Eine Rose für das Christkind
In Bethlehem, weit abseits vom bewohnten Gebiet, stand ein alter Stall. Er war wirklich verwahrlost und richtig ungepflegt. In der Nähe hüteten einige Hirten ihre Schafe auf den weiten offenen Feldern, vor dem Stall blühten einige ungepflegte Windröschen. Nahe am Stalleingang stand ein besonders schöner Rosenstock. Aber niemand betrachtete die Blumen, man hatte für so etwas keine Zeit. Man musste ja schließlich arbeiten um zu überleben. Die einen Blumen verwelkten und andere trieben wieder Knospen. Aber die eine Blüte blieb und welkte nicht, sie wurde grösser und schöner jeden Tag. Die Rose drehte sich nie der Sonne zu, wie das so üblich ist in der Natur. Nein, sie schaute immer zum Stall. Manchmal gingen Menschen in den Stall um einen Ochsen zu füttern. Die Rose beachtete keiner. Die anderen Blumen am Strauch waren schon lange welk. Doch die eine blühte weiter und weiter, als würde sie auf etwas warten. Sie wurde sehr einsam, aber nicht traurig, denn sie wusste, dass bald etwas Großartiges passieren würde. Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger und kälter, Schnee gab es damals in diesen Breitengraden nicht. Es schien ihr egal zu sein. Und siehe, da kamen plötzlich Menschen. Eine Frau und ein Mann. Die Frau saß auf einem Esel und sah müde aus. Es schien, als hätten sie eine lange Reise hinter sich. Vermutlich waren sie arm. Sie richteten ein Schlaflager ein, um sich auf Stroh zwischen Ochs und Esel zu wärmen. Sehr komfortabel war diese Übernachtunsmöglicheit sicher nicht. Es wurde ganz finster und still. Es gab eine kurze Nacht. Aber draußen am Himmel stand, gerade über dem Stall, ein schöner, heller Stern. Aus dem Inneren des Stalls hörte man plötzlich ein leises Wimmern und Weinen. Ja ja, ein Kindlein war geboren, das Christkind war da. Es war die Heilige Familie, Mutter Maria und Vater Josef. Sie waren überglücklich, nicht mehr müde. Hirte kamen mit den Schafen. Es waren die ersten Menschen, die den kleinen Jesus sahen. Und drei Könige erschienen und brachten Geschenke. Und die Rose senkte ihr Köpfchen und verwelkte. Sie hatte auf das Christkind gewartet um es zu sehen. Seither heißt sie Christrose. So blüht sie immer zur Advents- und Weihnachtszeit.
Walter Lyrer