Seit anfangs Jahr ist ein demokratischer Präsident an der Macht, Joe Biden. Eigentlich könnte sich die Innenpolitik in den USA wieder etwas “normalisieren”: Die Demokraten regieren, die Republikaner blockieren 😉 . Alles soweit in Ordnung?
Leider bei weitem nicht: Die Republikaner blockieren nicht nur, sie sind gerade daran, sich definitiv — sicher zur Freude der Weltwoche — in eine Trump-Kultpartei zu verwandeln. Liz Cheney, Tochter der Grauen Eminenz hinter George W. Bush und stockkonservative Politikerin, die den Demokraten eine irrationale, lächerliche und verrückte Politik unterstellt, könnte am Mittwoch von ihren Parteigenossen ihres Postens als Fraktionschefin enthoben werden. Grund: Sie stellt sich gegen Donald Trump.
Es lohnt sich, ihren Aufruf in der Washington Post vom letzten Mittwoch zur Kenntnis zu nehmen, um zu realisieren, wie es zurzeit mit der republikanischen Partei — und damit mit der innenpolitische Situation in den USA — steht:
In öffentlichen Erklärungen auch in dieser Woche hat der ehemalige Präsident Donald Trump seine Behauptungen wiederholt, dass die Wahl 2020 ein Betrug war und gestohlen wurde. Seine Botschaft: Ich bin immer noch der rechtmäßige Präsident, und Präsident Biden ist illegitim. Trump wiederholt diese Worte jetzt mit vollem Wissen, dass genau diese Art von Sprache die Gewalt am 6. Jan. provozierte. Und wie das Justizministerium und mehrere Bundesrichter meinen, gibt es guten Grund zu glauben, dass Trumps Sprache wieder Gewalt provozieren kann. Trump versucht, entscheidend wichtige Elemente unserer verfassungsmäßigen Struktur, die die Demokratie funktionieren lassen, zu sabotieren — das Vertrauen in das Ergebnis von Wahlen und die Rechtsstaatlichkeit. Kein anderer amerikanischer Präsident hat dies je getan.
Die Republikanische Partei steht an einem Wendepunkt, und die Republikaner müssen sich entscheiden, ob wir uns für die Wahrheit und die Treue zur Verfassung entscheiden werden. In der unmittelbaren Folge der Gewalt des 6. Januar kannten fast alle von uns die Schwere und die Ursache dessen, was gerade passiert war — wir hatten es aus erster Hand erlebt.
Der Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy (Kalifornien), ließ in seinen öffentlichen Äußerungen keinen Zweifel aufkommen. Am 13. Jan. sagte McCarthy: “Der Präsident trägt die Verantwortung für den Angriff auf den Kongress am Mittwoch durch den randalierenden Mob. Er hätte den Mob sofort anprangern müssen, als er sah, was sich abspielte.” Jetzt hat McCarthy seine Meinung geändert.
Ich bin ein konservativer Republikaner, und die konservativste der konservativen Werte ist Ehrfurcht vor der Rechtsstaatlichkeit. Jeder von uns schwört einen Eid vor Gott, unsere Verfassung zu wahren. Das Wahlmännerkollegium hat gesprochen. Mehr als 60 Staats- und Bundesgerichte, darunter mehrere von Trump ernannte Richter, haben die Argumente des ehemaligen Präsidenten zurückgewiesen und sich geweigert, die Wahlergebnisse zu kippen. Das ist Rechtsstaatlichkeit; das ist unser verfassungsmäßiges System zur Lösung von Ansprüchen auf Wahlbetrug.
Die Frage, die sich uns jetzt stellt, ist, ob wir uns Trumps Kreuzzug anschließen werden, um das rechtliche Ergebnis der Wahl 2020 zu delegitimieren und ungeschehen zu machen, mit allen Konsequenzen, die das haben könnte. Ich habe in Übersee in Nationen gearbeitet, in denen Führungswechsel nur mit Gewalt einhergehen, in denen die Demokratie nur bis zum nächsten gewaltsamen Umsturz Bestand hat. Amerika ist außergewöhnlich, weil unser Verfassungssystem davor schützt. Das Herzstück unserer Republik ist die Verpflichtung zur friedlichen Machtübergabe zwischen politischen Rivalen in Übereinstimmung mit dem Gesetz. Präsident Ronald Reagan beschrieb dies als unser amerikanisches „Wunder“.
Während das Unterstützen oder Ignorieren von Trumps Aussagen für einige für Fundraising und politische Zwecke attraktiv scheinen könnte, wird diese Einstellung tiefgreifende langfristige Schäden für unsere Partei und unser Land bewirken. Trump hat nie Reue oder Bedauern für den Angriff vom 6. Januar ausgedrückt und suggeriert nun, dass man unseren Wahlen und unserem Rechts- und Verfassungssystem nicht trauen kann, den Willen des Volkes zu erfüllen. Dies ist immens schädlich, zumal wir jetzt auf der Weltbühne gegen das kommunistische China und seine Behauptungen, dass die Demokratie ein gescheitertes System ist, konkurrieren.
Für uns Republikaner ist der weitere Weg klar:
Erstens müssen wir die laufenden strafrechtlichen Ermittlungen des Justizministeriums zum Angriff am 6. Jan. unterstützen. Diese Untersuchungen müssen umfassend und objektiv sein; weder das Weiße Haus noch ein Mitglied des Kongresses sollte sich einmischen.
Zweitens müssen wir eine parallele, parteiübergreifende Untersuchung durch eine Kommission mit Vorladungsbefugnis unterstützen, um Fakten zu suchen und zu finden; sie wird für alle Amerikaner beschreiben, was passiert ist. Dies ist entscheidend, um die Fehlinformationen und den Unsinn, der in der Presse und in den sozialen Medien kursiert, zu bekämpfen.
… Schließlich müssen wir Republikaner für wirklich konservative Prinzipien einstehen und uns vom gefährlichen und antidemokratischen Trump-Personenkult abwenden. In unserem Herzen sind wir dem amerikanischen Wunder verpflichtet. Wir glauben an die Rechtsstaatlichkeit, an eine begrenzte Regierung, an eine starke Landesverteidigung und an Wohlstand und Chancen, die durch niedrige Steuern und eine fiskalisch konservative Politik entstehen.
… Die Geschichte sieht zu. Unsere Kinder sehen zu. Wir müssen mutig genug sein, um die Grundprinzipien zu verteidigen, die unsere Freiheit und unseren demokratischen Prozess untermauern und schützen. Ich bin verpflichtet, das zu tun, egal, was die kurzfristigen politischen Konsequenzen sein könnte.
Auch wenn ich das Heu politisch gesehen bei weitem nicht auf der gleichen Bühne habe wie Liz Cheney: Das sind mutige Worte!