Man kann sich die Schweiz immer irgendwie krallen. Sei dies als Bundesrat:in, Parlamentarier:in, als Partei, Institution, Firma oder als Einzelperson.
Heute reden wir über Parteien und Räte, die sich mit Sicherheitsthemen die Schweiz krallen und andere wichtige Themen aussen vor lassen.
Bald werden wir über ein Pandemiegesetz, eine Pestizid- und Trinkwasser-Initiative, ein CO2-Gesetz und ein Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus abstimmen.
Alles Gesetze und Initiativen, die eng mit der Sicherheit und Gesundheit der Menschen in der Schweiz zu tun haben.
Da passt es gut, dass der Bundesrat am selben Tag wie die geplanten Erleichterungen (Covid-19-Massnahmen) auch über die »Jährliche Beurteilung der Bedrohungslage, Bericht des Bundesrates an die eidgenössischen Räte und die Öffentlichkeit« orientiert hat.
Bei der Durchsicht des Berichts ist mir aufgefallen:
Folgende Worte kommen vor: Terror 9x, Wirtschaft/wirtschaftlich 18x und Kombinationen mit ‑politik / ‑politisch 26x.
Weiter ist mir aufgefallen, dass dem Bundesrat die grösste Bedrohung der Schweiz schlicht und einfach entgangen ist (betrifft ja auch erst die heutigen Kindergartenkinder):
Die Bedrohung durch die immer mehr anlaufende
Klimakatastrophe, die zur Flutung weiter Erdteile führt,
die ganze Völkerwanderungen bewirkt, die Gletscher und
Permafrost schwinden lässt … ich mag hier das ganze
Horrorszenario gar nicht aufzählen.
Wie einäugig muss man denn eigentlich sein, dass die Klimakatastrophe keinen Eingang in einen Sicherheitsbericht findet?
Auf der Suche nach einer Erklärung bin ich — wieder einmal — bei Joëlle Kuntz fündig geworden. Sie schreibt in ihrer »Schweizer Geschichte einmal anders« über die politischen Laufbahnen in der Schweiz (Gemeinderat-Kantonsrat-Nationalrat-Ständerat-Bundesrat):
»Der ganze Mechanismus hat auch seine kontraproduktiven Seiten: Er macht die kleinen Akteure mit ihren kleinen Problemen ganz gross und zieht damit die grossen Akteure und die grossen Probleme auf deren Ebene herunter. Das sorgt für eine — vom ausländischen Besucher bewunderte — Perfektion im Kleinen, doch die grösseren Horizonte des nationalen und internationalen Lebens geraten aus dem Blick.
Die an lokalpolitische Usanzen gewohnten Politiker:innen reproduzieren, wenn sie in die Bundesebene aufsteigen, oftmals dort den angestammten Tätigkeitsstil und finden in Bern nicht zu den politischen Dimensionen, die es heute braucht, um alle Bestrebungen des Landes mittragen zu können.
Im Umkreis des Bundeshauses gibt es zu wenige politische Schwergewichte, nicht genug jedenfalls, dass Politiker:innen von Format daraus hervorgingen, die der nationalen Politik die von den Bürger:innen dringend erwarteten Inhalte vorgeben könnten.«
Denken wir nur einmal an das Rahmenabkommen (64% der Schweizer:innen befürworten es) oder auch an die Einkommens- und Vermögensverteilung, deren Schere sich immer weiter öffnet (z.B. Covid-19-Gewinnler:innen kontra Covid-19-Verlierer:innen).
Doch da gibt es ja zum Glück auch noch am 21. Mai 2021 den Klimastreik, an dem Sie sich doch sicher gerne beteiligen …
max feurer
Mai 19, 2021
Zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus gibt es einen ausgezeichneten Artikel in der REPUBLIK:
https://www.republik.ch/2021/05/14/terrorismus-ist-zum-kampfbegriff-geworden-um-den-politischen-gegner-zu-daemonisieren