Zurzeit läuft schweizweit die grosse Unterschriftensammlung für die neue Konzernverantwortungsinitiative 2025. Ziel: die 100’000 benötigten Unterschriften innerhalb eines Monats zusammenzubringen.
Zur Erinnerung: Im November 2020 wurde die vom leider inzwischen verstorbenen Ständerat Dick Marty lancierte Konzernverantwortungsinitiative vom Volk angenommen, scheiterte aber am Ständemehr.
Inzwischen ist die Schweiz europaweit in Sachen Konzernverantwortung zum Schlusslicht geworden. Höchste Zeit das zu ändern!
Am kommenden Samstag findet in Birsfelden ab 9 Uhr die zweite Unterschriftensammlung vor der Coop und dem Migros statt.
Eines der Problemfelder, wo dringender Handlungsbedarf besteht, sind Minen in Afrika und Südamerika. Der Baselbieter Ex-Ombudsmann Louis Kuhn ist in Ecuador seit vielen Jahren mit Entwicklungsprojekten engagiert. Vor zwei Jahren konnte eine Gruppe Interessierter mit Kuhn’s Unterstützung vor Ort einen Augenschein nehmen. Hier ihr spannender Reisebericht:
Ausflug nach Portovelo / Zaruma
Vom 17.03. – 19.03.2023 waren wir in Portovelo und Zaruma in der Provinz „El Oro“ unterwegs. Unsere Gruppe bestand mit Linda, David und Hanna aus drei österreichischen/deutschen Freiwilligen und aus Polivio, der aus Saraguro kommt und im Widerstand gegen die Minenindustrie aktiv ist. Der Guide der Reise war Freddy, der ebenfalls aktiven Widerstand gegen die Minenindustrie betreibt und selbst in Portovelo wohnt. Die Zahlen und Angaben im folgenden Bericht sind größtenteils von ihm.
Die Idee und Organisation des Ausflugs liefen über Louis Kuhn, der Freddy als unseren Guide organisierte und uns auch finanziell unterstützte.
Das Ziel unserer Reise war es, mehr über die Thematik der Minenindustrie hier in Ecuador zu lernen. Es ist schließlich wichtig, nicht nur die schönen und touristischen Seiten eines Landes erlebt zu haben, wenn man ein Jahr dort gewohnt hat.
Schon seit sehr langer Zeit ist die Region in und um Zaruma und Portovelo für ihren Reichtum an Bodenschätzen bekannt. Daher trägt sie auch den Namen „Kuripampa“. Das ist Kichwa und bedeutet „Tal des Golds“. Die indigene Bevölkerung, die früher in diesem Gebiet wohnte, wusste auch schon von diesem Reichtum, weshalb sie oberflächlich Gold und andere Bodenschätze aus der Erde holten.
Ein ganz anderes Ausmaß nahm dieser Extraktivismus aber im Jahre 1540 an, als die Spanier in diese Region kamen. Sie blieben bis 1640. In dieser Zeit starben mehr als 20 000 indigene Arbeiter, die in den Minenschächten zur Arbeit gezwungen wurden.
Im Jahre 1896 kamen die Amerikaner in dieses Gebiet, wo sie in den 51 Jahren ihres Aufenthalts mehr als 100 Tonnen Gold aus dem Boden holten.
Der spanische beziehungsweise amerikanische Einfluss spiegelt sich in Zaruma ganz stark in der Architektur wider.
Seitdem sind in Zaruma und Portovelo aber neben nationalen Unternehmen auch verschiedenste ausländische Unternehmen (unter anderem England, Chile, Frankreich, Deutschland, USA) vertreten.
In der ganzen Region erinnern verschiedenste Dinge an die Minenindustrie. So sieht man an vielen Stellen Statuen, Straßenbemalung oder auch Souvenirs in Form von Minenarbeitern oder den Karren zum Transport von den Bodenschätzen.
Sowohl am Samstag als auch am Sonntag besuchten wir verschiedene Orte, an denen die Effekte der Minenindustrie zu sehen sind. In den Stadtzentren gab es zum Beispiel mehrere Orte, an denen Häuser aufgrund der unterirdischen Minenschächte eingestürzt sind. Bei bis zu 500 Meter tiefen Schächten und bis zu 13 Ebenen unter der Erde erscheint dieses Risiko aber auch nicht allzu unwahrscheinlich.
Auf dem leeren Platz (siehe Bild) stand früher beispielsweise eine Schule. Heute wird dieser Ort als Markt benutzt, allerdings besteht weiterhin die Gefahr eines Einsturzes, weil das entstandene Loch einfach nur zugeschüttet wurde.
Auch an dieser Stelle sieht man, dass die Straße nicht ganz gerade verläuft. Sie ist auch aufgrund eines Erdrutsches abgesunken, der durch die unterirdischen Schächte entstanden ist.
Aktuell sind in der Region in und um Zaruma und Portovelo etwa 500 verschiedene Unternehmen in der Minenindustrie aktiv. Dazu gehören aber auch viele kleine (private) Unternehmen. Vermutlich werden zurzeit etwa drei Tonnen Gold im Jahr aus dem Boden geholt. Auf dem Bild ist ein deutsches Unternehmen zu sehen (…Ecolux?..).
Der Prozess zum Gelangen an die Bodenschätze läuft in etwa wie folgt ab:
Nachdem die Materialien aus dem Boden geholt wurden werden sie in Mühlen gemahlen.
Dabei ist der Einsatz von viel Wasser nötig. Es werden außerdem sehr starke Chemikalien zu der Mischung hinzugegeben, damit sich das Gold und die anderen Bodenschätze verklumpen und vom Rest der Masse ablösen. Das Wasser wird dadurch stark von diesen Chemikalien verschmutzt. Meist gelangt es in den nächstgelegenen Fluss. Das wird zwar offiziell bestritten, aber unser Guide erklärte uns, dass er einige Arbeiter persönlich kennt, die ihm erklärten, dass nachts immer heimlich die Kanäle geöffnet werden, die das Wasser in den Fluss leiten.
Die dadurch entstehende Wasserverschmutzung ist eines der größten Probleme der Minenindustrie. Durch die verschmutzten Flüsse entsteht eine Reihe von Komplikationen.
Diese Lagune ist beispielsweise mit einem sichtbaren Schmutzfilm überzogen und in vielen Lagunen und Flüssen geht der Fischbestand durch das verschmutzte Gewässer deutlich zurück. Auch für Tiere (z.B. Kühe), die von dem Wasser trinken, kann das tödlich enden. Außerdem kann dieses Wasser genauso wenig für die Bewässerung von Pflanzen genutzt werden.
Menschen, die vom Fischfang, von der Viehzucht und von der Landwirtschaft leben verlieren so also ihre Lebensgrundlage. An vielen Orten hier in Ecuador ist die Mehrheit in der Landwirtschaft tätig, weshalb verschmutzte Wasserquellen besonders tragisch für einige Regionen sind.
Dazu kommt, dass in Zaruma und Portovelo Studien zufolge erhöhte Fälle von Behinderungen bei Neugeborenen oder Krebserkrankungen sind. Das ist ebenfalls auf das verschmutzte Wasser beziehungsweise auf giftige Gase zurückzuführen.
Denn neben der Verschmutzung des Wassers, werden die im Prozess übergebliebenen Materialien teilweise einfach in der Natur entsorgt. Auf dem Bild ist ein grauer Berg zu sehen, der aus dem toxischen „Sand“ entsteht, der für die Unternehmen keinen großen Nutzen mehr hat, nachdem die Bodenschätze entnommen wurden.
Ein anderes Problem ist außerdem, dass die Regierung die Minenunternehmen oft priorisiert behandelt. So ist es zum Beispiel ein Gesetz, dass Minenunternehmen nur in ruralen Zonen aktiv sein dürfen. In der Region von Zaruma und Portovelo wurde also kurzerhand ein Teil der urbanen Zone zu ruraler Zone erklärt. Anstatt mehr Wohnraum für die Menschen zu schaffen oder die Natur zu bewahren, werden also eher die Pläne der Minenunternehmen bevorzugt. Uns wurde erzählt, dass solche Fälle leider immer wieder vorkommen.
(Polivio, Hanna, David, Linda, Freddy)
Insgesamt war der Ausflug für uns alle bereichernd und es war spannend und erschreckend zugleich, so viel über diese Problematik zu erfahren.
Der Bericht kann hier auch als PDF heruntergeladen werden.