Geseg­net oder priv­i­legiert?

Immer wieder stosse ich auf die Worte „Ich bin wirk­lich geseg­net im Leben!“ Ein Segen soll Schutz, Gedei­hen oder Glück brin­gen, ist also ein pos­i­tiv­er Zus­pruch. Ein Segen kann von allen gesprochen wer­den, mit oder ohne Segens­ges­tus. Dieses Rit­u­al ist kirch­lich bekan­nt, aber auch in der säku­laren Welt ein Begriff. Wir alle wün­schen uns Segen für unser Leben, unsere Kinder und Eltern. Es soll allen gut gehen und wir wollen gesund blieben. Alle Men­schen sollen diesen Zus­pruch erfahren dür­fen, auch die, welche der Kirche den Rück­en gekehrt haben. Ein Ja zum Leben und den damit ver­bun­de­nen Her­aus­forderun­gen.
Dabei fällt mir auf, dass ich in der war­men Woh­nung am Com­put­er sitze. Meine Kinder sind in ein­er staatlichen Schule oder im Kinder­garten, kein Krieg, der Kühlschrank ist voll. Ab mor­gen darf ich nach zwei Wochen Ferien wieder arbeit­en gehen. Bin ich krank, kann ich zum Hausarzt, die Weit­er­bil­dun­gen sind bis Ende Jahr gebucht und wenn ich mal gar keine Lust habe, dann gönne ich mir einen unbezahlten Urlaub oder wech­sle meine Stelle. Klingt ziem­lich geseg­net, oder nicht? Wenn ich mein Leben mit vie­len anderen auf der Welt ver­gle­iche, dann fällt mir einzig das Wort „priv­i­legiert“ ein und es ist ein pur­er Zufall, dass ich hier in der reichen und sicheren Schweiz geboren wurde. Es ist eine Tat­sache, dass die Bedin­gun­gen für ein Leben auf dieser Erde nicht für alle gle­ich sind. Und auch bei uns sind die Bedin­gun­gen nicht für alle gle­ich. Als cis Mann (ich füh­le mich mit meinem Geschlecht wohl) in der Schweiz darf ich mich wahrlich auf der Son­nen­seite des Lebens sehen. Ich werde ernst genom­men, erfahre keine sex­uellen Beläs­ti­gun­gen, kann im Rah­men des Möglichen tun und lassen, was mir gefällt. Anders wäre es, wenn ich schwul, non binär, dick, aus­ländisch ausse­hend oder Kopf­tuch tra­gend (diese Liste ist nicht voll­ständig) wäre. FLINTA fasst es gut zusam­men (Frauen, Les­ben, inter, nicht-binäre, trans und agen­der Per­so­n­en).
Wieso gehen Men­schen auf andere Men­schen los und warum sehr häu­fig gegen die, die anders sind als die het­ero­nor­ma­tive binäre Geschlecht­sor­d­nung? Treten gegen die anderen ist auch ein Prob­lem des immer noch mächti­gen Patri­ar­chates und den damit ver­bun­de­nen Priv­i­legien, die wiederum den cis Män­nern zugute kom­men. Nur nichts ändern am Sys­tem, son­st fällt uns noch der „Segen“ ab! Oder eben die Priv­i­legien. Ich wün­sche ALLEN geseg­nete Wei­h­nacht­en und mögen Sie auch an die nicht so priv­i­legierten denken.

Markus Bür­ki

Mattiello am Mittwoch 24751
Trump Dämmerung 45

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