Ganz allgemein ist Demokratie eine Staatsform mit einer Verfassung, die allgemeine persönliche und politische Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und unabhängigen Gerichten.
Direkte Demokratie, also direkte Beteiligung des Volkes, wird im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie (Parlamente) in der Schweiz auf verschiedene Weisen wahrgenommen: Landsgemeinde, Gemeindeversammlungen, Vernehmlassungen, Wahlen und Abstimmungen (mit obligatorischen oder fakultativen Referenden und Initiativen).
Stellt sich nun die Frage: Was ist demokratischer? Ist eine Landsgemeinde demokratischer als eine Gemeindeversammlung? Ist eine Volksabstimmung (dank Referendum) oder eine Initiative demokratischer als eine Gemeindeversammlung? Und wie steht es mit den Beschlüssen von Parlamenten?
Ich finde es problematisch, wenn da zwischen »demokratisch« und »wirklich demokratisch« unterschieden wird.
Da war ja die wunderbare Gemeindeversammlung (die erste mit verschärfter Einlasskontrolle) in der Sporthalle. Es ging um zwei umstrittene Traktanden: Rettung der Schwimmhalle für Schulen und Vereine und um die Einführung eines Einwohnerrates. Typisch auch jeweils die Forderung der Direktinteressierten »ihr« Traktandum vorzuziehen. Beides Geschäfte, die auch Geld kosten. War der Entscheid die Schwimmhalle zu renovieren und den Einwohnerrat bachab gehen zu lassen demokratischer, weil mehr Abstimmende vorhanden waren?
Und ist eine Budgetgemeindeversammlung undemokratischer weil in der Regel nur etwa 150 Abstimmende teilnehmen?
Müssten dann eigentlich nicht alle Geschäfte einer Gemeindeversammlung an die Urne verlegt werden? Also etwa vier bis fünf Gemeindeabstimmungen pro Jahr mit jeweils etwa 5 Geschäften, damit »wirkliche Demokratie« herrscht? Wird dadurch die Stimmbeteiligung eher verbessert oder verschlechtert?
Und wie verhält es sich dann mit Informationen, Fragen und Diskussionen?
David Van Reybrouck hat sich mit Demokratie und Wahlen intensiv beschäftigt und sagte: »In einer Volksabstimmung werden die Menschen direkt gefragt, was sie denken, ohne dass sie wirklich darüber nachdenken müssen.«
Ich bin vom Quartierplan 707 weder direkt noch indirekt betroffen. Ich werde das Referendum zwar unterzeichnen, weil ich jede Initiative und jedes Referendum unterschreibe, mit einigen svpeinlichen Ausnahmen. Ob ich allerdings an der Volksabstimmung JA oder NEIN sagen werde, ist zum Zeitpunkt des Unterschreibens für mich noch offen. Weil ich eben noch nachdenken muss!
Und da haben die Initianten noch eine riesige Bringschuld in Form von Argumenten, guten Artikeln im Birsfelder Anzeiger, im www.birsfälder.li (wie dies Florian Schreier schon getan hat) und eventuell auch eigenen Veranstaltungen …
Und die Weisheit zur Sache:
In Demokratien zählt nicht nur das Ergebnis,
sondern auch der Prozess, also der Weg zum Ergebnis.
Dirk Kurbjuweit
Ruth Recher
Dez 28, 2017
Ich finde es bedenklich, dass die Initianten des Referenfums sich erdreisten, die an der Gemeindeversammlung gelebte Demokratie anzugreifen. Sind es doch mehrheitlich Personen welche sonst nie an einer Gemeindeversammlung teilnehmen was ich äusserst undemokratisch empfinde. Diesen Personen geht es doch nur um ihr eigenes Interesse .
Franz Büchler
Dez 28, 2017
Das Referendum gegen einen Gemeindeversammlungsbeschluss ist ein in unserer Demokratie vorgesehenes Mittel, wenn jemanden einen Entscheid nicht richtig findet.
Darum ist es auch gut, dass der Quartierplan angenommen wurde, nur so konnte ein Referendum überhaupt stattfinden. Wäre der Quartierplan abgelehnt worden, wäre kein Referendum möglich gewesen.
Es ist also keine Dreistigkeit, sondern ganz einfach das Wahrnehmen eines in unserer Demokratie vorgesehenen Rechts.
Roland Bertschin
Dez 28, 2017
herr büchler — an der gemeindeversammlung haben sie gegen den quartierplan gestimmt. jetzt unterschreiben sie das referendum, wissen aber noch nicht ob sie an der abstimmung ja oder nein stimmen werden. weil sie eben noch darüber nachdenken müssen, wie sie schreiben.
ihr verhalten gibt mit echt zu denken !
Franz Büchler
Dez 28, 2017
Sie haben das Stimmgeheimnis zu meinen Ungunsten verletzt 😉
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Warum Ihnen was zu denken gibt ist mir nicht klar.
Dass ich nein gestimmt habe?
Dass ich das Referendum unterschreibe?
Dass ich darüber nachdenken will?
Nun, ganz einfach:
• Ich habe an der GV nein gestimmt, weil ich für die vielen Gadgets die dem Bauherrn zugestanden werden, von der Architektur enttäuscht war.
• Ich unterschreibe das Referendum, damit der Bauherr oder die Initianten einen gut legitimierten Entscheid bekommen und die Stürmerei aufhört.
• Ja, ich will bei jedem meiner Entscheide jeweils neu nachdenken. Darum auch die Aufforderung an die Initianten mehr zur Diskussion beizutragem mit Artikeln und vielleicht Diskussionsveranstaltungen.
Wenn sich Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. Und Sie?
hasira
Dez 28, 2017
Mir gibt zu denken, dass es zu denken gibt, wenn jemand über etwas nachdenkt.
Also lieber nicht nachdenken.
Alex Gasser
Dez 28, 2017
Der Boden sowie das Gebäude sind Eigentum der Familie Kestenholz, die nun die jetzige Nutzung der Liegenschaft beenden will. Der heutige Vorschlag wurde mit der Gemeinde ausgearbeitet. Da geht es nicht um “Zückerchen” verteilen, sondern um eine Lösung, mit der die Gemeinde wie auch Kestenholz zufrieden sind.
Was erwarten nun die das Referendum ergriffen haben von Kestenholz. Soll er nochmals Geld in die Hand nehmen und ein neues Konzept ausarbeiten? Falls er dies tut, wird bestimmt eine andere Gruppierung das Referendum ergreifen. Ich frage mich, was die Gegner tun würden, wenn es um ihr Land und ihre Liegenschaft ginge?
Ich würde die Liegenschaft leer stehen lassen und einen Käufer suchen, der sich vielleicht in vier, fünf Jahren finden liesse.
Da kommt mir noch der Leserbrief von Sämi Bänziger, SVP, in den Sinn, der letzthin vom Gemeinderat verlangte, endlich schwarze Zahlen zu schreiben. Ja wie denn, wenn jede innovative Idee irgendeiner Gruppierung, Partei nicht gefällt?
Ich war nicht an dieser Gemeindeversammlung, ich lag krank im Bett. Doch in der Gemeindekommission habe ich für dieses Projekt gestimmt.
Alex Gasser
Meury Christoph
Dez 29, 2017
@franz
»Ich habe an der GV nein gestimmt, weil ich für die vielen Gadgets die dem Bauherrn zugestanden werden, von der Architektur enttäuscht war«.
Wenn man der Bauherrschaft, respektive dem Investor unterstellt, dass er durch die Zonenänderung einseitig Geschenke erhält, verkennt man, dass hier ein Investor bereit ist einige Millionen für ein neues Bauprojekt zu investieren.
Bereits für die vorliegende Planung hat er zudem ein paar tausend Franken in die Hand genommen.
Was ist der Gewinn für die Gemeinde? Zusätzliche MieterInnen werden nach Birsfelden ziehen, hier am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, Steuern bezahlen und ihre Kinder in Birsfelden in die Schule schicken. 1 bis 2 Gewerbetriebe werden ihr Domizil an besagter Adresse beziehen und ebenfalls steuerpflichtig werden. Die Gemeinde wird eine Mehrwertabgabe kassieren. Das lokale Gewerbe wird beim Neubau Aufträge erhalten. Also insgesamt eine Win-Win-Situation.
Apropos Architektur: Die Adresse ist wenig exklusiv. Viel befahrene & lärmige Hauptstrasse. Birsfelden wird sich an der Rheinfelderstrasse mit einer Architektur von der Stange begnügen müssen. Keine renommierte ArchitektIn wird hier, auf dieser winzigen Parzelle, ein Meisterwerk anbieten wollen. Birsfelden ist nicht das Pflaster für architektonische Trouvaillen. Es sei denn, dass die Gemeinde die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen bereit ist.
Ruth Recher
Dez 29, 2017
Danke Herr Gasser sie haben es auf den Punkt gesagt.
Tommi Zeuggin
Dez 29, 2017
Schön, wird diskutiert. Ich unterstütze das Referendum.
-Das Unternehmen beansprucht mehr Raum (zudem noch gewerblich) als es in einer Wohnzone erlaubt ist. Somit ist dies ein Machtanspruch an “öffentlichem Raum” (und an der Wirklichkeit). Dass darüber debattiert wird, ist sinnvoll und demokratisch, auch wenn sich Gemeinde und Eigentümer einig sind.
‑Meiner Ansicht nach hat das Projekt vor allem eines in sich: Kapitalfluss und Mehrwert (für den Eigentümer und die Gemeinde).Win, win? Viele mögen das gut finden. Ich nicht. Das Kapital selbst hat zunehmend mehr (eigentlich fast alle) Macht und bringt solche rentablen aber etwas tristen Projekte auf den Tisch. Wohnen und Schule über/um eine/r Tankstelle mit Shop entspricht für mich eben nicht einer positiven, menschen-und naturfreundlichen Zukunftsvision. Ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, wer gerne über einer Tankstelle wohnen würde? Ich verstehe auch nicht wieso Gewerbe‑,Wohn-und Schulraum kombiniert werden müssen. Steht da wirklich eine gewinnbringende Vision dahinter oder geht es einfach um eine optimal ökonomische Ausnutzung dieser Parzelle?
‑Das wir in Zukunft mehr Wohnraum brauchen ist unbestritten. Wie diese Zukunft aussehen soll, muss eben verhandelt werden und kann nicht einfach denen überlassen werden, die bereit sind zu investieren (ausser sie halten sich an den ihnen rechtlich zugestandenen Raum). Das wäre fahrlässig und eine Machtabgabe des Menschen und seinem Verstand an das Kapital.
Franz Büchler
Dez 29, 2017
Wie das Gewerbe in diese W3-Zone kam, weiss ich nicht. Aber offenbar war das Gewerbe eventuell sogar vor der Wohnzone da. Darum wurde an der Gemeindversammlung auch von einer Besitzstandsgarantie gesprochen.
Bei einer Änderung sagt das Baugesetz:
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5.1 Bestandesgarantie innerhalb der Bauzonen
§ 109 Bestehende zonenfremde Bauten und Anlagen
1 Bestehende, rechtmässig erstellte, aber zonenfremd gewordene Bauten und Anlagen, namentlich für Dienstleistungen, Industrie und Gewerbe, dürfen erhalten, angemessen erweitert, umgebaut oder in ihrem Zweck teilweise geändert werden, wenn ihre Einwirkungen auf die Nachbarschaft gleich bleiben oder reduziert werden.
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Ob durch das neue Projekt die Belastungen erweitert werden, müssten die Gegner in irgendeiner Form glaubhaft aufzeigen können. Nur wenn die Belastungen gleich bleiben oder reduziert werden ist eine Änderung möglich. Statt viele Briefe und Kommentare schreiben, wäre vielleicht einmal recherchieren angesagt …