Ich habe Ihnen vor einiger Zeit eine Lese­emp­feh­lung gemacht. Haben Sie schon ein­mal rein­ge­schaut? Da sind viele gute Leute ver­treten, zum Bei­spiel der His­to­riker Georg Kreis oder die Schrift­steller Guy Krne­ta und Pedro Lenz, die bei­de schon im Birs­felder Muse­um gele­sen haben.
Sie kön­nten auch einen Beitrag in ital­ienisch von Alber­to Nes­si »Il mestiere delle armi« lesen oder einen in franzö­sisch von David Collin »Fêter Marig­nan, défaire la pen­sée«. Mit einem Müs­ter­chen von Guy Krne­ta möchte ich Sie heute nun gluschtig machen. Guy Krne­ta ist Dra­matik­er und Spo­ken-Word-Autor. Er lebt in Basel. Er ist Mit­glied von «Bern ist über­all» und Mit­be­grün­der des Net­zw­erks «Kunst+Politik».

 

HansBärGuy Krne­ta

Die Gebeine von Marignano

Für manche Tiere muss die Schlacht von Marig­nano ein Fressen gewe­sen sein. Inner­halb von zwei Sep­tem­berta­gen verblutete hier ein Mehrfach­es der Opfer von Nine-Eleven. Und lag tage‑, wochen‑, monate‑, ja jahrzehn­te­lang unter freiem Him­mel. Von der Sonne gedün­stet, vom Regen aufgeschwemmt. Je nach Wind ver­bre­it­ete sich der Geruch der Ver­we­senden in alle Him­mel­srich­tun­gen. Und zog alles an, was sich für diese Sorte Frass inter­essierte. Zehn­tausende men­schliche und tierische Kör­p­er, von Spiessen durch­bohrt, die Schädel ges­pal­ten, die Schenkel weggeschossen, zerkratzt und zer­bis­sen, aufgeknüpft an Bäu­men und tot­ge­tram­pelt von den eige­nen Leuten. Das Kör­per­fett der Feis­teren soll den Kriegern selb­st noch als Schmier­mit­tel und Stiefelfett gedi­ent haben. Danach kamen die Hunde und Katzen, die Füchse und Wölfe, Vögel aller Art. Sie spiel­ten mit Hän­den und Füssen, zer­rupften die Innereien, verteil­ten die Eingewei­de kilo­me­ter­weit in der Gegend. Es fol­gten Ameisen und Käfer und immer kleineres Geti­er, sobald das grössere abge­zo­gen war.

Sieben Gen­er­a­tio­nen später wurde zu Ehren der Gefal­l­enen ein Bein­haus errichtet. Immer wieder mal war ein Bauer beim Pflü­gen auf Knochen von Men­sch und Tier gestossen, für die es nun eine zen­trale Sam­mel­stelle gab. Doch weil nicht genü­gend sterbliche Reste zu find­en waren, wurde die Bevölkerung aufgerufen mitzuwirken. Immer­hin lag die Sache so weit ent­fer­nt wie uns die Napoleonis­chen Kriege. Was kam da nicht alles zusam­men. Aus ent­fer­n­ten Gegen­den bracht­en die Men­schen, was sie an Gebein auftreiben kon­nten: Hüh­n­er­knochen, Wild­schwein­schädel, selb­st die Über­reste von Mäg­den und Knecht­en, die gut hun­dert Jahre nach der Schlacht geboren waren. Ein Bein­haus will gefüt­tert sein. Dann über­liessen sie die heilige Stätte Wind und Wet­ter. Und dem Strassenverkehr.

Drei­hun­dert Jahre später wurde der von einem Laster ger­ammte Stein­haufen zur neuen Gedenkstätte aufgeschichtet. Wur­den die Knochen säu­ber­lich entstaubt, als han­delte es sich um Prä­parate aus ein­er medi­z­in­his­torischen Samm­lung.  Zogen die Men­schen in Scharen nach Marig­nano, um sich auf dem bluti­gen Boden der Ver­gan­gen­heit Hörn­li und Gehack­tes servieren zu lassen. Gesicht­slos­er Men­schen zu gedenken, wie jenes trau­ri­gen Hans Bär aus Basel. Der sechs Kinder hin­ter­liess und ein Fah­nen­tuch ret­tete. Und als Dank dafür seit über hun­dert Jahren am Basler Rat­shaus die Züge des Architek­ten Eduard Vis­ch­er tra­gen muss. Während sich die Tiere in Stel­lung brin­gen, die Reste des Schlacht­fests zu verspeisen.

Haben Sie Lust auf mehr? Sie find­en mehr auf www.marignano

Und die Weisheit zu Marignano:

Intel­li­gente Men­schen hinterfragen,
dumme Men­schen wis­sen es!
(Peter Sereinigg)

 

 

 

Wochenrückblick
Beatles im ROXY

Deine Meinung

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.