Eindrücklich hat uns Franz Büchler die Beerdigung, oder die wieder Bodengleichmachung von Restaurant Lindengarten und der namengebenden Linde, sowie Sissys Bar gezeigt. Deren beider Tod war ja schon längere Zeit eingetreten, die Abdankung zog sich in die Länge. Jetzt ist’s unwiederbringlich geschehen. Über die Rettung des Kaugummiautomaten werden wir zu gegebener Zeit berichten.
Als ich vor rund 50 Jahren beschloss, mich in Birsfelden endgültig niederzulassen, gab’s von der Tramhaltestelle Schulstrasse bis zu meinem Obdach an der Friedensgasse mehrere mögliche Zwischenhalte.
Hirschen
Ochsen
Schwanen
Feldschlösschen
Luxor
Waldeck
Lerchengarten
Salmen
Rebstock
Lindengarten
Okay, zwischenzeitlich gab’s noch ein Nelson Pub (ein Lokal das seit Jahren leer steht) und seit 25 Jahren gibt’s die ROXY-Bar.
Mag sein, dass Blaukreuzler und Heilsarmisten des Jubellobs voll sind, dass hier mehrheitlich die Zapfhähne der Quellen allen Übels den „Geist“ aufgegeben haben. Nur: zu Bedenken ist eben auch, dass an diesen gastfreundlichen Orten auch Kaffee und Kuchen, Lotto im Sääli, Vereinsversammlungen, Familienfeiern, Jassnachmittage, Konfirmationen und Kommunionen, Nachbarschaftsfeste, Lesungen, Vernissagen und Vieles mehr stattfinden konnten.
Diese Freiräume (freie Räume) fehlen, es fehlen die Diskussionen der Besucher und der Gäste, es fehlt der Austausch der Gedanken und Parolen. Schlicht, ein demokratischer Verlust. Kommunale Demokratie findet kaum mehr statt und wir stehen da und lamentieren über die niedrige Abstimmungsbeteiligung und die lächerlichen Teilnehmerzahlen an Gemeindeversammlungen.
Derweil reiben sich noch immer die Pompiers (Pumpen) und der Feuerwehrverein die Hände, darüber, dass es ihnen gelungen war, seinerzeit den Einwohnerrat zu beerdigen. So geschlossen wurden die Florian-Jünger an Gemeindeversammlungen nie mehr gesehen.
Fotos by birsfälderpünggtli. Titelbild: Rest. Hirschen, Beitragsbild: Rest. Waldeck
Christoph Meury
Nov. 28, 2019
Es hat sich gezeigt, dass nicht jeder Knallfrosch, der einen Bierhahnen bedienen kann, auch ein guter Beizer, eine gute Beizerin, ist. Gute Beizen definieren sich auch nicht mehr über die Menge des Bierausschanks.
Die Trink- und Essgewohnheiten haben sich geändert. Radikal geändert! Die Führung eines Restaurant, wahrscheinlich auch einer Bar, ist anspruchsvoller geworden. Das Produkt muss stimmen.
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Nicht die Frankenschwäche, oder die fehlenden Rauchermöglichkeiten haben die Leute vertrieben, sondern die miserable Qualität der meisten Beizen. Wer’s nicht glaubt lanciert ein paar Eigenversuche oder schaut: http://www.3plus.tv/restauranttester.
Daniel Bumann, der Restauranttester führt anschaulich vor, wo’s mangelt. Gute Köche gibt es genügend und Beizen, deren Angebot stimmt, ebenfalls. Birsfelden ist jetzt vielleicht nicht der ultimative Hotspot für eine valable Gastronomie, aber verzweifeln sollte man deshalb noch lange nicht. Was nicht ist, kann ja noch werden.
Unser Gemeindepräsident hat übrigens diversifiziert und in Basel ein schönes Beizenprojekt lanciert: https://www.diomio.ch
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Birsfelden: Auch wenn ich ab und an Lust auf Pizza habe, dann bitteschön nicht in gefühlt hundert Beizen und wenn, dann bitte in gehobener Qualität. Nein, das Gastroangebot müsste reichhaltiger & fantasievoller sein. In Birsfelden fahlen entsprechende Angebote und man wäre geneigt ein entsprechendes Beizenprojekt zu lancieren. Ich habe auf dem Bruderholz vor zwei Jahren den Predigerhof lanciert http://restaurant-predigerhof.ch und weiss worüber ich palavere. Wohl bekomm’s!
Diego Persenico
Nov. 28, 2019
Lieber Ueli
damals gab es von der Tramhaltestelle Schulstrasse bis zu deinem Obdach an der Friedensgasse noch das Zentrum, die Krone der Schützen und die Sonne. In Wirtschaftskunde von damals, habe ich noch nicht alles vergessen.
Dominic Lüthy
Nov. 29, 2019
Es folgt eine Anleitung zu, Aufbau eines erfolgreichen gastronomischen Services:
1. Man nehme ordentlich Batzeli in die Hand. Wenn man das nicht selber hat, dann holt man es sich bei der reichen Ehefrau, beim Papa oder nimmt, wenn man aus einer unteren Gesellschaftsschicht kommt, Kredit auf.
2. Man vergewissert sich, dass es sich bei einem Gastronomiebetrieb um ein Renditeobjekt handelt, wo man selbst zuoberst sitzt.
3. Man schaut, dass das Angebot nach Hingabe und Passion ausschaut, familiär ist, obwohl die eigentliche Bedeutung davon nicht wirklich eine Rolle spielt. Solange das elsässische Personal den Anschein wart, passt alles. Dabei hilft der Behaviorismus als Managementstrategie.
4. Man läd gemäss linked in die angesagtesten Leute zur Eröffnung ein und hat ein Augenmerk darauf, dass kein Pöbel vor Ort erscheint.
Ähnliche Prozessabläufe mit ähnlichen ideologischen Vorstellungen werden auch gerne bei der Erziehung angewandt. Wenn jemand Erläuterungen dazu möchte, bitte melden.
Nach mir die Sintflut — scheiss auf kommende Generationen, schliesslich geht es um mich.
Christoph Meury
Nov. 29, 2019
Ein Rundumschlag auf’s Gastgewerbe ist wenig zielführend. Und wir wollen jetzt nicht die ElsässerInnen als Billigkräfte abqualifizieren. Das wäre unlauter. Unsere Region braucht die täglichen rund 60’000 PendlerInnen, welche hier ihren Job machen. Ohne sie hätte unsere Wirtschaft, inkl. der Gastronomie, ein grösseres Personalproblem.
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Aus der Warte eines Sekundarlehrers ist es natürlich easy über die Finanzierung von Gastroprojekten zu lamentieren. Die Schulen werden vollumfänglich vom Staat bezahlt und keine LehrerIn muss sich Gedanken machen, wie das Schulhaus, oder die Lehrkräfte finanziert werden.
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In der Privatwirtschaft funktioniert der Markt nicht in einer geschützten Wohlfühloase und gerade in der Gastronomie herrscht ein harter Verdrängungskampf. Soviel Gerechtigkeit bei der Betrachtung muss sein!
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Persönlich: Wenn man einen schlechten Tag hat, der Welt überdrüssig ist und einen gesellschaftlichen Koller schiebt, sollte man sich nicht ans Laptop setzen. Da kommt nicht’s Gescheites heraus.
Stefan Büchler
Nov. 30, 2019
Naja, das mit dem „schlechten Tag“ zählt natürlich nicht nur für Sekundarschullehrer.
Dein Rundumschlag, Christoph, betreffend „Wohlfühloase“ zeugt auch nicht gerade von grosser Zielführigkeit…
Christoph Meury
Dez. 1, 2019
Das ist wohl der Effekt den Kollege Lüthy mit Behaviorismus gemeint hat: Ein Reiz, in diesem Fall das Stichwort «Wohlfühloase« löst beim Pawlow’scher Hund Speichelfluss aus und reizt ihn, bzw. löst ein Hungergefühl bei ihm aus. Die klassische Konditionierung ist eine von dem russischen Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow begründete behavioristische Lerntheorie, die aber auch besagt, dass einer natürlichen, meist angeborenen, sogenannten unbedingten Reaktion durch Lernen eine neue, bedingte Reaktion hinzugefügt werden kann. Es gibt also einen Lerneffekt! Das ist doch hoffnungsvoll. Zurück zu den LehrerInnen: Im Gegensatz zur Privatwirtschaft muss sich die Lehrerschaft nicht um die täglichen Einnahmen durch Schulgelder, verkaufte Schul- oder Nachhilfestunden, Sponsoring, etc. kümmern. Die Schule wird über die Steuern pauschal finanziert. Das entspannt den schulischen Alltag wesentlich. Während der Gastronom (und davon sind wir ausgegangen) sich täglich um Umsatz & Ertrag kümmern muss und sein Erfolg wesentlich vom Goodwill der Gäste abhängt, damit er letztlich die Löhne für seine Angestellte bezahlen kann. Nur wenn er soundsoviele Essen & Getränke verkauft hat, ist er wirtschaftlich erfolgreich. Von solchen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten sind alle Staatsangestellten, also auch die LehrerInnen, befreit. Das ist ein Fakt und keine Unterstellung. Ergo ist die existentielle Frage vernachlässigbar, was letztlich eine komfortable Ausgangslage ist. Oder irre ich mich?
Mit ein bisschen Demut (oder zumindest weniger Überheblichkeit) könnte man diesen Vorteil bei den zukünftigen Überlegungen und allfälligen Attacken gegenüber Gastronomen berücksichtigen.
Emotionale Konditionierung würde man vielleicht bei den Verhaltensbiologen sagen…
Ueli Kaufmann
Dez. 1, 2019
Da schreibt einer aus gegebenem Anlass einen Bericht über das langsame Beizensterben in Birsfelden. Ohne kleinkarierte Schuldzuweisungen, ohne Blick auf Menükarten, Pachtzinsen, Rauchersalons, Sitzgarnituren unter Kastanien oder Linden, ohne Blick auf Finanzierung der Lokalitäten, unabhängig, ob hart erarbeitet, durch Steuergeld finanziert, geerbt, subventioniert, Familienbetrieb oder gar als Geldwaschanlage betrieben.
Von den eingegangenen Kommentaren ist einzig der Beitrag von Diego Persenico „zielführend“, indem er weitere Gastrobetriebe nennt, die in meinem Text vergessen wurden. Danke Diego.
Ich hatte mir eher Gedanken erhofft zum Lindefällen, Beizensterben, und zur Rettung eines antiken Kaugummiautomaten durch einen aufmerksamen Beobachter des täglichen Wandels.
Wie schon gesagt, wir werden darauf zurückkommen.
Betty C.
Dez. 3, 2019
Genau ! Ich fühle mit Dir und Diego mit !
Und doch muss unser Co-Leser des ‘birsfaelder.li’ Christoph Meury (FDP-ler und Kulturmann sowie manchmal ein wenig Moralist) seinen täglichen Text von sich geben. Das gehört so.
Und — ohne Franz, das Ge(W)issen Birsfeldens, würde es schon lange keinen Spass mehr machen.
Franz Büchler
Dez. 1, 2019
Applausvasall
Lamettisierung
Begriffconsulting
Begriffsvermummung
Begriffskosmetik
Schönwörtelei
Wolpertingerismus
Gentrifikateur
Geschichtenbrösler
Homo oralis
Logorrhöe
Imagewallfahrt
Kaulquappennummerierer
pekuniärer Tiefseetaucher
Persönlichkeitsdesigner
Augenblicksschmarotzer
So, nun hätte ich auch mal nichts zur Sache gesagt und nur ein wenig gepoltet!
Betty C.
Dez. 5, 2019
Ha ! — die Präzision: Homo oralis und Logorrhöe ! Franz – you made my day !
Stefan Büchler
Dez. 1, 2019
Was ich eigentlich mit einfachen Worten zum Ausdruck bringen wollte:
Ich gehe davon aus, dass auch hier jeder seine eigene Meinung haben kann. Manchmal sagt einem die Meinung anderer vielleicht etwas mehr zu, manchmal etwas weniger.
Man kann Meinungen anderen kommentieren oder kritisieren — kein Problem.
Aber bitteschön auf inhaltlicher Ebene. Die Berufe derjenigen, die eine eigene Meinung haben und den Mut haben, etwas dazu hier zu posten, sollten doch eigentlich keine Rolle spielen.
Dies rechtfertigen meiner Meinung nach auch nicht „siebengscheite“ Worte oder das Begründen mit russischen Berühmtheiten.
Erfahrungsgemäss wechselt man von der sachlichen auf die persönliche Ebene, wenn einem die Argumente ausgehen. Offenbar hat also der Beitrag von Dominic etwas ausgelöst, auf das nicht mehr sachlich reagiert werden konnte…
Der Pawlow hat mal was mit einem Hund geforscht, aber es war nichts, das mit „bellen & beissen“ zu tun hat! 🙂
Christoph Meury
Dez. 1, 2019
Marcel Reich-Ranicki beendete das Literarisches Quartett jeweils mit einem abgewandelten Brecht-Zitat: «Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen«
Stefan Büchler
Dez. 1, 2019
Ich erinnere mich in solchen Situationen an einen Song von 1988, der unter anderem auch von Ronan Keating gecovert wurde:
„… You say it best, when you say nothing at all…“
ueli kaufmann
Dez. 1, 2019
Gerne reihe auch ich mich noch in die Phalanx der „Liebhaber letzter Worte“ ein.
Bevor ich mein letztes Wort mitteile, Dank an Diego Persenico, dass er seinen eigenes Hundehotel, bzw. dessen Schliessung, in diese Gastrodiskussion nicht eingebracht hat.
Mein letztes Wort als Präsident der Petitionskommission war nach Anhörungen der Petenten während 7 Jahren jeweils: „Das war’s wohl. Oder haben Sie noch eine Antwort vorbereitet, auf eine Frage, die nicht gestellt wurde?“
Betty C.
Dez. 3, 2019
Ha ! Wunderbar, die Präzision: Homo oralis und Logorrhöe ! Franz — you made my day !