ermöglicht. Es ist auch glatte Hybris anzunehmen, dass wir die einzigen bewussten Wesen in den vielen Multiversen sind (Giordano Bruno hatte im 16. Jahrhundert das Pech, diese Idee zu äussern — was ihm dann leider den Scheiterhaufen auf dem Campo de’Fiori in Rom einbrockte …).
Der Mensch ist seinem innersten Wesen nach “ein Gutmensch”, aber dieser innere göttliche Kern wurde über Aeonen hinweg langsam überdeckt mit einer Instanz, die wir heute “Ego” nennen, — und es ist unsere Aufgabe, über viele Inkarnationen und Erfahrungen hinweg diesen göttlichen Kern in uns wieder zum Strahlen und Leuchten zu bringen. Der Mensch ist seinem innersten Wesen nach frei, und er gestaltet sein Schicksal und seine Entwicklung aufgrund seiner Gedanken, Worte und Taten, für die er als freies Wesen die volle Verantwortung übernimmt.
Und wie steht es mit dem österlichen Auferstehungsgedanken bei diesen beiden Positionen?
Position 1: “Gott ist tot”! Der Gedanke an irgendeine Auferstehung nach dem Tod oder die Weiterexistenz unseres Bewusstseins nach dem Tod des physischen Körpers ist zwar tröstlich und mag schwachen Gemütern etwas inneren Halt geben, ist aber natürlich absurd.
Position 2: Gott als das unfassbare Mysterium und der Quell aller Schöpfung ist — jenseits von Raum und Zeit — höchst lebendig und durchdringt alles bis zum kleinsten Kieselstein. Unser physischer Leib stirbt zwar, aber letztlich ist der Tod eine Illusion. Das hat Jeshua ben Joseph, dem es gelang, in seinem Leben das volle Gottes/Christusbewusstsein zu erlangen, demonstiert, indem er sich freiwillig kreuzigen liess, um nachher seinen Schülern wieder umso lebendiger zu erscheinen. Er war nicht mehr oder weniger “Gottesohn” als wir alle. Er war uns lediglich einen oder zwei Schritte voraus.
Gott ist bedingungslose Liebe, die uns alle Freiheit schenkt, Fehler zu machen und uns so dank unseren Erfahrungen zu entwickeln. Der Glaube, er habe seinen “einzigen Sohn” wegen “der Erbsünde” geopfert, um seinen Zorn auf das Menschengeschlecht zu besänftigen, ist absurd.
(Wem diese Position etwas ungewohnt erscheint: Das war die Überzeugung der sog. gnostischen Christen, deren Schriften nach der Entstehung des “orthodoxen” Kirchenglaubens ausgerottet und verbrannt wurden, genauso wie die gnostischen Christen selber. Der reine Zufall wollte es, dass 1945 in Nag Hammadi ein paar dieser Schriften und Evangelien wieder entdeckt wurden. Sie zeichnen ein völlig anderes Bild von Jesus als die kirchlichen Traditionen).
Vielleicht lohnt es sich für die geneigte Leserin und den geneigten Leser, einmal etwas nachzuforschen, was die eigene Position ist: 1 oder 2 oder irgendeine der vielen Möglichkeiten dazwischen?