Der letz­te Bür­ger­krieg auf Schwei­zer Boden fand 1847 statt. Dass die Sie­ger der Aus­ein­an­der­set­zung spä­ter auch ein offe­nes Ohr für die Ver­lie­rer­an­lie­gen hat­ten, spricht für die Gemein­schaft die­ses Landes.
Gisi­kon 1847. Novem­ber, Mor­gen­ne­bel und eine Brü­cke über die Reuss. Am Süd­ufer ste­hen die Trup­pen des Son­der­bunds, im Nor­den jene der Eid­ge­nos­sen. Stun­den­lang tas­ten sich die bei­den Lager ab. Dann geht es plötz­lich schnell.

Der Son­der­bund­s­krieg ist auf den ers­ten Blick eine ein­fa­che Geschichte:
Katho­lisch-kon­ser­va­ti­ve Sepa­ra­tis­ten unter­la­gen der refor­miert-libe­ra­len Mehr­heit. Nur: Sezes­si­on war nicht das Ziel des Son­der­bunds, die katho­li­schen Kan­to­ne Solo­thurn, St. Gal­len und Tes­sin schlu­gen sich auf die Sei­te der Libe­ra­len und was die Gene­rä­le anging, stan­den sich Johann-Ulrich von Salis und Guil­laume Hen­ri Dufour gegen­über – bei­de kon­ser­va­tiv und reformiert.


Das Gefecht bei Gisi­kon vom 23. Novem­ber 1847. Druck­gra­fik von 1848. Schwei­ze­ri­sches Nationalmuseum

Dem Bür­ger­krieg ging ein rund 50-jäh­ri­ges Seil­zie­hen vor­aus. Hier träum­te man von einem Zen­tral­staat mit libe­ra­ler Regie­rung, dort pries man die Selbst­be­stim­mung der Kan­to­ne. Hier fand man, Glau­be sei Pri­vat­sa­che, dort erklär­te man ihn zur öffent­li­chen Ange­le­gen­heit. Lan­ge war die Reli­gi­on das unwich­ti­ge­re The­ma, doch dann beschloss der libe­ra­le Aar­gau 1841 die Auf­he­bung sei­ner Klös­ter. Als Reak­ti­on dar­auf stärk­te Luzern die Rol­le des Kle­rus, indem es Mön­che des umstrit­te­nen kon­ser­va­ti­ven Jesui­ten­or­dens an die höhe­ren Schu­len berief. Dar­auf­hin zogen 1844/1845 zwei libe­ra­le Freischa­ren­zü­ge gegen Luzern. Sie ende­ten im Deba­kel, führ­ten aber auch dazu, dass sich Luzern, Uri, Schwyz, Unter­wal­den, Zug, Frei­burg und das Wal­lis 1845 zu einem Son­der­bund zusammenschlossen.

Ein­schub Birsfelden
An den bei­den erfolg­lo­sen Freischa­ren­zü­gen waren zumin­dest am Zwei­ten auch Birs­fel­der beteiligt.
Der Hilfs­ver­ein für die Ver­un­glück­ten vom 1. April 1845 hat über die Anzahl der nach Luzern Gezo­ge­nen, der Zurück­ge­kehr­ten, der Gefan­ge­nen und der Ver­miss­ten in allen Gemein­den des Kan­tons Basel-Land­schaft Erkun­di­gun­gen ein­ge­zo­gen und fol­gen­des Resul­tat erhalten:
In der Zäh­lung sind nur Gemein­den ein­be­zo­gen, von denen mehr als 10 aus­ge­zo­gen sind. Aus 49 Gemein­den waren 375 aus­ge­zo­gen, 132 kamen zurück, 143 wur­den gefan­gen genom­men und 100 wur­den noch vermisst.
Muttenz/Birsfelden (waren ja noch eine Gemein­de!) mel­de­te 30 Aus­ge­zo­ge­ne, 10 Zurück­ge­kehr­te, 10 Gefan­ge­ne und 10 Vermisste.

Das gros­se Birs­fel­der Jubi­lä­ums­jahr: 8. Dez. 1844 Freischa­ren­zü­ge mar­schie­ren gegen die Luzer­ner, Birs­fel­der zogen mit


Als die Tag­sat­zung, der eid­ge­nös­si­sche Gesand­ten­kon­gress, den Son­der­bund 1847 für ungül­tig erklär­te und Trup­pen unter Gene­ral Dufour mobi­li­sier­te, eska­lier­te die Situa­ti­on. Der Gene­ral zwang zuerst das iso­lier­te Frei­burg zur Kapi­tu­la­ti­on, dann rück­ten Tag­sat­zungs­trup­pen gegen Luzern vor. Die Son­der­bunds­trup­pen wie­der­um hat­ten zwei Wochen vor­her ver­sucht, durchs Tes­sin nach Ober­ita­li­en vor­zu­stos­sen. Aber sie waren bei Bias­ca geschei­tert. Am 23. Novem­ber 1847 gewan­nen Tag­sat­zungs­trup­pen unter Oberst Zieg­ler Gefech­te an der Reuss bei Gisi­kon, bei Mei­ers­kap­pel und bei Schüpf­heim. Luzern kapi­tu­lier­te tags dar­auf, das Wal­lis und die Urkan­to­ne eine Woche später.

»Nous devons sor­tir non seu­le­ment vic­to­rieux, mais aus­si sans repro­che«, hat­te Gene­ral Dufour sei­ne Sol­da­ten ermahnt. Und tat­säch­lich gab es fast kei­ne Plün­de­run­gen und die Ver­lus­te waren mit 93 Toten und rund 500 Ver­wun­de­ten für einen Bür­ger­krieg mode­rat. Dufour war nicht nur ein begna­de­ter Kar­to­graf und Stra­te­ge, er gehör­te spä­ter auch zu den Grün­dern des Roten Kreu­zes. Nach dem Krieg erhielt die Schweiz 1848 ihre ers­te Ver­fas­sung, eine Bun­des­stadt (kei­ne Haupt­stadt!) und eine über­ge­ord­ne­te Regie­rung. Damit setz­ten sich die libe­ra­len Kräf­te durch. Sie ver­bo­ten den Jesui­ten­or­den, lies­sen aber auch die Anlie­gen des Son­der­bunds in die neue Ord­nung ein­flies­sen: etwa durch die Ein­rich­tung des Stän­de­rats und die ins­ge­samt star­ke Stel­lung der Kan­to­ne. (Imarks Friedenslösung!)

Und so haben wir also Stän­de­rat und Stän­de­mehr (auch ein biss­chen als Trost für die kon­ser­va­ti­ven Ver­lie­rer­kan­to­ne), aber auch als Teil der abge­schrie­be­nen ame­ri­ka­ni­schen Verfassung).
Schön, wenn die Ver­lie­rer für die heu­ti­gen Ver­lie­rer auch ein offe­nes Ohr hätten …

Was das für die Schweiz poli­tisch bedeu­tet lesen Sie dann im nächs­ten Artikel.

Die Weltwoche, Donald Trump und alternative Wahrheiten - eine Analyse 6
Krähenlyrik 17: Heute, Franz Hohler

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