Der Mit­glie­der­wer­be­ar­ti­kel für die SVP im Birs­fel­der Anzei­ger vom 24. März 2017 hat mich wie­der ein­mal bewegt über die viel geprie­se­ne Sou­ve­rä­ni­tät und Unab­hän­gig­keit nach­zu­den­ken und nach­zu­le­sen. Und dabei natür­lich auch ein biss­chen über die Bedeu­tung der Schweiz inner­halb Euro­pas und der Welt (im Titel­bild oben rechts). Über­schät­zen wir uns nicht immer etwas?

Schon 2014 war ich fas­zi­niert vom Buch von Joël­le Kuntz, einer west­schwei­zer Jour­na­lis­tin, die eine fast kom­plet­te Geschich­te der Sou­ve­rä­ni­tät und Unab­hän­gig­keit der Schweiz geschrie­ben hat, Titel: »Die Schweiz — oder die Kunst der Abhän­gig­keit«.
Sie betrach­tet dabei die Schweiz aus dem Blick­win­kel der Abhängigkeit(en). Sie sieht eine aus­ser­or­dent­li­che Fähig­keit der Schweiz, eine Stär­ke der Schweiz, dar­in, mit ihren Nach­barn viel­fäl­ti­ge Bin­dun­gen ein­zu­ge­hen. Das ermöglicht(e) der Schweiz durch alle Jahr­hun­der­te zu über­le­ben und zu gedeihen.
Auch heu­te wäre die Schweiz her­vor­ra­gend geeig­net für Alli­an­zen aller Art mit Euro­pa und der Welt, wür­de sie nicht so sehr blo­ckiert durch ihre etwas spe­zi­el­le Sicht von Unab­hän­gig­keit und Souveränität.

Was ist denn Souveränität?
Im Völ­ker­recht ist Sou­ve­rä­ni­tät die Unab­hän­gig­keit eines Staa­tes gegen­über ande­ren Staa­ten. Und es ist das Recht des Staa­tes über sich sel­ber selb­stän­dig zu bestim­men. Der Trä­ger der Sou­ve­rä­ni­tät ist der Sou­ve­rän, im Fal­le der Schweiz also das Stimmvolk.

So kann das Stimm­volk zum Bei­spiel sou­ve­rän bestim­men, dass ein Ver­trag aus­ge­han­delt, abge­schlos­sen und ein­ge­hal­ten wird (!), der auch ein biss­chen an der Sou­ve­rä­ni­tät kratzt. Zum Bei­spiel die Aner­ken­nung der EMRK (Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on) und damit des Euro­päi­schen Gerichts­hofs in Strass­burg (der übri­gens auch von SVP-Anwäl­ten ange­ru­fen wird).
Oder die Schweiz kann bila­te­ra­le Ver­trä­ge mit der EU abschlies­sen, die zum Teil eben­falls an der Sou­ve­rä­ni­tät krat­zen. Das heisst die­se Ver­trä­ge sind ein Geben und ein Neh­men. Die Schweiz schliesst Ver­trä­ge, Über­ein­künf­te, Abkom­men ab, die zwar die Sou­ve­rä­ni­tät etwas krat­zen, deren Vor­tei­le aber über­wie­gen (z.B. das Schengen-Abkommen).

Was die SVP heu­te prak­ti­ziert ist nicht der Kampf um Sou­ve­rä­ni­tät und Unab­hän­gig­keit, son­dern … das hat Eve­lyn Roll so schön für die EU gesagt, dass es auch zur Schweiz passt:
»In fast jedem Land mar­schie­ren sie jetzt, die klei­nen Trumps, wie Zwerg-Kari­ka­tu­ren und Möch­te­gern-Wie­der­gän­ger der Schlaf­wand­ler von 1914. Mit popu­lis­ti­schen Dumm­hei­ten, natio­na­lis­ti­schen Abschot­tungs­phan­ta­sien, Ver­schwö­rungs­theo­rien und Schein­lö­sun­gen sam­meln sie die Stim­men der Ver­un­si­cher­ten und Über­for­der­ten, der Abge­häng­ten, Ent­kop­pel­ten, der Denk­fau­len und Ver­bit­ter­ten. Sie wol­len vor allem eins: an die Macht. Und wei­ter? Euro­pa abschaffen.«

Oder ganz ein­fach gesagt:
Nicht Sou­ve­rä­ni­tät und Unab­hän­gig­keit sind gefragt, son­dern ganz ein­fach ego­zen­tri­scher Nationalismus.

 

Joël­le Kuntz, Die Schweiz — oder die Kunst der Abhän­gig­keit, Ver­lag Neue Zür­cher Zeitung
Eve­lyn Roll, Wir sind Euro­pa!, Ull­stein Buch­ver­la­ge GmbH

Überraschung im Zentrum
Mattiello am Mittwoch 4/15

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