Ab Ende März ist es soweit. Per 30.3.2015 sind alle Gemeinden des Baselbiets selbst für «Ruhe und Ordnung» zuständig. Und zwar 24 Stunden am Tag. So will es das neue Polizeigesetz (PolG).
Diese neue Kompetenzenregelung bürdet den Gemeinden damit ganz klar eine neue Last auf. Als grössere Gemeinde mit eigener Gemeindepolizei (GePo) ist das für Birsfelden zwar keine ganz neue Aufgabe. Die Ausweitung auf einen 24/7‑Dienst jedoch schon. Wenn jemand die 117 wählt, weil der Nachbar auch um 23 Uhr seine Musik partout nicht leiser stellen will oder es am Samstag Abend jemand grausam lustig findet, aus den geleerten Bierfläschli Kleinglas zu machen, dann muss ja jemand ausrücken. Und dafür sind jetzt immer die Gemeinden zuständig.
Wie das neu so funktioniert mit der innovativen Kompetenzen- und Lastenverteilung, kann der Kompetenzinhaber diese Leistung teilweise nun selber definieren. Insbesondere für kleinere Gemeinden ohne eigene Polizei-Infrastruktur eine nicht ganz leichte Aufgabe. Nicht zuletzt deshalb bietet der Kanton auch grosszügig an, seine Polizei zu schicken. Je nach Ausführung kostet das etwa 2 bzw. 4 Franken pro Einwohner. Laut «bz Basel» haben sich aber trotz Deadline Ende Februar noch nicht alle Gemeinden beim Kanton gemeldet und uns hat es deshalb interessiert, ob und wie das unser Birsfelden betrifft.
Gemäss Samir Stroh, wohlbekannter Abteilungsleiter Sicherheit, verzichtet Birsfelden auf den kantonalen Vorschlag, der anscheinend ohnehin sehr spät bzw. zu spät kam. Aber nicht etwa, weil man die GePo für einen entsprechenden 24h Pikett-Einsatz ausbauen will. Nein, anscheinend geht es wesentlich billiger. Die nun gewählte und voraussichtlich günstigste Lösung scheint nach Abwägung zahlreicher Argumente nun zu sein, dass ein privater Dienstleister den Pikettdienst übernimmt:
Für das Jahr 2015 steht uns die Bewachungsfirma BEWA (welche bereits seit 10 Jahren die Birskopfmatte bewacht) an der Seite. Gemäss unserer Beschaffungsordnung hat die Firma BEWA den Zuschlag erhalten und folgende zwei Leistungen haben wir beschlossen:
- Pikett, Mo-So 17:00–07:00 sowie Sa, So und Feiertage 24h
- Erledigung Einsätze Ruhe und Ordnung zu den oben erwähnen Einsätzen
Künftig werden sich also zwei private Sicherheitsangestellte der BEWA auf die Socken machen, falls ausserhalb der Bürozeiten für Ruhe zu sorgen ist (Ueli M.’s Fliegerstaffel lässt grüssen). Bewaffnet mit Schlagstock und Pfefferspray. So erlaubt es das neue PolG. Gewaltmonopol hin oder her.
Interessant ist für unsere Gemeinde aber tatsächlich der Preis. Die Verantwortlichen rechnen mit ungefähr zwanzig Einsätzen der BEWA-Truppe und kommen so auf Kosten von weniger als CHF 15’000.- pro Jahr. Ein Schnäppchen. Ob billig aber in diesem Fall das wichtigste Argument sein soll, wird sich noch weisen. Chilbi-Erfahrungen mit der Firma sind jedenfalls nicht nur positiv. Der Auftrag wurde vorerst für ein Jahr vergeben und wird dann aufgrund der gemachten Erfahrungen allenfals neu ausgeschrieben.
Franz Büchler
Mrz 6, 2015
Was ich mich bei dieser Auslagerung frage:
• Gibt der Staat, ganz im Sinne von FDP und SVP, nach und nach sein Machtmonopol ab? Auch die KESB wurde ausgelagert, das LAVA, was folgt noch?
Die SP wurde nach langer, langer Zeit erst in Regierungsämter zugelassen, als sich diese klar zum Staat und den dazugehörigen Institutionen bekannte.
Müsste man dies nicht auch von SVP und FDP zu verlangen?
• Private Sicherheitsleute stehen nicht unter staatlicher Disziplinargewalt und nicht unter demokratischer Kontrolle wie die Polizei! Was bedeutet das?
• Was passiert, wenn sich Personen gegen eine Kontrolle wehren? In solchen Fällen dürfen private Sicherheitsleute keinen Zwang anwenden, auch keine Gewalt. Sind Schlagstöcke und Pfeffersprays keine Gewaltinstrumente?
• Wie sind diese Sicherheitsleute ausgebildet? Haben sie etwas von Psychologie und Deeskalation mitbekommen? Wer kontrolliert die Ausbildung und die Fähigkeiten dieser Sicherheitsleute?
• Sind sich die Auslagerer bewusst, dass private Sicherheitsleute nie die gleiche Akzeptanz haben werden wie Polizistinnen und Polizisten?
florian dettwiler
Mrz 7, 2015
Schöner Fragekatalog! Ich bin auch gespannt, ob und wie das funktioniert.
Für private Sicherheitsdienstleister (und ihre Angestellten) gibt es im Gesetz unter 10 “Rechte und Pflichten Privater” zumindest teilweise auch klare Vorschriften.
hasira
Mrz 7, 2015
Ich stehe vor einem Dilemma: Bewerte ich jetzt mit den Sternchen den Artikel oder die “Gemeindelösung mit BEWA”?
Sind die Fr. 15’000.— eine Pauschale?
Bekommen die Sicherheitsleute womöglich das Geld fürs Bürohocken – oder werden die auch noch zu anderen “Arbeitgebern” geschickt? Und verdient sich dann ihr Arbeitgeber dumm und dämlich = Privatwirtschaft?
florian dettwiler
Mrz 7, 2015
Der Preis setzt sich gemäss Gemeinde folgendermassen zusammen:
— Für die Dienstleistung des Pikett-Angebotes von 17 bis 7:30 Uhr (Mo-Fr) und dem gesamten Wochenende ist ein Sockelbetrag von 7’000 CHF zu bezahlen. In diesem Sinne für’s “Bürohocken”, aber solche Bereitschaftsdienste müssen halt auch organisiert sein. Und ja: Eine private Firma wird auch noch andere Kunden haben und nicht für Birsfelden extra Leute anstellen, die dann nur hier vorbeikommen.
— Jeder Einsatz wird dann zusätzlich separat abgerechnet. Je nach Anzahl und Länge kann dieser Betrag variieren.
hasira
Mrz 10, 2015
Also nehmen wir mal den Montag:
Die BEWA wacht für die Birsfelder und Birsfelderinnen bis 07.30 Uhr.
Gemeindepolizeis Telefon funktioniert ab 09.00 Uhr.
Das heisst ja, die bösen Buben haben eineinhalb Stunden freies Feld? Oder nimmt man an, die bösen Buben liegen um diese Zeit sowieso noch im Bett?