Wenn wir den exorbitanten Lohn und Bonus eines Bankers, der eine Bank führt, die extreme Bussen einfährt und kaum Steuern bezahlt, weil die Gewinne davon aufgefressen werden und den Lohn eines Gleisbauers, der in der Sommersonne und bis in alle Nacht arbeitet, damit am Morgen die Züge wieder fahren können, vergleichen, kann man sich fragen:
Verdient oder bekommen? Leistung oder nur Status?
Ist das Nachdenken über solche Löhne nur dem Neid geschuldet oder können wir das Problem auch einmal »neidlos ökonomisch« anschauen?
Wenn etwas Empörung in der Öffentlichkeit erregt hatte und immer wieder erregt, sind es die Banker-Boni (und die anderer Wirtschaftskapitäne). Sie leben so quasi in einer Parallelwelt. Sie machen Gewinne und bekommen Boni, sie fahren Riesenverluste ein und bekommen Boni, ihre Gesellschaft braucht Milliarden Unterstützung während der Pandemie — und sie bekommen Boni. Eigentlich ganz einfach nach dem Prinzip beim Zocken:
Bei Zahl gewinne ich, bei Kopf verlierst du!
Der erste Artikel zum Thema endete mit
»Verdientes Einkommen setzt die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen voraus.«
Beim unverdienten Einkommen müssen wir zwei Gruppen unterscheiden:
• Ohne Gegenleistung gewährtes Einkommen
• Unverdientes Einkommen, das abgeschöpft wird
Ohne Gegenleistung gewährtes Einkommen oder Transferleistungen
Kinder, Alte, Kranke oder Behinderte können sich kein Einkommen verdienen. Ebenso Menschen die aus den verschiedensten Gründen ihre Arbeit verloren haben und so kein Einkommen haben.
Illustration aus der Erstausgabe von »Oliver Twist« von Charles Dickens, Geschichte eines Armenhauskinds
Normalerweise nehmen wir die Transferleistungen, die diese Menschen bekommen (Arbeitslosengeld, Sozialhilfeleistungen, IV, Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigung) nicht als unverdientes Einkommen wahr.
Es mag zwar immer mehr Egoisten geben, die das nicht wollen, aber wenn alle so denken würden, wäre das eigentlich das Ende der Gesellschaft. Und nicht vergessen dürfen wir auch, dass wir jederzeit plötzlich selbst in der Lage sein könnten, solche Transferleistungen nötig zu haben.
Auch in der Schweiz gibt es immer mehr Gruppierungen die diese Transferleistungen anzweifeln, welche die Kürzung solcher Gelder fordern und die Überwachung der Leistungsbezüger:innen verlang(t)en. Sie kennen diese Gruppierungen, sie brauchen hier nicht genannt zu werden.
Andrew Sayer dazu:
»Jede vernünftige und zivilisierte Gesellschaft würde sich verpflichtet fühlen, solche Menschen zu unterstützen. Wir sollten unser Augenmerk besser auf die unverdient Reichen am anderen Ende der Einkommensskala richten.«
Und das werden wir im nächsten Artikel tun.
Dies ist eine Artikelserie zur 99%-Initiative. Alle erschienenen Artikel mit diesem Link.
Und noch ein Text zur Sache:
Erfolg und Leistung ist nicht dasselbe!
Eine Frage ist, ob diese Leute ihren Reichtum verdient haben.
Sind ihre Gehälter doch eher ein Ausdruck von Erfolg — nicht
von Leistung. Man sollte hier die Macht des Zufalls anerkennen:
Da ist die Lotterie der Gene, die jemanden mit mehr oder
weniger Talent ausstattet; da ist das Glück, zur richtigen Zeit
am richtigen Ort zu sein; zudem könnten miese Eigenschaften
wie z.B. Skrupellosigkeit zum Erfolg geführt haben, ohne dass
eine Leistung dahinter steht.
Lisa Herzog
ibis
Juli 12, 2021
Vielen Dank für die wertvollen Gedanken!
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Für mich am stossendsten bei den Diskussionen um Transferleistungen ist die herbeigeredete Konkurrenz bei diesen tiefsten Einkommen.
Da werden die Schwachen gegen die noch Schwächeren ausgespielt und als Gefahr für die eigene Rente/Unterstützung dargestellt statt den Blick auf diejenigen zu richten, die am anderen Ende und ohne Not wirklich abzocken.
max feurer
Juli 12, 2021
“Kapitalmacht ist nicht harmlos in einer Demokratie. Wenn Sie 100, 500 Millionen besitzen oder eine Milliarde, dann können sie politische Parteien und Strömungen finanzieren. Sie können Politiker finanzieren, Werbekampagnen, Werbeagenturen. Sie können Universitäten finanzieren, Professoren, Institute, Doktoranden. Sie können Denkfabriken finanzieren, die Ideen in ihrem Sinne entwickeln. Sie können Medien kaufen, Zeitungen, Zeitschriften, Radiostationen, Fernsehstationen, — und damit haben Sie als 1/10’000 der Bevölkerung eine immense Macht, um das Denken in der Bevölkerung zu gestalten, die Ordnung der Gesellschaft zu gestalten und die künftigen Technologien”,
sagt Gil Ducommun von der Bewegung Neue Kultur.
Er weist damit — abgesehen davon, dass das immer grössere Auseinanderdriften der Einkommensschere auf die Länge für eine Demokratie brandgefährlich wird — auf die aus meiner Sicht noch grössere Gefahr hin, dass Kapitalmacht Ideen steuern kann. Doch zum Glück gibt es ja das birsfälder.li 😉
Hans-Jörg Beutter
Juli 12, 2021
die hauptverantwortung liegt vorerst noch (!!) beim (ab)stimmungsvolch
buureregle:
»nur die allerdümmschte chälber finanzierä ihri metzger sälber«
(meine leise befürchtung: die schweiz verkommt zur basis-masokratie)
Franz Büchler
Juli 12, 2021
Es gibt ja auch den Kälbermarsch von Bert Brecht, da der aber geschichtlich etwas ernster ist, nur der Anfang:
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Hinter der Trommel her
Trotten die Kälber
Das Fell für die Trommel
Liefern sie selber.