Wer kennt ihn nicht, den “Ueli” an der Basler Fasnacht? — Auch wenn er an “de drey scheenste Dääg” einiges seltener anzutreffen ist als der allgegenwärtige Waggis, gehört er doch mit seinen beiden stilisierten Eselsohren zu den stimmungsvollen Fasnachtsfiguren. Und er schaffte es 2010 immerhin auf die Sonderplaquette für den 100-jährigen Geburstag der altehrwürdigen Tradition.
Auf baslerfasnacht.info können wir unter anderem nachlesen:
Der Ueli hat sein Vorbild im mittelalterlichen Hofnarr, dessen Attribute auch sein Kostüm prägen. Zum einen ist da die Narrenkappe, die auf die sogenannte Gugel (eine Art Kapuze) zurückzuführen ist. Oft ist sie mit einem Kamm versehen. Dieser hat seinen Ursprung im Hahnenkamm, galt doch der Hahn im Mittelalter als die Verkörperung des Lasters und der sexuellen Begierde. Seitlich davon stehen zwei Stoffhörner ab. Sie versinnbildlichen die Eselsohren und haben sich als weiteres Merkmal des mittelalterlichen Narren herausgebildet. Der Esel verkörperte damals das Laster der Trägheit, war dumm und somit unwissend.
Dumm — faul — giggerig … Das tönt ja nicht gerade positiv. Dann doch lieber ein Ueli-Bier aus der Fischerstube 😉
Doch woher kommt der “Ueli”?
In Sebastian Brants Narrenschiff, das wir noch genauer kennenlernen werden, begegnen wir Ende des 15. Jahrhunderts auf einer Abbildung einem Uly von Stouffen. Offensichtlich verkörpert er einen Narren, hält er doch Spiegel und Trinkbecher in der Hand. Es ist gut möglich, dass sich daraus die Bezeichnung “Ueli” für einen Narren abgeleitet hat.
Ortswechsel: Troyes, ein schönes altes Städtchen der Champagne im Jahre des Herrn 1372. Die Stadtregierung erhält anfangs des Jahres Post vom König Karl V. persönlich:
»Karl, durch Gottes Gnade König von Frankreich, entsendet den Bürgermeistern und Schöffen unserer guten Stadt Troyes, seinen Gruß und sein Wohlwollen. Wir lassen die genannten Herren wissen, daß Thévenin, unser Hofnarr, von dieser in eine andere Welt gegangen ist. Gott, der Herr möge seiner Seele gnädig sein. Er ist seinem Dienst bei unserer königlichen Hoheit stets getreulich nachgekommen und wollte nicht einmal hinscheiden, ohne einen Spaß und eine lustige Farce zum besten zu geben, wie es sein Metier war. Deshalb haben wir angeordnet, daß ihm ein Grabstein errichtet werde, auf dem besagter Herr nebst einem entsprechenden Grabspruch dargestellt werden soll.
Da nun durch das Hinscheiden desselben das Amt des Narren in unserem Hause frei ist, haben wir befohlen und befehlen wir den Bürgern und Bauern unserer guten Stadt Troyes, daß sie uns nach dem Recht, das sie schon vor langen Jahren erworben haben, einen Narren aus ihrer Stadt schicken sollen, um unsere Majestät und die Herren in unserem Palast zu ergötzen. Dies befolgend, tun sie Recht an unseren königlichen Privilegien, und als Belohnung sollen besagte Bürger und Bauern für immer unsere treuen und geliebten Untertanen sein. All dies geschehe ohne Aufschub, denn wir wollen, daß besagtes Amt nicht mehr lange freisteht. Geschrieben in unserem Palast am 14. Januar des Jahres 1372.«
Troyes war nicht wenig stolz auf diese Tradition. Leider erwies sich der Brief später als eine Fälschung.
Keine Fälschung ist hingegen die Tatsache, dass Narren an königlichen Höfen — und nicht nur dort — bis in die Neuzeit eine eminent wichtige Rolle spielten. Maurice Lever, Autor des Buches “Zepter und Schellenkappe. Zur Geschichte des Hofnarren”, auf den ich immer wieder zurückkommen werde, schrieb dazu:
Die Funktion des Narren für seinen Herrscher glich keiner anderen Rolle am Hofe: Er war weder Diener noch Beamter, weder Höfling noch Günstling, ja nicht einmal ein Spielmann oder Gaukler, die zur Unterhaltung des Fürsten angestellt waren. Zwar erhielt er ebenso wie letztere sein Gehalt dafür, daß er den König von den Staatsgeschäften ablenkte; aber sowohl seine Stellung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit als auch seine symbolische Bedeutung machten ihn eher zum privilegierten Partner des Monarchen.
Der Narr war ständig an der Seite seines Gebieters, ebenso im öffentlichen wie im Privatleben. Er begleitete ihn überallhin, auf Reisen, zur Jagd und in den Rat, wo er manchmal sogar an den Diskussionen teilnahm. Er folgte dem König in seine Privatgemächer, ja bis ins Schlafzimmer seiner Mätresse. Er konnte sich fast unbegrenzte Freiheiten ihm gegenüber herausnehmen. Er nannte den König beim Vornamen, duzte ihn, unterbrach ihn einfach, kritisierte und beriet ihn, ahmte ihn spöttisch nach, fuhr ihn grob an oder schmeichelte ihm, ohne sich jemals auch nur den geringsten Verweis einzuhandeln.
Diese Freimütigkeit erscheint fast unglaubhaft, wenn man bedenkt, was jeden anderen schon eine einzige dieser Vertraulichkeiten gekostet hätte. Dem Narren aber, und nur ihm allein, schien alles erlaubt zu sein; er durfte alles tun, alles sagen, selbst (und vor allem) die Wahrheit, so beleidigend sie seinem Herrn erscheinen mochte.
Das ist doch erstaunlich. Wie kommt es, dass ein Tölpel eine solche Position innehatte? Oder war der Hofnarr vielleicht gar keiner!? Wie uns die Geschichten um Till Eulenspiegel aufzeigen, kann ein Narr ja auch ganz schön gerissen sein!
Willkommen auf meinem Narrenspaziergang quer durch die Jahrhunderte in Europa, (aber nicht nur). Und dieser Spaziergang ist für eine ganze Reihe von Überraschungen gut, versprochen!
Fortsetzung: Sa, den 13. März
ibis
Mrz 6, 2021
Klingt für mich fast so, als brauche, wer keine Freunde hat, zumindest einen Narren. Interessanter Gedanke!
Freue mich auf die Serie und sage ganz ernsthaft danke!
max feurer
Mrz 6, 2021
Danke für das Danke, — werde mir Mühe geben müssen 😉
Ich denke, der Narr hatte die entscheidende Aufgabe dafür zu sorgen, dass der König nicht “abhob” und immer wieder auf den Boden der Wirklichkeit und der Wahrheit gestellt wurde. Ludwig der XIV. hatte keinen Narren mehr …
ueli kaufmann
Mrz 6, 2021
Als Namensvetter, oder besser Narrensvetter, fühle ich mich angesprochen.
Als Kind mochte ich meinen Namen nicht und im Alter von ca. 16 Jahren begann ich mich für die Bedeutung zu interessieren. Zwei Varianten:
Variante 1
Ulrich entstand aus uodal rihhi (althochdeutsch), was soviel bedeutet, wie reicher Erbe.
Variante 2
Ulrich entstand aus uhl rihhi, was so viel bedeutet, wie reiche Eule, oder eben, reich an Weisheit.
Egal, was dem einen sin Uhl ist dem anderen sin Nachtigall.
Zwei Bemerkungen am Rand: Mein erster aktiver Fasnachtsauftritt war als „Ueli“, und dass der Namenstag des Bischofs Ulrich von Augsburg (um 950 n.Chr.), später heilig gesprochen, der 1. August ist, ist eine ganz andere Geschichte.
max feurer
Mrz 6, 2021
Wenn wir schon mal bei der Bedeutung von Vornamen sind:
Schon mal was von Onomastik gehört?
Eine Hitparade, wie Namen heute wirken, zeigt, dass Florian und ich in der birsfaelder.li Redaktion eindeutig die Nase vorne haben ;-):
https://www.onomastik.com/Vornamen-Lexikon/name_266_Ulrich.html
https://www.onomastik.com/Vornamen-Lexikon/name_664_Max.html
https://www.onomastik.com/Vornamen-Lexikon/name_142_Franz.html
https://www.onomastik.com/Vornamen-Lexikon/name_966_Florian.html
Franz
Mrz 6, 2021
Hmm. Da geht es mir ja offenbar ganz schlecht.
Stellt sich einfach noch die Frage, was der Mengenrabatt bringt 🙂