Nun kam 1937 der Hafenbau in Gang. Das Ganze war vor allem auch eine Arbeitsbeschaffungsmassnahme.
Dazu ein kurzer Abschnitt aus »Geschichte der sozialen Sicherheit«:
»Die Weltwirtschaftskrise stellte den Staat vor eine grosse Herausforderung. Die Krise traf die Schweiz, die in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre einen Aufschwung erlebt hatte, vergleichsweise spät. Dafür liess die Konjunkturerholung bis 1937 auf sich warten. Die Krise führte zu einem Rückgang des Volkseinkommens um fast 20 Prozent. Im Winter 1936 stieg die Arbeitslosigkeit auf sieben Prozent der Erwerbstätigen, in Industriegegenden sogar noch höher. Zusätzlich verschärft wurde die Lage der Bevölkerung durch die deflationistische Wirtschaftspolitik der bürgerlichen Parteien und Verbände. Sie hielten an der Goldparität des Schweizer Frankens fest, betrieben eine restriktive Haushalt- und Steuerpolitik, kürzten die Löhne und griffen nur selektiv in die Wirtschaft ein — beispielsweise zu Gunsten der Landwirtschaft.«
Das Volk hat also wieder einmal bezahlt …
Dies stellte die schon immer klamme Gemeinde Birsfelden vor grosse Probleme. Und der Gemeinderat beschwerte sich im März 1938 beim Regierungsrat. Im Ton moderat aber sichtlich empört:
Wieviel es genützt hat, konnte ich nicht herausfinden.
Der Bau am Hafen ging recht zügig voran, wenn man bedenkt, mit welchen Mitteln gearbeitet wurde. Aber auch hier nicht ohne Nebengeräusche. Landrat Bachmann moniert in einer Interpellation, dass statt einheimische, fremde Baggereien angestellt werden …
Wie die Sache ausging ist den Protokollen nicht zu entnehmen.
… und schon im März 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, legte das erste Schiff, mit Kohle beladen, in den neuen, aber noch nicht ganz fertig gebauten Hafenanlagen an.
Titelbild: Büchler, Arbeitslose: Sozialarchiv Zürich, Brief: Staatsarchiv Basel-Landschaft, Hafenbau: Historisches Archiv Birsfelden
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Christoph Meury
Apr 10, 2020
Interessant, dass sich das offizielle Birsfelden bereits damals beim Kanton beschweren musste, weil die BirsfelderInnen von der wirtschaftlichen Prosperität, welche der Hafen in Form von Arbeitsplätzen und Aufträgen für’s lokale Gewerbe generierte ungenügend profitierte. Oder noch krasser: Die Sozialfälle aus den Oberbaselbieter Gemeinden durchfüttern musste.
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Diese Unzufriedenheit in Birsfelden ist auch heute immer noch gross. Birsfelden wird am Gewinn der Hafenbewirtschaftung in keiner Weise beteiligt. Der Ertrag der Baurechtszinsen geht in vollem Umfang an den Kanton. Die Steuereinnahmen, welche die Firmen mit Geschäftssitz in Birsfelden der Gemeinde abliefern sind mit einer knappen Million eher bescheiden. Allfällige Mehrwerte, welche durch eine Aufwertung des Hafenareals erwirtschaftet werden kommen voll und ganz der SRH und diversen Immobilienfirmen zu gute. Birsfelden bleibt auf den Immissionen und dem Mehrverkehr hocken. Darf aber die Zubringerstrassen und die Strassen im Hafenareal unterhalten.
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Da das Hafenareal vom Kanton als Arbeitsplatzgebiet von hoher kantonaler Relevanz eingestuft wird, müsste man schlussfolgern, dass die Arbeitsplätze für die BirsfelderInnen einen Mehrwert darstellen. Ein Augenschein aber zeigt, dass dies in keiner Weise zutrifft: Die Mehrzahl der Autonummern der im Hafen parkierten Fahrzeuge, kommt aus dem Elsass, oder dem badischen Raum. Vereinzelt noch aus dem Kanton Aargau. Die entsprechenden täglichen Pendlerströme durch das Zentrum von Birsfelden liefern den abschließenden Beweis, dass Birsfelden lediglich mit den negativen Auswirkungen der Wirtschaftsentwicklung konfrontiert wird.
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Dazu noch ein paar Zahlen: Die 5’000 erwerbstätigen BirsfelderInnen finden in Birsfelden kaum einen Arbeitsplatz. Mit 2’600 Arbeitsplätzen vor Ort ist die Gemeinde kein Arbeitsgebiet von kantonaler Relevanz. Münchenstein kann 6’600 und Reinach 7’300 Arbeitsplätze ausweisen. Im Kanton Baselland gibt es insgesamt 95’600 Arbeitsplätze.
Das führt zu einem negativen Pendlersaldo: D.h. von den 5’000 Erwerbstätigen in Birsfelden sind 500 Binnenpendler und 3’800 Wegpendler. Im Gegensatz hat Birsfelden 2’100 Zupendler. Das ergibt ein Pendlersaldo von — 1’700. Heisst die Birsfelder Erwerbstätigen müssen sich ihren Arbeitsplatz grossmehrheitlich auswärts suchen. Dies obwohl Birsfelden mit dem Birsfelder Hafen eines der grössten Gewerbe- und Industrieareale im Kanton besitzt und der Kanton BL. Da der Kanton BL das Hafengebiet defacto annektiert hat und die Früchte dieses Areals von anderen geerntet werden, hat Birsfelden keinen Profit.
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Da sieht man auch bei den Steuereinnahmen der Gemeinde Birsfelden: Birsfelden hat eine der höchsten Steuerbelastungen bei den natürlichen Personen und ist damit als Wohnsitzdomizil für Ottonormalverbraucher mässig interessant. Münchenstein, Muttenz, Reinach, etc. können hier bedeutend bessere Angebote machen. Die hohen Bodenpreise stehen dazu im Gegensatz, verteuern aber längerfristig die Mieten für die Einheimischen erheblich.
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Da Birsfelden auch bei den juristischen Personen — also den Firmen — kein valables Steuerangebot machen kann, ist die Gemeinde auch für Firmen nicht die erste Standortwahl. Münchenstein und Birsfelden haben die höchsten steuerlichen Belastungen für juristische Personen im Kanton. Nicht einmal die Entlastung durch die kommende dritte Steuerreform (die Gewinnsteuersätze reduzieren sich im Kanton BL voraussichtlich auf 13,45%) verändern die Konkurrenzfähigkeit der Gemeinde gegenüber den Nachbargemeinden.
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Da Birsfelden permanent in den Miesen operiert, erhält die Gemeinde jedes Jahr durch den kantonalen Finanzausgleich rund 6.5 Mio. Franken. Damit kann die Gemeinde ihr Budget knapp ausgeglichen halten. Heisst aber, dass die Gemeinde Birsfelden in einem ständigen Sparmodus verharren muss und als Nehmergemeinde von den Erträgen der Gebergemeinden abhängig ist.
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Ohne Finanzausgleich wäre Birsfelden in den roten Zahlen und hätte damit null Handlungsspielraum. Dies obwohl auf dem Gemeindebann der Gemeinde Birsfelden eines der grössten und attraktivsten Industrie- und Gewerbeareale liegt.
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Was läuft da schief?
CATO
Apr 10, 2020
Ceterum Censeo: Übrigens bin ich der Meinung, dass ein Vertreter der Rheinhäfen nichts im Gemeinderat von Birsfelden zu suchen hat.
Christoph Meury
Apr 10, 2020
Gemeinderat Simon Oberbeck ist in seiner Doppelfunktion als Beauftragter der SRH für Kommunikation und Verkehrspolitik und Gemeinderat von Birsfelden zwar ein Ärgernis, aber nicht das Problem. Oder andersherum: Was würde sich ändern, wenn die CVP einen Gemeinderat nominieren würde, der, oder die, sich für die Anliegen der Gemeinde dezidiert engagiert einsetzen würde? Er, oder sie, wäre immer noch in der Minderheit. Nicht nur der Gemeinderat, sondern auch die Parteien sind mit den vorherrschenden Verhältnissen zufrieden und haben sich damit abgefunden, dass der Hafen für die ökonomische Situation von Birsfelden irrelevant ist.
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Längstens hat man sich mit dem Status Quo arrangiert und akzeptiert, dass der Kanton äusserst autoritär definiert wo’s lang geht und die Einnahmen aus der Hafenbewirtschaftung alleinig für sich beansprucht. Das sogenannte Mitspracherecht der Gemeinde Birsfelden ist eine Alibiübung und endet im Nachvollzug der kantonalen Vorgaben. Firmen mit Steuersitz in Birsfelden zu präferieren ist weder für die SRH, noch die beiden Kantone BL & BS ein Auswahlkriterium.