Zur Erin­ne­rung:
Im Arti­kel »Spa­ren ist heu­te nicht spa­ren!« for­der­ten wir auf, Vor­schlä­ge für Mehr­ein­nah­men oder Ver­zich­te zu Guns­ten der Gemein­de Birs­fel­den zu machen. Hasi­ra mach­te den fol­gen­den Vorschlag:

»Da ihr noch immer am Sam­meln seid, forscht doch ein­mal dem nach:
1974 mit rund 15’000 Ein­woh­nern ver­füg­te der Sozi­al­dienst über 3 Stel­len.
2014 mit rund 10’000 Ein­woh­nern ver­fügt der Sozi­al­dienst über 12 Stel­len.
Hat Birs­fel­den so viel mehr Fäl­le zu bearbeiten?«

Die­se Zah­len haben uns auch ver­blüfft. Unter­des­sen glau­ben wir zu wis­sen, woher die­se Zah­len für 1974 stam­men: Wahr­schein­lich aus der »Hei­mat­kun­de Birs­fel­den«, die zum hun­dert­jäh­ri­gen Bestehen der Gemein­de erschie­nen ist (Da lies­se sich auf der Sei­te 118 noch eini­ges her­aus­le­sen).
Auch Hasi­ra ver­blüfft uns, denn sie/er ist bis jetzt die/der Ein­zi­ge aus unse­rer Leser­schaft mit Reak­tio­nen auf unse­ren Auf­ruf (mit Aus­nah­me noch von einem unse­rer Redak­ti­ons­kol­le­gen). Aber, was nicht ist, kann ja noch werden.

Nach­dem die »bz Basel« am Diens­tag mit »Gemein­den lau­fen in Finanz­ham­mer« die gan­ze Sozi­al­hil­fe Pro­ble­ma­tik auf­ge­rollt hat, zie­hen wir hier einen Arti­kel vor, der eigent­lich erst nach der Gemein­de­ver­samm­lung geplant war.

Wir haben uns ein biss­chen kun­dig gemacht und kön­nen nun dazu fol­gen­de Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen liefern.

Zum The­ma:

Wir haben uns eini­ge Fra­gen zu die­sem The­ma über­legt und sie unse­rem Gemein­de­ver­wal­ter Mar­tin Schür­mann und der Lei­te­rin Sozia­les Moni­ka Wirth­ner vor­ge­legt. Fett­ge­druckt die Fra­gen, dar­un­ter jeweils die Ant­wor­ten.
Aus den Ant­wor­ten haben sich eini­ge neue Fra­gen erge­ben. Die­se wur­den jeweils bei der ent­spre­chen­den The­ma­tik angehängt.

1974 mit rund 15’000 Ein­woh­nern ver­fügte der Sozi­al­dienst über 3 Stel­len.
2014 mit rund 10’000 Ein­woh­nern ver­fügt der Sozi­al­dienst über 12 Stel­len.
Hat Birs­felden so viel mehr Fäl­le zu bear­bei­ten? Stim­men die gemach­ten Anga­ben?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Aus dem Jah­res­be­richt 1974 geht nicht her­vor, mit wie vie­len Stel­len die dama­li­ge Für­sor­ge­be­hör­de besetzt war. Dem Amts­be­richt 1976 kann aber ent­nom­men wer­den, dass der Stel­len­etat von zwei auf drei Sozi­al­ar­bei­ter aus­ge­baut wur­de. Es wur­de damit in ers­ter Linie „ein Nach­hol­be­darf gedeckt“ und gleich­zei­tig konn­ten die Dienst­leis­tun­gen aus­ge­baut wer­den.
Die genaue Fall­zahl kann nicht eru­iert wer­den, ledig­lich rund 60 Fäl­le wur­den in Bezug auf Unter­stüt­zung abge­klärt und rund 65 Per­so­nen nah­men die frei­wil­li­ge Bera­tung (Schwer­ge­wicht Ehe­be­ra­tun­gen) in Anspruch.
Heu­te bear­bei­tet der Sozi­al­dienst rund 360 Fäl­le, was in der Tat einer „Ver­sechs­fa­chung“ der Fall­zah­len aus dem Jahr 1974 entspricht.

Steigt die Zahl der Sozi­al­hil­fe­be­zie­hen­den durch bil­li­ge­ren Wohn­raum in Birs­fel­den als anders­wo?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Seit 2011 wird die­ser Grund bei der Neu­an­mel­dung erfasst und ist damit aus­wert­bar. Mit einer Quo­te < 5% kön­nen wir zum heu­ti­gen Zeit­punkt nicht sagen, dass bil­li­ger Wohn­raum ein rele­van­ter Zuzugs­grund für Sozi­al­hil­fe­be­zie­hen­de ist. 
Über einen Ver­gleich mit ande­ren Gemein­den ver­fü­gen wird nicht. 

Sind da auch wie­der Auf­ga­ben­über­tra­gun­gen des Kan­tons die Ursa­che?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Das spielt sicher auch eine Rol­le.
Gene­rell ist aber fest­zu­hal­ten, dass — wie in vie­len ande­ren Berei­chen auch — die admi­nis­tra­ti­ven und recht­li­chen Vor­ga­ben enorm zuge­nom­men haben. Sie­he Ant­wort zur nächs­ten Frage.

Gemeindeverwaltung

Sind noch ande­re Gründe/Ursachen für die­se Ver­vier­fa­chung der Stel­len ver­ant­wort­lich?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Bei­spiel­haft kön­nen auf­ge­zählt wer­den
• Fall­zah­l­ent­wick­lung (3)
• Bevöl­ke­rungs­struk­tur (4)
• Kan­to­na­le Vor­ga­ben
• Geset­zes­än­de­run­gen
• Zunah­me von juris­ti­schen Ver­tre­tern (1)
• IV-Revi­sio­nen
• Revi­sio­nen in der obli­ga­to­ri­schen Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung
• Zunah­me der Kom­ple­xi­tät in den Fäl­len (2)

(1) Heisst das, dass Renten/Beihilfen/etc. zuneh­mend auch erstrit­ten wer­den?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Wir stel­len fest, dass Ent­schei­de der Sozi­al­hil­fe zuneh­mend mit juris­ti­scher Hil­fe hin­ter­fragt, ange­zwei­felt wer­den. Über kon­kre­te Zahlen/Statistiken ver­fü­gen wir nicht. 

(2) Trifft es zu, dass ein Gross­teil der in Birs­fel­den neu zuzie­hen­den Bevöl­ke­rung schon als Sozi­al­hil­fe­be­zü­ger und/oder zu betreu­en­de schwie­ri­ge Fami­li­en ankom­men?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Teil­wei­se kommt es vor, dass Per­so­nen zuzie­hen, wel­che bereits in der vor­he­ri­gen Gemein­de Sozi­al­hil­fe bezo­gen haben. Es han­delt sich dabei jedoch um eine gerin­ge Zahl. Dies trifft auch auf Fami­li­en mit hohem Bera­tungs­auf­wand zu. 

(3) Trifft es zu, dass die gesetz­li­che Schwel­le Sozi­al­hil­fe zu bekom­men in den letz­ten 40 Jah­ren nied­ri­ger gewor­den ist?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Über die Ent­wick­lung der letz­ten 40 Jah­re kann von unse­rer Sei­te kei­ne Aus­sa­ge gemacht wer­den. Über die letz­ten 10 Jah­re kön­nen wir fol­gen­des fest­hal­ten:
a. Die gesetz­li­che Schwel­le ist betrags­mäs­sig in der kan­to­na­len Gesetz­ge­bung fest­ge­hal­ten. b. „Gefühls­mäs­sig“ (d.h. wir haben die har­ten Fak­ten dazu nicht recher­chiert) haben wir nicht den Ein­druck, dass die­se Schwel­le nied­ri­ger gewor­den ist. 
Trifft es zu, dass die Hemm­schwel­le Sozi­al­hil­fe zu bezie­hen nied­ri­ger gewor­den ist?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Die­se Aus­sa­ge kön­nen wir weder bestä­ti­gen noch „ver­wer­fen“. 

(4) Wie begrün­det sich die fast drei­fa­che Anzahl Vor­mund­schaf­ten gegen­über ver­gleich­ba­ren Gemein­den?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Die­se Zah­len sind erst seit Ein­füh­rung der KESB bekannt. Vor­her fand kein Ver­gleich statt. Eine Ana­ly­se dazu fand noch nicht statt, wes­halb kei­ne Aus­sa­gen mög­lich sind. 

Hat die Aus­la­ge­rung der Kin­der- und Erwach­se­nen­schutz­be­hör­de zu einer Stel­len­min­de­rung geführt?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Auf dem Papier ja: das VB-Sekre­ta­ri­at konn­te mit der Ein­füh­rung KESB auf­ge­löst wer­den (rund 180 Stel­len­pro­zen­te).
ABER: Durch das Inkraft­tre­ten des neu­en Geset­zes müs­sen alle Kin­des- und Erwach­se­nen­schutz­man­da­te über­prüft und an das neue Gesetz ange­passt wer­den. Dies hat zur Fol­ge, dass die Abklä­rungs­auf­trä­ge deut­lich zuge­nom­men haben und noch wei­ter zuneh­men wer­den.
Durch die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung erfol­gen die Abklä­rungs­auf­trä­ge dif­fe­ren­zier­ter und mit spe­zi­fi­schen Fra­ge­stel­lun­gen. Dies hat Aus­wir­kun­gen auf die Man­dats­trä­ger in den Berei­chen Berich­ter­fas­sung und Abklä­rungs­auf­trä­ge und die Bericht­erstat­tung wird ins­ge­samt auf­wen­di­ger.
Die Rück­fra­gen durch die KESB haben eben­falls zuge­nom­men. Der admi­nis­tra­ti­ve Auf­wand hat sich dadurch ins­ge­samt um min­des­tens 10 – 20 % erhöht.

Die KESB beschreibt ihre Auf­ga­be unter ande­ren wie folgt: »Umfas­sen­de Abklä­run­gen bei Anträ­gen und Gefähr­dungs­mel­dun­gen betref­fend Kin­der und Erwach­se­ne«. Trifft es zu dass nach einer Mel­dung bei der KESB der Sozi­al­dienst Birs­fel­den die Abklä­run­gen machen muss?
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Das ist rich­tig. Die KESB erteilt den Auf­trag und der zustän­di­ge Sozi­al­dienst muss die­se Abklä­run­gen durch­füh­ren.
Ver­ein­facht aus­ge­drückt, hat die KESB die Vor­mund­schafts­be­hör­de abge­löst. Eine „Lai­en­be­hör­de“ wur­de damit durch eine „Fach­be­hör­de“ ersetzt. Die Grund­la­ge dazu bil­det die eid­ge­nös­si­sche Gesetz­ge­bung. Die Dos­siers sind an die KESB abge­ge­ben wor­den, die Man­dats­füh­rung hin­ge­gen und somit die ope­ra­ti­ve Umset­zung – also die täg­li­che Arbeit mit den Kun­din­nen und Kun­den — erfolgt nach wie vor auf Ebe­ne der Gemeinde. 

Zusatz­in­for­ma­ti­on:
M. Schürmann/M. Wirth­ner: Birs­fel­den ist sich seit eini­ger Zeit der Pro­be­le­ma­tik und dem Stel­len­wert der Sozi­al­hil­fe auch für die Gemein­de­fi­nan­zen bewusst. Es wur­de des­halb in den letz­ten Jah­ren gros­ser Wert auf eine pro­fes­sio­nel­le Bear­bei­tung inklu­si­ve aus­sa­ge­kräf­ti­ger Kenn­zah­len gelegt. 
Die­se Anstren­gun­gen haben sich gelohnt, wenn man die nach­fol­gen­den Zah­len ver­gleich­ba­rer Gemein­den (Grösse/Struktur) betrach­tet (Quel­le Sta­tis­ti­sches Amt BL).
Sowohl abso­lut, wie auch rela­tiv gese­hen, ist all­ge­mein eine Zunah­me zu ver­zeich­nen.
 Die Ent­wick­lung in Birs­fel­den liegt dabei im ver­gleich­ba­ren Rah­men 
 Die Kos­ten der Sozi­al­hil­fe pro Ein­woh­ner sind in Birs­fel­den sowohl 2003 wie auch 2012 als sehr gut zu bezeich­nen. Sowohl im 2003, wie auch im 2012 hat Birs­fel­den hier die tiefs­ten Wer­te der vier ver­gli­che­nen Gemeinden:

SozialhilfeTabelle

 

 

 

 

 


Und der Kommentar:

Die KESB bringt für die Abtei­lung Sozia­les der Gemein­de Birs­fel­den also Mehr­auf­wand und das trotz Mehr­kos­ten für die Aus­la­ge­rung. Eigent­lich ein eigen­ar­ti­ges Set­ting.
 Zu wün­schen wäre dass die über­mäs­sig hohe Zahl der Vor­mund­schaf­ten in Birs­fel­den (fast drei­mal so vie­le wie in ver­gleich­ba­ren Gemein­den) ein­mal genau­er unter die Lupe genom­men wird.
 Bei der Durch­sicht der Tätig­keits­be­rich­te ist mir auf­ge­fal­len, dass die Abtei­lung Sozia­les letzt­mals im GPK-Tätig­keits­be­richt 2009 auf­taucht. So wie ich mit mei­nen Fra­gen die Zusam­men­ar­beit erlebt habe, hät­te es die­se Abtei­lung zu gute wie­der ein­mal lobend erwähnt zu wer­den – wie 2009.

Auch ich bedan­ke mich bei Mar­tin Schür­mann und Moni­ka Wirth­ner herz­lich und ich hof­fe sehr, dass auch Hasi­ra mit die­sen Ant­wor­ten zufrie­den ist.

Es war sicher rich­tig, die­sen Fest­stel­lung von Hasi­ra genau­er anzu­schau­en, waren die Zah­len doch recht ver­blüf­fend. Auf der Suche nach Mög­lich­kei­ten soll­te nichts tabu sein, soll­te fair dis­ku­tiert wer­den und nicht schon zu Beginn zen­su­riert wer­den. Sie kön­nen die­se Ant­wor­ten auch bewer­ten. Im ers­ten ange­häng­ten Kom­men­tar heisst Dau­men rauf: Fin­de ich gut/einverstanden. Und Dau­men run­ter: Fin­de ich nicht gut/nicht einverstanden.

Sie kön­nen aber auch eige­ne Kom­men­ta­re schrei­ben und wei­te­re Ver­zichts- oder Mehr­ein­nah­men-Vor­schlä­ge machen.

Mattiello am Mittwoch 1/13
27.03.2014

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