Der Nationalfeiertag steht an und alles bereitet sich vor: Augustweggen werden gebacken und mit falschformatigen Zahnstocherfähnli “Made in China” bestückt, Frauenfürze werden ohne Fähnchen gezündet, Reden geschrieben und schliesslich gehalten. Alles wie immer! Auch in Birsfelden. Auf dem Inseli steigt die Lokalparty mit dem grossen Feuer, dem Lampionumzug, viel Bier und dem traditionellen Verzicht auf eine Rede.
Ja, auch in diesem Jahr beehrt uns keine Persönlichkeit mit ihrem mehr oder weniger geistreichen Spracherguss (oder dem ihres Redenschreibers). Insbesondere die Bundesräte machen einmal mehr einen grossen Bogen um Birsfelden und um die beiden Basel. Aber warum nur? Wir machen uns hier auf spekulative Spurensuche.
Bundespräsident Ueli Maurer hält in Birsfelden keine Rede, damit Georg Kreis ihm nicht schon wieder Geschichtsunterricht geben muss und ihn über die Werte der Schweiz aufklärt: Waffenexporte, Plünderung Afrikas und Südamerikas durch Rohstoffkonzerne, Korruption in der FIFA und weitere kleine (Bank)Geheimnisse.
Ignazio Cassis kommt nicht nach Birsfelden, weil er nicht gerne auf Reisen geht. Gut, Birsfelden ist nichts für einen Aussenminister, aber eine Rede im Ausland, bei den Auslandschweizern, die ja Wählen und Abstimmen dürfen, obwohl sie keine Steuern bezahlen, wäre das Mindeste. Z.B. in Montevideo, wo es einen so schönen Wilhelm Tell hat.
Bundesrat und Aussenminister Cassis hätte, so hört man, einer 1.Augustrede auf dem Inseli generell zugesagt, allerdings erst, wenn die Rahmenverträge mit der EU in trockenen Tüchern sind. Dannzumal sollen Schweiz und EU das Inseli zur zollfreien Insel erklären (neuer Name: “Zinseli”), vergleichbar mit Samnaun GR.
Das würde einerseits ein Zollscharnier zu Deutschland bedeuten, andrerseits das hiesige Gewerbe beruhigen, weil Einkaufsturismus nach Grenzach einen Hieb(er) erhielte. Zudem gilt ja generell, wirtschaftlich vom Bund benachteiligte Randgebiete zu fördern. Der Pruntruter-Zipfel und das Onsernone-Tal werden auch auf diesen Schritt vorbereitet. Weitere 1. Augustreden sind für Porrentrui JU (2021) und Spruga TI (2022) vorgesehen. Der Aussenminister freut sich, so den Schweizern aller vier Landessprachen mehr oder weniger gleichzeitig und ausgewogen legalen Zugriff auf zollfreie Raucherwaren zu garantieren.
Bundesrätin Sommaruga, u.a. zuständig für temperierte Tasteninstrumente will sich in Basel natürlich nicht an überhitzten Tramschienen die Finger verbrennen. Sie lässt lieber den Genossen Wessels die Kohle aus dem Feuer holen. Zudem, warum soll hier eine Genossin sprechen, die Basler haben genügend eigenes Personal.
Bundesrat Parmelin kommt nicht nach Birsfelden, weil er sich als Erstes nach den Reben erkundigte. Jaja: Reben, nicht Raben.
Nachdem er feststellen musste, dass das Kloster St. Alban auf dem Birsfeld keinen Wein mehr anbaut, hat er sich schnöde fast einzig dem Waadtland zugewandt.
Als Bundesrat Berset gesagt wurde, dass die Bundesfeier in Basel jeweils auf dem Bruderholz statt findet, erinnerte er sich daran, den Namen schon einmal in anderem Zusammenhang gehört oder gelesen zu haben. Ist Bruderholz ein Quartier, ich dachte das sei ein Spital? Also: “Dort lieber nicht.”
Zudem hat er als Zuständiger für Meteorologie und Klimatologie Angst, für das Waldsterben in der Hard verantwortlich gemacht zu werden. Proteste wie in Stans auf dem Bundesratsreisli möchte er nicht ein zweitesmal erleben.
Karin Keller-Sutter, die Zuständige Bundesrätin für Justiz und Polizei muss sich derzeit um einen mittelamerikanischen Einwanderer kümmern, der sich tauchenderweise ohne Asylgesuch illegal im Hallwilersee versteckt. Eine Rede im Joggeli wäre zwar ideal, aber da die Choreographie der Muttenzerkurve nicht zuvor eingereicht und bewilligt werden muss: Absage.
Nach Birsfelden kommt sie nicht, seit sie in Erfahrung gebracht hat, dass die Ortspolizei in Birsfelden fast inexistent ist. Und sie findet es unter der Bundesratswürde nur die Daruwache als Bodyguards zu haben.
Bei der Neo-Bundesrätin Nr. 2 Viola Amherd ist es mutmasslich die Sprachbarriere, die sie davon abhält, ausserhalb des Wallis eine Rede zu halten. Zu gross ist das Risiko, dass man ihr Wollissärdytsch nicht versteht oder falsch interpretiert. Es besteht aber zumindest eine theoretische Chance, dass sie doch noch in Birsfelden landet. Zwar ist ihre Rede am Nationalfeiertag selbst in Münster (VS) geplant. Aber man weiss ja nie: Vielleicht ladet der VBS-Helikopter die Bundesrätin bei irgend einem Festzelt ab, an dem dieser vorbeifliegt.
Thurnherr ?
Ist ja nur der Kandesbunzler, kann auch ausgelassen werden
Sehr auffällig wie unsere beiden Grafiken zeigen:
• Die Bundesrätinnen halten je nur eine Rede. Da zwei noch recht neu sind, gibt es dieses Jahr noch keine Rüge für die Arbeitsverweigerung. Aber eigentlich können wir uns bei den drei Frauen nur bedanken — oder wie es Christian Mansch in der bz formulierte: »Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses (Feuerwerk Red.) einen Flächenbrand auslöst, ist dabei grösser als die Chance, dass eine der vom Podium gehaltenen Ansprachen den Knalleffekt eines ‘Frauenfurzes’ übertrifft.«
• Nach Parteien schwingt die SVP mit 8 Reden von 2 Bundesräten weit oben aus, was einmal mehr zeigt, wer die Schwätzer sind. Das Grün des SVP-Schnitzes ist Tradition und Anmassung zugleich.
Und falls die eine oder der andere Birsfelder trotz wiederholter Missachtung unsrer Region doch noch live zuhören möchte, hier noch Personen und deren Darsteller mit Auftrittsorten, wir wünschen tut, toi, toi:
31.07 Ansprache in Herzogenbuchsee (BE), Ueli Maurer
01.08 Fête des Vignerons, Vevey (VD), Ueli Maurer
01.08 Ansprache in Hinwil (ZH), Ueli Maurer
31.07 Bundesfeier in Krauchthal (BE), Ignazio Cassis
01.08 Brunch auf der Alpage Pâquier in L’Etivaz (VD), Ignazio Cassis
01.08 Bundesfeier in Chiasso (TI), Ignazio Cassis
01.08 Bundesfeier in Gruyères (FR), Simonetta Sommaruga
31.07 (10–17 Uhr) Grande balade dans le Paradis du Vin, Guy Parmelin
31.07 (18–23 Uhr) Nationalfeier Gemeinde Gletterens (FR), Guy Parmelin
01.08 (10.30–14.30 Uhr) Nationalfeier auf dem Weissenstein (SO), Guy Parmelin
01.08 (16–19 Uhr) Nationalfeier Gemeinde Rueyres, Gros de Vaud (VD), Guy Parmelin
01.08 (19.45–23.00 Uhr) Nationalfeier Gemeinde Etoy (VD), Guy Parmelin
01.08 (11.15–13 Uhr) Ansprache in Yverdon-les-Bains (VD), Alain Berset
31.07 Ansprache in Rorschach (SG), Karin Keller-Sutter
01.08 Ansprache in Münster (VS), Viola Amherd
31.07 Nationalfeier in Luzern (LU), Walter Thurnherr, Bundeskanzler
Gasser Alex
Jul 31, 2019
Ich möchte auch keine 1. Augustrede halten. Auf was soll man sich beziehen? Auf die guten alten Zeiten? Die ja auch nicht immer gut waren. Auf die frühen Anfänge der Eidgenossenschaft? In diesen Zeiten dienten unsere jungen Schweizer in ausländischen Heeren, töteten, plünderten, brandschatzten. Zudem hatte man damals viel zu wenig aufgeschrieben, auch sind sämtliche Fotos verloren gegangen.…
Als könnte man über die heutigen Probleme auf der Welt und in der Schweiz reden. Doch das wäre kalter Café, weil die schlechten Nachrichten eh im Sekundentakt ins Handy piepsen.
Halt! Man könnte über unsere Werte reden, unsere Errungenschaften, über all die folgsamen, netten und hilfsbereiten Bürgerinnen und Bürger. Doch das wäre langweilig, denn wir Schweizer lieben es, uns selber anzuprangern.
Ich wünsche euch allen einen besinnlichen 1. August
Alex Gasser
max feurer
Jul 31, 2019
Der 1. August wurde bekanntlich 1891 von den Bernern anlässlich der 700-Jahrfeier ihrer Stadt festgelegt,- für den Rütlischwur, den es so (ausser bei Friedrich Schiller) nicht gegeben hat. Also: ein rein symbolisches Datum ohne geschichtlichen Hintergrund. Anstatt all der schönen Reden, die am 2. August schon mehr oder weniger vergessen sind, sollten wir uns vielleicht daran gewöhnen, uns selber — ohne Redner — ab und zu Gedanken darüber zu machen, wie wir persönlich zur diesem Staatsgebilde stehen und was die Schweiz uns wert ist ;-)?