In den eidgenössischen Räten geht es um die Frage: Soll der Bund einen von einem Kanton beschlossenen Mindestlohn kippen können?
Das Titelbild erschien am 3. Mai 2014 kurz vor der Abstimmung über die Eidgenössische Volksinitiative »Für den Schutz fairer Löhne« (Mindestlohn-Initiative) im birsfälder.li. Also eigentlich eine alte Leier.
Schon damals gab es die gleichen Argumente wie auch aktuell:
• So sagte Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, zynisch: »Nicht jeder Lohn kann für eine Familie existenzsichernd sein. Wo ausnahmsweise das Haushalteinkommen nicht ausreicht, gewährleisten Sozialversicherungen und Sozialhilfe die Existenzsicherung.«
• Und wenn die FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter damals auf NZZ-Online sagte »Löhne und Arbeitsbedingungen sind Verhandlungssache und liegen in der Verantwortung der Sozialpartner«, dann war das nicht mehr als Abstimmungsgeplapper. Die Swiss Retail Federation, ein Verband der Detailhändler, dessen Präsidentin sie damals war, wehrte sich erfolgreich dagegen, um einen Gesamtarbeitsvertrag auch nur zu verhandeln.
Bleiben wir doch bei einem Bild von 2014. So konnte man im »Blick« lesen:
»Es ist ein heisses Thema, mit dem sich der Nationalrat in der Sommersession beschäftigt: Soll der Bund kantonale Mindestlöhne kippen können? Ja, sagen Wirtschaftsverbände und Bürgerliche. Zumindest dann, wenn die Sozialpartner in einem allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) tiefere Löhne vereinbaren.
Eine hitzige Debatte ist programmiert. Nun sorgt ein Aspekt für zusätzlichen Zündstoff: Muss ein Vollzeit-Lohn zum Leben reichen? So, dass nicht der Staat mit Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen einspringen muss?
Nein, befand Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller (62) in einer Anhörung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission Ende März. »Man kann von den Arbeitgebern oder von der Wirtschaft nicht verlangen, dass sie Existenzsicherung betreiben. Irgendwo hört es auf«, sagte er gemäss Dokumenten, die Blick vorliegen. «Da muss dann schlussendlich die Sozialhilfe einspringen.»
Es gehe hier auch um die wirtschaftspolitische Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberschaft. Das Ganze sei eine epische Frage, so Müller. Etwas später stellte er in der Diskussion nochmals klar: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber.» Schliesslich würden diese die soziale Sicherheit über Unternehmenssteuern mitfinanzieren.«
Dachte er da an die Unternehmenssteuern, die in den vergangenen Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer wieder gesenkt wurden?
»Müllers Aussagen sind brisant, sodass die Reaktionen auf linker Seite nicht auf sich warten liessen. «Die Gewinne privat, die Kosten dem Staat», monierte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (63). Hinter Müllers Aussagen stecke ein Bild der Arbeitgeber als «gnädige Herren mit den milden Gaben», so die Zürcherin.
»Wenn ich keine existenzsichernden Löhne zahlen kann, bin ich eine miese Unternehmerin oder eine hinterlistige Ausbeuterin meiner Leute. Sie könne weder die eine noch die andere Variante ernsthaft gutheissen«, hielt die IT-Unternehmerin Jacqueline Badran dem Arbeitgeber-Direktor entgegen. Mit Mindestlöhnen schaffe man gleich lange Spiesse, sodass “die schwarzen Schafe, eben die Ausbeuter oder die schlechten Unternehmen”, herausgefiltert würden.«
Wenn gewisse Unternehmen, die schon heute nicht rentabel sind, wegen des Mindestlohns untergehen, wären sie auch ohne über kurz oder lang untergegangen. Es kann ja nicht sein, dass Arbeitnehmende ihre Betriebe via Hungerlöhne subventionieren müssen und den Patrons eine geschützte Werkstatt erhalten.
Und es bleibt noch die Frage: Soll der Bund kantonale Volksabstimmungen kippen können? Soll da wieder einmal dem Argument geholfen werden, die da oben machen sowieso was sie wollen?
Aber wie immer, wird auch hier die Drohung mit den Arbeitsplatzverlusten, ihre Wirkung wieder entfalten …