Es ist gut 50 Jahre her. Winikon (LU), meine Grosselterm lebten dort, ich, das Stadtkind, wurde ferienhalber anfänglich nicht ungern dort parkiert. Abends, so zwischen 19.00 und 20.00 Uhr brachten die Bauern, die Bauernbuben, die Milch der verstreuten Höfe in die Käserei. Die Milchkannen standen auf hölzernen Einachsern, die von Hunden gezogen wurden. Auf dem Rückweg zogen die Hunde Bränten mit Molke. Schweinefutter, sorry, Schweine-Softdrinks. Auf dem leicht abfallenden Platz vor der Käserei bellten rund 50 Hunde, eingespannt in ihr Zuggeschirr. Ich fürchtete mich, die Hunde waren grösser als die Quartierpudel und ‑dackel die in Binningen Gassi geführt wurden. Dass sich die Hunde nur miteinander unterhielten, gleich wie die Bauern und die Dorfjugend, die sich hundegleich nur einmal täglich, alle vor der Käserei trafen, weiss ich heute.
Als Exot aus der Stadt wurde ich von den Mädchen auf dem Käseplatz bestaunt, von den Buben auf dem Heimweg deshalb verprügelt. Vor Hunden habe ich noch heute Respekt.
Einmal, muss ich erzählt haben, dass ich mich aufs Nachtessen freue, Oma hätte Kürbis gekocht. Das war mein Aus: „Die fressen Schweinefutter! in Basel“. In Basel haben wir Zuckerrüben geschnitzt. Schweine füttern war in der Stadt nicht üblich, „Kürbis“ war im Konsi und der Migros ein Fremdwort. Heute läuft man Slalom durch die Gemüseabteilung um nicht über diese Früchte zu stolpern. Die Floristen dekorieren mit Zierkürbissen. Bei den Elsässer Marktfrauen musste man damals Kürbisse bestellen – ohne Gewähr. Um Grossmutters Rezepturen selbst zu kochen, fuhr mein Vater im Käfer mit mir ins Wiesental, zu einem Bauern in Schopfheim (?), zu den „Sauschwaben“, die das Schweinefutter noch auf dem Mist wachsen liessen.
Ich erinnere mich an Kürbisgelee, Kürbiskonfi, Kürbisgutzi, eingeweckte Kürbiswürfel in gezuckertem Essigwasser mit Senfsamen und Nelken gekocht. Kürbissuppe, die heute eher nach Curry, als nach Kürbis schmeckt, verliess wohl nie den elterlichen Herd, steht aber derzeit auf der Menuekarte jedes Gastronomietempels.
Leser, die sich bis hierhin druchgelesen haben, werden sich nun fragen: Warum schreibt der das?
Er schreibt es, weil er einmal mehr den Halloween, den angelsächsischen Kürbiszirkus, ohne Schrecksekunde überlebt hat. Er hat die nach von der Migros vermarkteten Halloween-Kürbis-Schnitz-Schablonen ohne Schaden überstanden, den Geisterzügen durch die Innerstadt konnte er erfolgreich ausweichen, was ihm bei den plakatierten Schreckgespenstern, der Parteien-Geisterbahn der letzten Wochen, nicht gelang. Was bleibt?
Eine Gurkentruppe, die sich gegen jede Integration fremder Kulturen und Bräuche wehrt.
Das wird erfahrungsgemäss so lange dauern, bis sich daraus ein Geschäft machen lässt.
annacarla
Nov 2, 2015
“Sauschwaben”? Ist das nicht rassistisch?
ueli kaufmann
Nov 2, 2015
Ist nicht rassistisch, zumal Sauschwaben und Kuhschweizer zur gleichen Rasse, was auch immer das ist, gehören. Alemannen, scusi annacarla, auch Alefrauen.
Die freundlichen Bezeichnungen sind geoagrarhiistorisch.
Die Bauern nördlich des Rheins (Herzogtum Schwaben) zwischen Bodensee bis zum Rheiknie züchteten vornehmlich Schweine, 1 Kuh hielten sie für die Selbstversorgung. Der Bauer war für die Säue zuständig, die Bäuerin für die Kuh.
Südlich des Flusses (Confoederatio Helvetica) wurde mehrheitlich Milchwirtschaft betrieben. Der Bauer war für das Vieh zuständig, Die Bäuerin verwertete Reste und Abfälle für die 1–2 Selbstversorgungsschweine und eben die auf dem Mist gewachsenen Kürbisse.
Seit ein paar Jahren gibt es Wettbewerbe: Wer hat den grössten Kürbis? Zuvor wurde unter Bauern noch nach den grössten Kartoffeln gesucht.
Sorry, ich kann es mir nicht verklemmen: Heute fragt man, welche Partei hat am meisten Stimmbürger über den Tisch gezogen?