Wenn es um das Budget einer Gemeinde geht spricht man heute als erstes vom Sparen und dann von »Strukturellen Defiziten«. Doch was ist das?
Ein Strukturelles Defizit ist der Teil z.B. eines Gemeindedefizits, der nicht durch konjunkturelle Schwankungen entsteht. Das strukturelle Defizit entsteht dann, wenn einer Gemeinde ohne Abbau bestehender Aufgaben neue Aufgaben aufgehalst werden, ohne die entsprechenden Mittel mitzuliefern.
In der Gemeinde Birsfelden entsteht das Strukturelle Defizit nicht durch übertriebene Ausgaben, nicht durch Geldverschleudern, sondern z.B. durch verschiedene andere Umstände, die sich nach und nach angesammelt haben oder die neu von Bund und Kanton an die Gemeinden delegiert wurden:
• Zum Beispiel die Reform der Basellandschaftlichen Pensionskasse. Obwohl es in der Fachwelt bedeutende Experten gibt, die eine Ausfinanzierung einer staatlichen Pensionskasse als unnötige Geldverschwendung betrachten, weil Mittel gebunden werden, die der Staat anderweitig besser verwenden könnte und sollte, wurde eine Ausfinanzierung beschlossen, wohl eher aus ideologischen als aus rationellen Gründen (z.B. weil nur eine ausfinanzierte Pensionskasse allenfalls privatisiert werden kann). Das kostet die Gemeinde Birsfelden wahrscheinlich mehr als die geschätzten 29 Mio. Franken.
Danke Bund, danke Kanton.
• Zum Beispiel die Änderungen in der Pflegefinanzierung. Der vom Bund geänderte Leistungskatalog und die darum vom Kanton festgelegten Normkosten, bei denen sich der Kanton vornehm schadlos hält, verursacht der Gemeinde rund 1 Mio. Franken jährliche Mehrkosten.
Danke Bund, danke Kanton.
• Durch den überdurchschnittlich hohen Anteil an die Erwachsenen- und Jugendschutz-Stelle, verteuert vor allem auch durch die sogenannte Professionalisierung der angestellten MitarbeiterInnen, aber auch durch die hohe Anzahl Fälle.
Dankeschön lieber Bund für die Übergabe des Schwarzen Peters.
• Durch konstant hohe Arbeitslosenzahlen (209 Arbeitslose im 1. Halbjahr 2013) und immer wieder gekürzte Arbeitslosentaggelder, nicht nur aber auch, hat Birsfelden den vierthöchsten Aufwand für soziale Wohlfahrt (Liestal, Pratteln, Ettingen haben mehr). Wer schickt auch alle diese Fälle nach Birsfelden?
Danke Bund, danke …
• Und zuletzt (vielleicht/wahrscheinlich?) auch durch Harmos, weil die Gemeinde neu das sechste Schuljahr übernehmen muss. Ich glaube kaum, dass der Kanton hier die vollen Kosten an die Gemeinden vergütet. Harmos eine Sparübung des Kantons?
Und jetzt soll also gespart werden, damit wir alle diese neuen Aufgaben und Lasten übernehmen können?
Sparen war doch eigentlich einmal das Horten von freien Mitteln zur späteren Verwendung. Also zum Beispiel das Horten von freien Mitteln auf Jersey oder in Luxemburg, wie dies zum Beispiel heutige Bundesräte machten. Das, was heute von Politikern gemeint ist, heisst auf deutsch verzichten. Wenn Politiker beschönigend von Sparen sprechen, ist das Augenwischerei. Die Gemeinde verkleinert dann zwar ihre Ausgaben, macht aber weiterhin Schulden um die gesetzlichen Aufgaben leisten zu können …
Also?
Entweder sagen uns die Spar-Parteien von FDP, CVP, EVP, GP, GLP und manchmal sogar SP und so, wo konkret was nicht mehr ausgegeben werden soll, auf was wir verzichten sollen oder müssen. Oder sie zeigen uns auf wie wir die fehlenden Mittel generieren können. Es geht nicht an, dass die Parteien dies dem Gemeinderat und seinen Verwaltungsangestellten überlassen.
Und die Parteien setzen sich dafür ein, dass Bund wie Kanton sich gewaltig zurückhalten mit neuen Aufgabenübergaben.
Mir grauts jetzt schon, wenn ich an die Unternehmenssteuerreform III denke, die eigentlich das Bundesrat-Merz-Desaster zurücknehmen sollte, die helfen sollte dass Unternehmensgewinne nicht einfach weggeschweizert* werden, aber schon jetzt im Unternehmer‑, Banken- und KMU-Gejammer fast unter geht.
Was also tun?
1. Wir müssen unsere NationalrätInnen und den Ständerat verpflichten, dem Bund klar zu machen, dass eine weitere Aufgabenverteilung vom Bund zu den Kantonen nicht mehr akzeptiert wird. Auch eine Unternehmenssteuerminderung zulasten der Kantone ist nicht akzeptabel. Eine eindeutige Aufgabe der Parteien.
2. Wir müssen unseren Landräten klarmachen, dass eine weitere Aufgabenabschiebung an die Gemeinden nicht mehr akzeptiert wird. Sprechen Sie mit den Ihnen bekannten Landräten (in Birsfelden wären dies Christof Hiltmann, Claudio Botti, Regula Meschberger und Jürg Wiedemann – eh, die sind ja alle auch im Gemeinderat! – und natürlich auch Sara Fritz).
3. Wir müssen dazu schauen, dass Landräte, die dennoch immer weiter Steuern senken wollen (sei dies nun für Hausbesitzer, KMUs und andere Wirtschaftsverbsprechen, die nichts bringen), nicht mehr gewählt werden.
Wir können aber nicht einfach bis zu den nächsten Wahlen warten!
Wir müssen dem Gemeinderat, der von den Parteien praktisch alleingelassen wird, helfen, die Prioritäten zu setzen. Und dazu braucht es Ihre Vorschläge.
Wir werden Ihre Vorschläge sammeln, hier im birsfälder.li vorstellen und zur Diskussion stellen, und wir werden sie dem Gemeinderat schön geordnet überreichen.
Also: Wo sehen Sie Potential für mehr Einnahmen? Auf was in der Gemeinde können / wollen / sollen / müssen wir verzichten?
Ihre Möglichkeiten für diese Aktion:
• Sie können die Kommentarfunktion oder die Shoutbox brauchen.
• Sie können uns Mails mit Unterlagen (Anhängen) schicken. Wir werden diese dann in geeigneter Form allen LeserInnen zugänglich machen.
• Sie können uns auch Briefe schreiben. Unsere Adressen finden Sie im Telefonbuch.
Und jetzt? Los, an die Tasten!
*Danke Ruedi Widmer für den schönen Ausdruck.
Und die Weisheit zum Artikel:
»Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.«
Bewährte, aber wenig beachtete Volksweisheit
Hasira
Feb. 8, 2014
Birsfelden könnte auf zwei Gemeinderäte verzichten. Welche Summe man da auf die Seite legen könnte, weiss ich nicht. So etwa 100’000 Franken wohl schon. Einer müsste ja schon lange gehen, weil wie ihr schreibt man “nicht Diener zweier Herren” sein kann.
annacarla
Feb. 8, 2014
Einer? Ich komme mit buona volonta auf mindestens zwei. Wer den richtigen Zeitpunkt nicht selbst merkt und geht, wird früher oder später gegangen. Wer zu spät geht …
rugel.li
Feb. 9, 2014
Auf Jersey Island muss man kein Büro mieten, da reicht ein Briefkasten. Kostet vermutlich soviel wie 100 Büros.
Hasira
Feb. 10, 2014
Hier ein Vorschlag, der nicht allen gefallen wird. Er betrifft die Birseckstrasse, schönste Lage an der Birs. Dort könnte man die W4-Zone auch auf die Parzelle 203 ausdehnen. Das ist dort, wo jetzt die vielen Pflanzblätze sind. Die Schafe dürfen am Hang bleiben und die Magerwiese auch. Vielleicht haben auch noch ein paar überdüngte Gärten einen Platz. Der Rest soll Geld einbringen – so die CMS dort bauen will.
Eine weitere Möglichkeit schöne Wohnungen zu bauen, wäre auf der grossen Wiese neben der Migros. Da man dort am Wochenende ja sowieso nicht spielen darf, kann man gerade so gut bauen …
Franz Büchler
Feb. 10, 2014
Die Gemeinde Birsfelden fordert vom Kanton Basel-Landschaft einen Anteil am Wasserzins, wie das für jede Bündner und Walliser Gemeinde mit Kraftwerken oder Staudämmen üblich ist.
Es geht einfach nicht an, dass der Kanton alles, was mit dem Rhein zu tun hat, sich unter den Nagel reisst.