2012 wurde mit dem Raumplanungsgesetz des Bundes vorgeschrieben, dass bei neu oder dauerhaft der Bauzone zugewiesenem Boden eine Mehrwertabgabe von mindestens 20% erhoben wird.
2013 hatte Münchenstein beschlossen bei werterhöhenden Zonenplanänderungen einen Mehrwertanteil abzuschöpfen. Regierungsrat und Kantonsgericht haben dies abgelehnt. Das Bundesgericht hat am 16. November 2016 aber festgehalten, dass die Gemeinde das machen kann, solange der Kanton diese Kompetenz nicht selbst wahrnimmt.
Am 13. Dezember 2016 hat die Regierung dann dem Landrat eine Vorlage zugestellt, die eine Abgeltung von Planungsmehrwerten regeln soll. Die hatten wohl Angst bekommen, nichts abzubekommen — und dies 4 Jahre nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes!
Und jetzt im Februar 2019, also 7 Jahre nach Inkrafttreten der Bundesregelung hetzen uns der Regierungsrat und der Landrat ihrer Regelung zuzustimmen, siehe Abstimmungsbüchlein, weil sonst am 1. Mai 2019 ein Einzonungsstopp verfügt wird.
Und das mit einer Regelung, die die Gemeinden wieder einmal finanziell übers Ohr haut, zugunsten des Kantons wie meistens — und zugunsten der Haus- und Landeigentümer. Irgendwie sollen offenbar die Gemeinden die Kantonsfinanzen sanieren, dabei macht dies ja scheint’s schon die bürgerliche Mehrheit in Regierung und Landrat 😉
Um was geht es?
Da will sich also der Kanton 75% der Planungsmehrwertabgaben unter den Nagel reissen. Dies unter dem Vorwand bei entschädigungspflichtigen Rückzonungen einen Ausgleich schaffen zu können.
Da gibt es also Gemeinden, die haben zu viel Bauland eingezont. Wenn sie Rückzonen müssen, bekommen die Landbesitzer eine Rückerstattung aus diesem Sammelkessel.
Aber nicht nur das: Das Gesetz untersagt es den Gemeinden auch auf Mehrwerte durch Aufzonung oder Umzonung von Bauzonen eine Abgabe zu verlangen. So ganz im Sinne der Bauland‑, Haus- und Immobilienbesitzer, so ganz im Sinne »the poor stay poor and the rich get rich« (Leonard Cohen).
Nun wird Birsfelden kaum einmal in die Lage kommen, bei Bauland Rückzonungen vorzunehmen. Das Aufzonen von Grundstücken wird eher die Regel sein, eine Mehrwertabgabe dafür aber verbietet der Kanton.
Aber 75% der Mehrwertabgabe gehen an den Kanton, obwohl er dafür nichts für Birsfelden leistet.
Gemeinden jedoch, die eine Rückzonung vornehmen müssen, weil sie früher zu grosszügig Einzonungen vorgenommen haben, werden dann die fällig werdende Rückerstattung z.B. von Birsfelden bezahlt bekommen 🙂
In der Vernehmlassung wurde vor allem auch das Festhalten an den minimalen 20% des Mehrwerts reklamiert und zwischen 30–50% Mehrwertabgabe verlangt. Darüber haben sich Regierungs- und Landrat grosszügig hinweg gesetzt.
Wie sahen dies den »unsere Landratenden« des Wahlkreises Birsfelden/Muttenz?
Da ja dieses Jahr auch bald Landratswahlen sind, schauen wird doch einmal die Präferenzen unserer Landratenden im Wahlkreis Muttenz/Birsfelden an:
Die Ja-Sager zu diesem Gesetz waren Simon Oberbeck CVP, Christof Hiltmann FDP, Dominik Straumann SVP und Anita Biedert SVP.
Die Nein-Sager waren Sara Fritz EVP, Jürg Wiedemann G‑U, Désirée Jaun SP, Roman Brunner SP und Kathrin Schweizer SP.
Meine Meinung zur Sache
Die Baselbieter Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stimmten den Änderungen des Raumplanungsgesetzes in der Volksabstimmung vom 3. März 2013 mit einer Mehrheit von über 70% zu und sprachen sich damit explizit dafür aus, dass das zuvor nicht verbindlich vorgeschriebene Prinzip der Mehrwertabgabe in der ganzen Schweiz zwingend eingeführt werden muss. Dass sich Regierungs- und Landrat zu einer Minimallösung entschieden haben, ist schlicht und einfach nicht verständlich, nicht haltbar.
Dass den Gemeinden in diesem Gesetz schlicht und einfach verboten wird (die Gemeinden sind nicht berechtigt, weitergehende Mehrwertabgaben zu erheben) individuelle Abgaben einzuführen, z.B. auf Aufzonungen oder Umzonungen, ist schlicht und einfach nicht verständlich. Gab es da nicht einmal das Wort Gemeindeautonomie? Oder zählt dieses Wort nur, wenn es darum geht, dass die Gemeinde für etwas bezahlen muss?
Auch die Aufteilung der geplanten Mehrwertabgabe (25% Gemeinden und 75% Kanton) zeigt einmal mehr, dass die Gemeinden wie Kühe gemolken werden. Sind es doch die Gemeinden, die bei Ein‑, Auf- und Umzonungen für die entsprechende Infrastruktur aufkommen müssen …
Ich plädiere dafür, dass zu diesem für die Gemeinden nachteiligen Gesetz ein NEIN in die Abstimmungsurne gelegt wird. Ich denke, wenn 70% der Baselbieter Stimmenden das Raumplanungsgesetz für gut und zweckdienlich gefunden haben, dann soll auch der Kanton Basel-Landschaft etwas dazu leisten, und zwar nicht nur das Minimum.
Zwei Gemeindepräsidenten haben dazu je ihre ganz eigene Meinung, sehen und hören Sie selbst. Ausnahmsweise kann ich die Meinung unseres FDP-Gemeindepräsidenten zu diesem Thema nicht teilen …
Und noch ein Blick in die Zukunft
Eigentlich wollte sich der Kanton von allen Mehrwertabgaben bei Planungsmehrwerten ausnehmen. Das wurde teilweise mit einem Gummiartikel verhindert:
»Der Kanton, die Einwohner‑, Bürger‑, Burgergemeinden und Landeskirchen sowie die Stiftung Kirchengut sind von der Mehrwertabgabe befreit, sofern die betroffenen Grundstücke unmittelbar der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen.«
Tja, was ist die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe?
Denken wir nur einmal an den Birsfelder Hafen. Das www.birsfälder.li hat sich mit der Zukunft des Hafens auseinandergesetzt. Am 24. März 2014 und am 31. Oktober 2017, hier können Sie etwas über die Zukunft des Birsfelder Hafens lesen. Wir meinen, er habe über kurz oder lang keine mehr.
Auch Sven Frey hat sich vor einiger Zeit dir Zukunft des Hafens vorgestellt und selbst die Gemeinde Birsfelden war nicht untätig. Die Resultate sehen Sie hier, links die Idee von Sven Frey und rechts die Idee der Raumplaner Wirz-VolpatoHatz, hier noch etwas umfassender.
Nehmen wir einmal an, die Hafenwirtschaft muss wegen mangelnder Erreichbarkeit durch die Schifffahrt wirklich abspecken oder mit der Zeit fast ganz schliessen. Dann wird das Land des Kantons Basel-Landschaft nicht mehr Gewerbe- oder Was-sonst-noch-Gebiet sein, sondern wird umgezont in eine Wohnzone W5-20 oder so. Nun soll also die Gemeinde keinen Mehrwert abschöpfen dürfen? Und dies, nachdem der Kanton sich über Jahrzehnte um Steuern oder Abgeltungen gedrückt hat?
Christof Hiltmann
Jan 18, 2019
Lieber Franz
Besten Dank für deine kritische Auseinandersetzung mit dem wichtigen Abstimmungsthema. Weil ich mich intensiv mit der Vorlage auseinandergesetzt habe, würde es mich interessieren, was Dir genau an meiner Argumentation missfällt.
Meine Haltung ganz kurz:
Generelle Aufzonungen bringen der Gemeinde die heutzutage geforderte Verdichtungsqualität (Grün-Freiraum, Soz. Zusammenleben, Verkehr) nicht, da die Grundeigentümer die Mehrnutzung ohne Qualitätsvorgaben umsetzen können. Das teilweise erschreckende Resultat von ‘wilder’ Verdichtung kann man in unserem Kanton immer mehr beobachten. Darum soll man diese Art der Verdichtung nicht fördern, indem man der Bevölkerung dabei Mehreinnahmen in Aussicht stellt. Sondernutzungsverfahren (QP) sind da viel zielführender, weil die Gemeinde bei diesen Verfahren qualitative Vorgaben machen und gemäss Gesetzesvorlage eben explizit Abgaben einfordern kann. Die von dir geforderte Wohnungsvielfalt und Förderung von gemeinnützigem Wohnraum kann man nur mit solchen Verfahren sicherstellen. Das hat also nichts mit verhinderter Gemeindeautonomie zu tun, sondern entspricht inhaltlich dem Willen des von Dir erwähnten eidg. RPG: Verdichtung mit Qualität. So wie es Birsfelden verdient.
PS: und Umzonungen erfolgen heutzutage sowieso nur noch im Rahmen von QP’s
Franz Büchler
Jan 18, 2019
Lieber Christof
Du hast mit einem Sondernutzungsverfahren in Birsfelden tatsächlich gute Erfahrungen gemacht. Das Gebäude steht zwar noch nicht, aber sei’s drum.
Warum kann sich denn eine Gemeinde nicht einfach für das jeweils angemessenste Verfahren entscheiden, das einem Projekt gerecht wird? Eine Mehrwertabgabe bei Auf- und Umzonungen ODER ein Sondernutzungsverfahren. Man müsste im Gesetz doch einfach beides gleichwertig erfassen — und nicht einfach in »Totalbürgerlichkeit« verbieten?
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Was Sondernutzungsverfahren betrifft, da bin da eher pessimistisch. Ich glaube nicht, dass immer die der Gemeinde entstehenden Kosten einer Um- oder Aufzonung durch »Quartierpläne« (Infrastruktur, Schulen, etc., etc.) abgegolten werden können. Schön, wenn man sie sicher stellen könnte. Dazu sind mir aber die im Gesetz festgelegten Regeln zu schwammig.
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Was mich nebst all dem aber am meisten ärgert ist, dass sich der Kanton bei Neueinzonungen mit dem absoluten Minimum zufrieden geben will. Hier verstehe ich die Welt nicht mehr. Als Einwohner Birsfeldens müsste es mich nicht ärgern, denn in Birsfelden stehen kaum grosse Einzonungen an, aber ich bin auch Einwohner eines Kantons und eines Landes.
Und genau so ist es auch mit der Abschöpfung der Mehrwertabgabe durch den Kanton. Auch da hält er die Gemeinden kurz und versucht sich selbst mit 75% zu sanieren.
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Und zuletzt: Da droht uns Stimmenden der Kanton mit einem Einzonungsverbot und hat davor sechs Jahre geschlampt bei der Umsetzung, genauer seit 2012.