Da hat­ten wir uns eigent­lich fest vor­ge­nom­men, heu­er nichts über Fuss­ball und deren Betrei­ber zu schrei­ben. Wir woll­ten das den Fach­leu­ten über­las­sen und haben dar­um auf die ent­spre­chen­de Welt­li­te­ra­tur zurückgegriffen.
Als Aus­nah­me ver­öf­fent­li­chen wir aber hier, am ers­ten fuss­ball­lo­sen Tag, einen orni­tho­lo­gi­schen Bei­trag mit der freund­li­chen Geneh­mi­gung von Gabri­el Brön­ni­mann , dem Autor, und der Redak­ti­on Tages­wo­che.

Glos­se

Fuss­bal­ler haben Spat­zen­hir­ne? In Wirk­lich­keit bespie­len die Kicker bloss die welt­gröss­te Büh­ne für alle, die es nötig haben, der Welt end­lich zei­gen zu kön­nen, wie gross ihr eige­ner Vogel ist.
Eulen nach Athen getra­gen: Fuss­bal­ler sind dumm. Gemein­hin erwar­tet man von Men­schen, die ihren Lebens­un­ter­halt mit dem belieb­tes­ten Ball­spiel der Welt ver­die­nen, wenig bis gar kein Köpf­chen. Mit ein Grund dafür, dass Fuss­bal­ler vogel­frei sind.

Zum Erfolgs­re­zept des erfolg­reichs­ten Spiels der Welt – bei der letz­ten WM haben 3,2 Mil­li­ar­den an pri­va­ten Gerä­ten zuge­schaut, das ist fast jeder zwei­te über­haupt exis­tie­ren­de Mensch – gehört, dass der Zuschau­er alles bes­ser weiss. Jeder ein­zel­ne, immer.

Vogel zei­gen


Weil alle Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er auch die Exper­ten sind, sind die Sta­di­en gut besucht. Auf der gan­zen Welt. Fuss­ball-Fan­tum ver­leiht auf meh­re­re Arten Flü­gel. Freund und Feind ste­hen von Anfang an fest, was zum Aus­le­ben auf­ge­stau­ter Gefüh­le (von Fan­ge­sän­gen bis zu Flu­chen wie ein Rohr­spatz) ani­miert.

Die eige­ne Mann­schaft muss durch­aus auch Federn las­sen, wenn sie schlecht spielt. Im Sta­di­on fin­det sich immer ein Grund, jeman­dem den Vogel zu zei­gen, nicht zuletzt dem Schieds­rich­ter. Kathar­sis-Garan­tie.

So kommt es, dass ent­ge­gen dem Kli­schee nicht ein­mal dum­me Fuss­bal­ler den gröss­ten Vogel haben. Das ist rein mathe­ma­tisch unmög­lich: Auf dem Platz ste­hen 22 Mann, im Sta­di­on sind es Zehn­tau­sen­de, vor den TV-Gerä­ten sit­zen Aber­mil­lio­nen. Ein gigan­ti­sches Gega­cker.

Die Schwei­zer Top-Spie­ler Gra­nit Xha­ka und Xher­dan Shaqi­ri hät­ten nach ihrem natio­na­lis­ti­schen Dop­pel­ad­ler noch den Trip­le-Alba­tros oder den fünf­fa­chen Bart­gei­er auf­füh­ren kön­nen: So bescheu­ert wie das, was danach von den Rän­gen gekräht wur­de, hät­ten es die bei­den nicht hingekriegt.

«Nur mit einem Wort …»
Den Anfang mach­te Sascha Rue­fer auf SRF. Der ener­vier­te sich über die Ges­te, fand dann aber: «Egal, las­sen wir uns dar­auf nicht ein». Aber Rue­fer kann es selbst nicht las­sen. Es ver­ge­hen sie­ben Sekun­den, dann sagt er: «Macht Xha­ka den Adler, das gibts ja nicht!» Das Spiel läuft längst wei­ter, Xha­kas Aus­gleich fiel in der 52. Minu­te.

Rue­fer in der 54. Minu­te: «Ich kann es nur mit einem Wort zusam­men­fas­sen: dumm und däm­lich.»
Mit die­sen ers­ten öffent­li­chen Äus­se­run­gen ist schon viel gesagt über das Niveau der Dop­pel­ad­ler-Debat­te (Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel). Rue­fer setz­te die Lat­te tief an. Das hielt schrä­ge Vögel der Polit- und Medi­en­ex­per­ten­pro­mi­nenz nicht davon ab, ihn noch zu unterbieten.

Es piept wohl 
Natio­nal­rä­tin Nata­lie Rick­li behaup­te­te allen Erns­tes, sie kön­ne sich «nicht wirk­lich freu­en» über den Schwei­zer Sieg. «Die bei­den Goals sind nicht für die Schweiz gefal­len, son­dern für den Koso­vo», schrieb sie.

Wäh­rend die Hüh­ner noch bis nach Pris­ti­na lach­ten über so viel Unsinn – dort wuss­te nie­mand von einer Teil­nah­me an der WM 2018 –, hat­te der Jubel der eupho­ri­sier­ten Spie­ler nun angeb­lich staats­po­li­ti­sche, ja gar lebens­be­droh­li­che Fol­gen.

Offi­zi­ell ist der Fall längst abge­hakt: Die Ges­te war nicht poli­tisch, sie stell­te kei­ne Belei­di­gung des Publi­kums dar. Die Fifa stell­te eine Ver­let­zung des Fair Plays fest, sprach Bus­sen aus. That’s it.
Unge­ach­tet des­sen liess Roger Köp­pel sei­ne rech­te Sturm­spit­ze wei­ter auf dem The­ma her­um­pi­cken. In der neus­ten Aus­ga­be sei­ner Zeit­schrift gibt es neun Sei­ten Dop­pel­ad­ler-Tief­flug, das Cover­blatt nicht ein­ge­rech­net. Schon ver­gan­ge­ne Woche beschrieb Köp­pel die Schwei­zer Fuss­bal­ler als «Mul­ti­kul­ti-Bal­kan-Söld­ner-Trup­pe» und unk­te, der Trai­ner gefähr­de womög­lich den Schwei­zer Fuss­ball.
Die­se Woche wird der Dop­pel­ad­ler zur Polit-Affä­re hoch­ge­schraubt, in wel­che die «Welt­wo­che» nun gar die Lan­des­re­gie­rung ver­wi­ckelt. Wenn Bun­des­rä­te laut­stark die Spie­ler Xha­ka und Shaqi­ri unter­stüt­zen, dann ver­let­zen sie qua­si die Neu­tra­li­tät – dabei hät­ten sie «dafür zu sor­gen, dass zwi­schen Alba­nern und Ser­ben nicht erneut ein Bür­ger­krieg aus­bricht».

Ja, wegen der Dop­pel­ad­ler-Saga sei­en gar Schwei­zer Armee­an­ge­hö­ri­ge im Koso­vo mög­li­cher­wei­se bedroht: «Es braucht nicht all­zu viel Fan­ta­sie, um sich vor­zu­stel­len, dass die Arbeit der Schwei­zer Kfor-Sol­da­ten in Zukunft von den Ser­ben noch miss­traui­scher betrach­tet wer­den wird.»

Hah­nen­kampf


Es heisst, ein Mensch ohne Fan­ta­sie sei wie ein Vogel ohne Flü­gel. Es mag zwar nicht viel Fan­ta­sie brau­chen, um sich der­ar­ti­ge Sze­na­ri­en vor­zu­stel­len – aber eine, die ziem­lich weit im Abseits steht.
Die Sache mit dem Dop­pel­ad­ler ist auf­ge­bla­sen bis zum Geh­t­nicht­mehr. Eine lee­re Medi­en- und Polit­ge­schich­te, eine natio­na­lis­ti­sche Gockel-Para­de. Was auf dem Platz wirk­lich vor sich gegan­gen sein mag, danach kräht längst kein Hahn mehr.

Womit wir wie­der beim Fuss­ball wären. Der Sport­art, bei der alle Exper­ten sind und der Welt dabei mit­un­ter unfrei­wil­lig zei­gen, was sie für einen Vogel haben. Wer den gröss­ten Schna­bel hat, glaubt oft zu gewin­nen. Die schwei­gen­de Mehr­heit hat das Spiel genos­sen und freut sich längst auf den nächs­ten Match.

Quak.

Die Weis­heit zum Gastbeitrag

 

Zentrumsdiskussion 7
Ballbesitz und Schamgefühl

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