In kleinem, „familiären“ Rahmen, fand heute Freitagabend, 21.8. coronabedingt die Vernissage zur neuen Ausstellung im Birsfelder Museum statt. Die wenigen geladeneren Gäste wurden mit einer Laudatio zu Tobias Lauck von Dr. Jürgen Mischke, seines Zeichens Leiter der Abteilung Leben in Birsfelden, zu den ausgestellten Gemälden und Zeichnungen des Künstlers geführt.
Freundlicherweise hat Jürgen Mischke den Text der Laudatio dem birsfälder.li zur Verfügung gestellt.
Hier seine Worte:
Laudatio für Tobias Lauck
Vernissage Birsfelden, 21.8.2020
“Mit grosser Freude las ich im Birsfaelder.li von der bevorstehenden Ausstellung. “Zeichnungen und eindrucksvolle Gemälde des jungen Künstlers” würden gezeigt werden. Ich freute mich über das gelungene Plakat und das meiner Ansicht nach attraktive Kulturangebot in der Gemeinde, für die ich arbeite. Auch freute ich mich, dass Tobias Lauck, den ich persönlich seit vielen Jahren kenne, eine weitere Möglichkeit erhalten sollte, seine Bilder einem erweiterten Kreis bekannt zu machen. Am meisten freute mich jedoch die Formulierung “junger Künstler”. Sie schmeichelte mir ganz besonders, zumal Lauck 6 Jahre älter ist als ich. Aber so ist das mit Künstlern, wie ein weiser Kollege zu sagen pflegte, sie sind entweder jung oder tot.
Nun stehe ich hier und halte eine Laudatio auf den jungen Künstler Tobias Lauck, der ganz und gar nicht tot ist — nein ganz im Gegenteil. Denn es ist eine Lobrede auf einen Mann, der in den letzten zwanzig Jahren an einem beeindruckenden Werk geschaffen hat. Was mich daran beeindruckt, das möchte ich Ihnen im Folgenden kurz näherbringen.
Es ist dieser laucksche Kosmos, der mich in seinen Bann gezogen hat. Ein Blick rundherum in die Ausstellung verrät schnell, alle Bilder scheinen ohne Zweifel von der gleichen Person geschaffen worden zu sein. Hier wird visuell und emotional eine eigene Welt mit eigenen Gesetzen ausgebreitet. Es ist die gleichbleibende Materialisierung mit Öl und die sehr zurückhaltende tonale Farbgebung, die von viel Arbeit kündet. Sie lässt den Betrachter den Künstler, sein Schaffen und sein Leiden spüren. Es ist kein Acryl, das “unter dem Pinsel wegtrocknet” und zum schnellen präzisen Strich anleitet, sondern im lauckschen Kosmos wird mit einem organischen Material gearbeitet. Es lässt einen langsamen Arbeits- und Schaffensprozess zu, der die Dinge in immer wiederkehrenden Pinselstrichen langsam in ihrer surrealen Weise sichtbar macht.
Das ist denn auch Laucks Programm, wie ich meine: eine Einladung zum schüchternen Blick. Aber das muss ich ausführen. Unscheinbare Dinge werden als Monumente unübersehbar gemacht. Aus Unscheinbarkeit wird eine “Überscheinbarkeit” gemacht. Übersteigerte Dimensionen und ausschnitthafte Perspektive verfremden das Ding. Es wird unnatürlich gross und das gekonnte Spiel mit Hell und Dunkel, Licht und Schatten und den besonders strukturierten Oberflächen statten die Dinge mit ungewöhnlicher Plastizität aus, während Weiten, wenn sie vorkommen, wie die surrealen Wüsten von Salvador Dali wirken. Beeindruckend ist die Konsequenz, mit der das Programm durchgezogen wird. Denn um die Schüchternheit, die sich im Spannungsfeld des Sehens des Kunstbetrachters und im Betrachtet-werden der Kunst manifestiert, drehen sich auch die figürlichen Motive.
Sie sind zwar da, aber sie sind maskiert oder gar teilweise entstellt fantastisch. Sie wenden den Blick ab. Wir sehen zwar die Figuren, sie sehen aber uns nicht. Nur ganz selten und in umso eindringlicheren Momenten fassen einzelne Augen den Mut und blicken aus dem lauckschen Kosmos heraus den Betrachter an. Diese Spannung des schüchternen Blicks baut sich am eindrücklichsten bei den Rückenfiguren auf. Diese haben nämlich eine lange kunstgeschichtliche Tradition und Verbindung zum Motiv des Sehens. In der Malerei der Renaissance wurde die Rückenfigur eingesetzt, um den Blick des Betrachters auf das Gemälde zu lenken. Allmählich wurde das Motiv aber auch allegorisch verwendet, um das Zeigen des Nicht-Sehens zu thematisieren, wenn nämlich dasjenige im Bild angesprochen wurde, das die Figur im Bild zwar sehen kann, aber auf dem Bild vom Künstler nicht gezeigt wird. Hier gilt es das berühmte Gemälde von Jan Vermeer zu nennen, das den Künstler von hinten zeigt, wie er eine Frau auf der Leinwand vor sich porträtiert. Auf dem Bild sieht man die porträtierte Frau, aber das im Bild gemalte Porträt wird vom Rücken des Malers verdeckt. Caspar David Friedrich in der romantischen Malerei warf den Fokus mit seinen Rückenbildern wiederum auf das Individuum selbst zurück und macht das Sehen der Natur seiner Figuren, also den Akt der Sehnsucht, zum Moment der subjektiven Selbsterfahrung.
Und was macht Lauck? Er verbindet den motivischen Symbolgehalt der Renaissance und Romantik. Es geht in seinen Bildern um den- oder diejenige, die nicht im Bild existiert, aber wagt, einen schüchternen Blick von hinten auf die Menschen oder auf ungewohnte Weise auf die Dinge zu werfen. Wissen die Figuren, dass sie gesehen werden? Wer ist es, der den Blick wagt? Dieses Subjekt ist jemand, der gerne sehen möchte, eine Sehnsucht nach der Welt hat, selbst aber nicht gesehen wird und deshalb nicht Teil von der gezeigten Welt ist. Der Künstler erschafft es in der ausgebreiteten Spannung, sowohl dieses Subjekt als auch die gezeigten Objekte zu konstruieren. Das ist die Leistung, die ich im Werk von Tobias Lauck erkenne.
Die Kraft, die uns vor den Bildern verweilen lässt, ist deshalb die allzu gute Vertrautheit des anonymen postmodernen Menschen mit dem schüchternen Blick auf die Welt und der gleichzeitigen Angst, unerkannt nie Teil von ihr und deshalb gar nicht da zu sein.”
Jürgen Mischke
Die eindrücklichen Ölgemälde und starken Zeichnungen können bis zum 20.9. im Birsfelder Museum begutachtet werden. (Sonntag und Mittwoch, Öffnungszeiten siehe Veranstaltungskalender)
Rebecca Francke
Aug 24, 2020
Dem Museum ist es nicht nur gelungen, mit Tobias Lauck einen außergewöhnlich, hochkarätigen Künstler zu präsentieren, auch Jürgen Mischkes Laudatio lässt sich wunderbar passend auf dieses Werk ein!
Wer noch staunend sprachlos vor Lauck steht, wird von Mischke für ein tieferes Verstehen dieser subtil komplexen Welt an die Hand genommen. Perfekt!